Astrophysiker denkt quer: Entstanden so die ersten Schwarzen Löcher?
Frühe Ursterne könnten das All mit einem Lichtblitz ionisiert und den Ursprung der ersten Schwarzen Löcher geprägt haben.
Riesige Ursterne der Population III.1 könnten das junge Universum mit einem gewaltigen Lichtblitz ionisiert und den Grundstein für die ersten supermassiven Schwarzen Löcher gelegt haben.
Foto: Smarterpix / Juric.P
Vor rund 13 Milliarden Jahren war das Universum jung, dunkel – und voller Gaswolken aus Wasserstoff. In dieser frühen Phase könnten Sterne existiert haben, die jede heutige Vorstellung sprengen. Diese Himmelskörper, bekannt als Population III.1, wuchsen vermutlich zu gigantischen Ausmaßen heran, bis zu 100.000-mal schwerer als unsere Sonne. Ihre Strahlung war so energiereich, dass sie den umgebenden Wasserstoff in einzelne Teilchen zerriss – ein Vorgang, den Astrophysiker Ionisation nennen.
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Ursprung in der Dunklen Materie
Die Theorie zu diesen Ursternen stammt von Jonathan Tan, Astrophysiker an der University of Virginia und der Chalmers University of Technology in Göteborg. Er vermutet, dass diese Sterne nicht nur aus gewöhnlicher Materie bestanden, sondern zusätzlich von der Energie sogenannter Dunkle-Materie-Annihilation gespeist wurden. Dabei stoßen Teilchen der Dunklen Materie zusammen und vernichten sich gegenseitig, wobei Energie frei wird. Das könnte den Sternen geholfen haben, extrem schnell zu wachsen.
Aus solchen Giganten könnten später die supermassiven Schwarzen Löcher entstanden sein, die heute im Zentrum fast jeder großen Galaxie sitzen – auch in unserer Milchstraße. Diese Schwarzen Löcher sind Millionen- bis Milliardenmal schwerer als die Sonne und geben der Forschung bis heute Rätsel auf, vor allem weil das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) bereits sehr frühe Exemplare aufgespürt hat.
Der kosmische Blitz – „The Flash“
Tans Modell geht noch weiter. Es besagt, dass diese supermassiven Sterne das Universum mit einem regelrechten Lichtblitz durchfluteten. „Unser Modell geht davon aus, dass die supermassiven Sternvorläufer der Schwarzen Löcher das Wasserstoffgas im Universum schnell ionisiert haben und ihre Entstehung mit hellen Blitzen ankündigten, die den gesamten Weltraum erfüllten“, erklärt Tan.
Dieser Vorgang, den Forschende „The Flash“ nennen, könnte innerhalb kurzer Zeit einen großen Teil des Universums elektrisch aufgeladen haben. Danach kühlte sich das Gas wieder ab und verband sich zu neutralem Wasserstoff – doch die Spuren dieser ersten Ionisationsphase könnten noch messbar sein.
Einfluss auf heutige Rätsel der Kosmologie
Die Vorstellung einer zusätzlichen, sehr frühen Ionisationsphase passt zu mehreren offenen Fragen der modernen Kosmologie. Tan vermutet, dass dieser Blitz helfen könnte, die sogenannte Hubble-Spannung zu entschärfen – einen Widerspruch zwischen verschiedenen Methoden zur Messung der Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums. Auch Hinweise auf ungewöhnliche Eigenschaften von Neutrinos oder eine veränderliche Dunkle Energie könnten so leichter erklärbar werden.
Der britische Astrophysiker Richard Ellis vom University College London hält die Idee für plausibel: „Es ist möglich, dass die allerersten Sterne in einem kurzen, hellen Blitz entstanden sind und dann verschwunden sind – was bedeuten würde, dass das, was wir jetzt mit dem James-Webb-Teleskop sehen, nur die zweite Welle ist.“
Mögliche Beobachtung mit neuen Teleskopen
Direkt sehen können wir diese ersten Sterne wohl nicht mehr. Doch ihre Wirkung könnte sich noch im kosmischen Mikrowellenhintergrund – der Strahlung aus der Zeit kurz nach dem Urknall – nachweisen lassen. Tan schätzt, dass diese frühe Phase bis zu 40 % der Ionisation ausmacht, die wir heute dort messen.
Künftige Instrumente wie LiteBIRD, das Simons Observatory oder das weltweite Radioteleskop-Netz SKA könnten die Signale des Blitzes finden. Besonders vielversprechend ist die Suche nach der 21-Zentimeter-Linie des Wasserstoffs, einer Radiowellenlänge, die Veränderungen im Gas sichtbar macht. Hier könnten sich „Blasen“ aus ionisiertem Gas zeigen, die diese Ursterne hinterlassen haben. Sogar ein starkes Radiosignal, das das EDGES-Experiment vor einigen Jahren gemeldet hat, ließe sich damit erklären.
Ein neues Bild vom jungen Universum
Lange gingen Forschende davon aus, dass das Universum nach dem Urknall für Hunderte Millionen Jahre dunkel blieb. Die Pop-III.1-Theorie zeichnet ein anderes Bild: Bereits rund 100 Millionen Jahre nach dem Urknall könnte es den ersten großen Lichtblitz gegeben haben.
Vielleicht war das frühe All also kein stiller, schwarzer Raum, sondern ein Ort, in dem gewaltige Sternexplosionen und Strahlungsausbrüche das Geschehen bestimmten. Die Erforschung dieses möglichen Blitzes könnte nicht nur erklären, wie die ersten Schwarzen Löcher entstanden, sondern auch helfen, zentrale Fragen der Physik neu zu bewerten.
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