Ergonomische Sitzmöbel 10.12.2018, 15:35 Uhr

Intelligenter Stuhl soll gesunde Sitzhaltung fördern

Sensoren, Aktoren und ein Algorithmus – aus diesen Werkzeugen möchten Wissenschaftler der Technischen Hochschule Köln einen intelligenten Stuhl schaffen, der den Nutzer zu mehr Bewegung auffordert.

Illustration SenseA-Chair

Der intelligente Stuhl soll auf den ersten Blick nicht als solcher zu erkennen sein. Die Sensoren sind gut versteckt.

Foto: Technische Hochschule Köln

Ergonomische Stühle stützen den Körper und fördern eine gesunde Haltung. Das hilft jedoch wenig, wenn der Nutzer zu lange in der gleichen Position verharrt – das Risiko für Verspannungen steigt. Außerdem ist es selbst auf perfekt gestalteten Sitzmöbeln durchaus möglich, eine ungünstige Körperhaltung einzunehmen und so die Bandscheiben zu stark zu belasten. Das Labor für Fertigungssysteme der Technischen Hochschule Köln arbeitet daher unter der Leitung von Ulf Müller an einem Forschungsprojekt: SensA-Chair. Gemeinsam mit Kollegen der Bergischen Universität Wuppertal und der Deutschen Sporthochschule Köln entwickeln die Wissenschaftler einen Stuhl, der eine anatomisch günstige Sitzhaltung aktiv fördert – der Prototyp wird gerade erstellt. Unterstützt wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

SensA-Chair: Sensoren erfassen Sitzposition

Die Deutschen sitzen zu viel. Das hat kürzlich der Report 2018 der Deutschen Krankenversicherung (DKV) bestätigt, für den knapp 2.900 Bürger befragt wurden: 7,5 Stunden täglich sind es im Durchschnitt. Bei einem großen Teil der Befragten fehlte zudem ein Ausgleich durch regelmäßige Bewegung. Die Folgen des ständigen Sitzens möchte die TH Köln durch SensA-Chair ein wenig abfedern. Denn für den Körper wird es besonders problematisch, wenn sich beim Sitzen die Position kaum verändert, einige Körperbereiche also besonders lange belastet sind. Umgekehrt heißt das: Ein häufiger Wechsel der Sitzposition reduziert die Beanspruchung deutlich.

Im ersten Schritt hat das Forscherteam 14 typische Sitzpositionen ermittelt und diese zusammen mit Kollegen der Deutschen Sporthochschule in sechs Klassen eingeteilt, abhängig vom Grad ihrer Belastung für den Körper. „Bei einer Position der Klassen 1 und 2 ist es in Ordnung, sich über acht Minuten nicht zu bewegen; bei Positionen der anderen Klassen sollte man spätestens nach vier Minuten seine Körperhaltung ändern“, erklärt Müller. Aufgabe des Systems ist es also, die Sitzposition zu erfassen, die jeweilige Dauer zu messen und nach einer festgelegten Zeitspanne, den Nutzer des Stuhl dazu zu motivieren, sich zu bewegen.

Darstellung Aktor

Der Aktor wird unsichtbar im Stuhl verbaut und über einen Algorithmus gesteuert. Nehmen die Sensoren keine Bewegung wahr, übt er nach einer festgelegten Zeit Druck aus.

Quelle: Technische Hochschule Köln

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Algorithmus steuert Aktoren im ergonomischen Stuhl

Dafür verarbeitet ein Algorithmus die Daten, die mit den integrierten Sensoren erfasst werden und gibt sie an die Aktoren weiter. Diese üben physischen Druck durch die Sitzpolster auf, sobald die angemessene Dauer für die Sitzposition überschritten wurde. Das geschieht allerdings ganz sanft. „Auch die stärkste Stufe der Druckkraft fällt immer noch so gering aus, dass sie nicht bewusst wahrgenommen wird, den Menschen aber trotzdem dazu bringt, sich zu bewegen“, erläutert Müller. Das sei wichtig. Denn die Nutzer dürften nicht in ihrer Arbeit gestört werden und sich nicht manipuliert fühlen. „Dies würde zu einer Ablehnung des Systems führen“, ist Müller überzeugt.

Trotzdem muss der Stuhl natürlich so gestaltet sein, dass der Nutzer die Druckkraft der Aktoren durch das Polster hindurch unbewusst bemerkt. Gleichzeitig brauchen die Aktoren eine gewisse Stabilität. Schließlich sollen sie dem Körpergewicht standhalten können. Als Material haben die Forscher daher eine sogenannte Formgedächtnislegierung verwendet. Dabei handelt es sich um spezielles Metall, das über Temperatureinflüsse eine neue Kristallstruktur annehmen und später wieder in seinem Ursprungsform wechseln kann, weil es sich an diese „erinnert“. Vorteile der Formgedächtnislegierung sind vor allem, dass sie sich kompakt verbauen lässt und beim Verändern der Kristallstruktur trotzdem große Kraft entwickelt. Partner aus der Industrie setzen die Erkenntnisse und Vorgaben der Forscher jetzt als Prototyp um.

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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