Die junge Sonne tobte – und machte Leben erst möglich
Junge Sonnen schleudern gewaltige Plasmawolken ins All. War es bei unserer Sonne ähnlich, könnten die Ausbrüche Leben auf der Erde erst möglich gemacht haben.
Künstlerische Darstellung eines koronalen Massenauswurfs von EK Draconis. Der heißere und schnellere Auswurf ist blau dargestellt, während der kühlere und langsamere Auswurf rot dargestellt ist.
Foto: NAOJ
Beobachtungen des jungen Sonnenanalogons EK Draconis zeigen, dass koronale Massenauswürfe erstmals mehrstufig und unterschiedlich heiß sein können. Wenn es bei unserer Sonne genauso abgelaufen ist, gelangten in der Frühzeit des Sonnensystems regelmäßig heiße Plasmawolken ins All. Diese konnten die Atmosphäre der jungen Erde verändern und möglicherweise die chemischen Prozesse in Gang setzen, aus denen Leben entstand.
Ein Stern im Ausnahmezustand
Heute wirkt unsere Sonne vergleichsweise friedlich. Doch vor rund 4,5 Mrd. Jahren war sie ein echter Hitzkopf. Junge Sterne wie sie drehen sich schneller, ihre Magnetfelder sind stärker, und sie neigen zu gewaltigen Ausbrüchen. Immer wieder schleuderten magnetische Explosionen große Mengen an heißem Plasma ins All – sogenannte koronale Massenauswürfe, kurz CMEs.
Dabei wird ein Teil der äußeren Sonnenatmosphäre, der Korona, förmlich ins All geschleudert. Solche Plasmawolken bestehen aus elektrisch geladenen Teilchen, die mit Geschwindigkeiten von Hunderten km/s durch den Raum rasen.
Treffen sie auf einen Planeten, können sie dessen Magnetfeld komprimieren, Polarlichter auslösen oder sogar Stromnetze stören. Auf der jungen Erde allerdings könnten diese Eruptionen eine weit größere Rolle gespielt haben – vielleicht sogar die Entstehung des Lebens begünstigt.
Feuerstürme im jungen Sonnensystem
Forschende vermuten schon länger, dass die Sonne in ihrer Jugend viel aktiver war als heute. Sterne derselben Klasse, aber in früherem Alter, zeigen extreme Flares – plötzliche Energieausbrüche, die die stärksten Sonneneruptionen unserer Zeit deutlich übertreffen. In Kombination mit CMEs erzeugen sie Schockwellen, die Partikel auf hohe Energien beschleunigen.
Solche energiereichen Teilchen können Moleküle in der Atmosphäre junger Planeten aufspalten und chemische Reaktionen in Gang setzen. Dabei entstehen Verbindungen, die als Bausteine des Lebens gelten – etwa Aminosäuren oder Treibhausgase, die eine frühe Erwärmung der Erde ermöglicht haben könnten. Es ist ein faszinierendes Wechselspiel aus Zerstörung und Schöpfung: dieselben Prozesse, die eine Atmosphäre ausdünnen können, liefern zugleich die Energie, um neue Chemie zu entfachen.
Blick in die Vergangenheit mit einem Stern namens EK Draconis
Wie aber lässt sich nachvollziehen, was vor Mrd. Jahren geschah? Forschende um Kosuke Namekata von der Universität Kyoto wählten einen Trick: Sie beobachteten einen jungen Stern, der unserer Sonne in ihrer Jugend ähnelt – EK Draconis. Dieser Stern steht rund 110 Lichtjahre entfernt im Sternbild Drache und befindet sich in einem Stadium, das unsere Sonne vor etwa 100 Millionen Jahren durchlief.
Mit einer Kombination aus Weltraum- und bodengestützten Teleskopen beobachtete das Forschungsteam EK Draconis in mehreren Wellenlängen gleichzeitig. Das Hubble-Weltraumteleskop fing ultraviolettes Licht ein, das besonders empfindlich auf heißes Plasma reagiert. Zeitgleich verfolgten Teleskope in Japan und Korea das Geschehen im sichtbaren Bereich und zeichneten die charakteristische Wasserstofflinie Hα auf – ein Indikator für kühleres Gas.
„Was uns am meisten inspiriert hat, war das seit langem bestehende Rätsel, wie die heftigen Aktivitäten der jungen Sonne die entstehende Erde beeinflusst haben“, erklärt Namekata. „Durch die Kombination von Weltraum- und bodengestützten Einrichtungen konnten wir rekonstruieren, was vor Milliarden von Jahren in unserem eigenen Sonnensystem geschehen sein könnte.“
Zwei Explosionen, ein Zusammenhang
Die Beobachtungen zeigten tatsächlich, was man bislang nur vermuten konnte: einen Massenauswurf mit zwei Temperaturphasen. Zuerst schoss heißes Plasma mit bis zu 550 km/s in den Weltraum – Temperaturen von rund 100.000 Grad. Etwa zehn Minuten später folgte ein deutlich kühlerer Gasstrom bei nur rund 10.000 Grad und einer geringeren Geschwindigkeit von etwa 70 km/s.
Das heiße Plasma transportierte deutlich mehr Energie als der langsamere Teil. Beides zusammen deutet auf ein zweistufiges Ereignis hin – ähnlich wie bei der Sonne, wenn ein magnetischer Flare eine größere Eruption auslöst. Möglich ist auch, dass beide Teile denselben Prozess darstellen: Der obere Bereich schießt heiß und schnell davon, während tiefere Schichten langsamer nachfolgen.
Die gemessene Energie entsprach in etwa einem Flare der Klasse X23 – also einem Ereignis, das selbst das berühmte Carrington-Ereignis von 1859, den stärksten bekannten Sonnensturm, fast erreicht. Für einen jungen Stern wie EK Draconis ist das kein Ausnahmefall, sondern beinahe Routine. Solche Ausbrüche könnten dort täglich vorkommen.
Die Sonne als Lebensspenderin
Was bedeutet das für uns? Wenn die Sonne in ihrer Jugend ähnlich aktiv war, trafen gewaltige Plasmawellen immer wieder auf die frühe Erde. Dabei konnten sie die Magnetosphäre zusammendrücken, hochenergetische Teilchen in die Atmosphäre schleudern und dort chemische Reaktionen anstoßen.
In Laborexperimenten ließ sich zeigen, dass solche Teilchen Stickstoff und Kohlendioxid aufbrechen können – aus diesen entstehen reaktive Moleküle, die schließlich zu Aminosäuren oder anderen biologischen Bausteinen führen. So könnte das „Weltraumwetter“ der jungen Sonne nicht nur ein Risiko, sondern auch ein kreativer Impuls gewesen sein: ein kosmischer Funke, der die Chemie des Lebens entzündete.
Was die Physik verrät
Physikalisch betrachtet war das beobachtete Ereignis bei EK Draconis bemerkenswert geordnet. Die Daten zeigen klar, dass es sich nicht um reine Aufheizungen handelt, sondern um tatsächliche Auswürfe von Materie. Der warme, schnelle Anteil trug den größten Teil der kinetischen Energie, während der kühlere Nachzügler mehr Masse, aber weniger Schwung hatte. Das passt gut zu bekannten Mechanismen von CMEs, bei denen magnetische Energie in Bewegung umgesetzt wird.
Die Forschenden betonen, wie wichtig die internationale Zusammenarbeit war, um diese Beobachtung zu ermöglichen. Nur durch die präzise zeitliche Abstimmung zwischen Weltraum- und Bodenteleskopen ließ sich das Phänomen in Echtzeit verfolgen. „Wir waren froh zu sehen, dass wir trotz der Unterschiede zwischen unseren Ländern das gleiche Ziel verfolgen – die Suche nach der Wahrheit durch Wissenschaft“, sagt Namekata.
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