Signal droht EU-Rückzug bei Einführung der Chatkontrolle
Die Chefin des Messenger-Dienstes Signal, Meredith Whittaker, hat scharfe Kritik an den aktuellen Plänen der Europäischen Union zur sogenannten Chatkontrolle geübt. Sollte die EU von den Anbietern fordern, Hintertüren in ihre Verschlüsselung einzubauen, würde Signal den europäischen Markt verlassen.
Signal warnt vor EU-Chatkontrolle: Hintertüren könnten die Verschlüsselung schwächen. Im Oktober 2025 entscheidet die EU über neue Überwachungspläne.
Foto: picture alliance/dpa/Matthias Balk
„Wenn wir vor die Wahl gestellt würden, entweder die Integrität unserer Verschlüsselung zu untergraben oder Europa zu verlassen, würden wir leider gehen“, sagte Whittaker der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Signal hat den internationalen Ruf einer der sichersten Messenger weltweit zu sein und ist besonders für seine verlässliche End-to-End-Verschlüsselung bekannt.
EU will Missbrauchsdarstellung bekämpfen
Seit drei Jahren verhandelt die EU über eine neue Verordnung zu Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs im Netz. Ein zentraler Vorschlag ist es, dass Messenger wie WhatsApp, Signal oder Telegram Inhalte bereits vor der Verschlüsselung prüfen sollen.
Dazu müssten die Anbieter Kontrollmechanismen integrieren, die sämtliche Nachrichten automatisiert analysieren können. Datenschützer warnen jedoch, dass dies faktisch eine Hintertür in der Verschlüsselung gleichkäme.
Wer eine Hintertür baut, lädt auch ungeladene Gäste ein
Whittaker betont, dass Signal niemals seine End-to-End-Verschlüsselung schwächen wird, denn: „Nicht nur die Guten haben Zugriff auf eine Hintertür.“ Die Verschlüsselung ist entscheidend für die Vertrauenswürdigkeit Signals und um die Privatsphäre von Millionen von Menschen zu schützen.
Zahlreiche Forscher und Forscherinnen sowie Kryptografinnen und Kryptografen kritisieren die vorgeschlagene Technik des sogenannten Client-Side Scanning beziehungsweise der Upload-Moderation. Selbst wenn Inhalte nur vor der Verschlüsselung überprüft würden, schaffe dies neue Schwachstellen und öffne Angriffsflächen für Manipulation oder Umgehung.
Im Verlauf der Debatte wurde der Begriff Client-Side Scanning zunehmend durch die Bezeichnung Upload-Moderation ersetzt. Kritiker wie Whittaker halten diese Argumentation jedoch für kosmetisch: Der Kern bleibe derselbe – Inhalte werden gescannt, bevor sie verschlüsselt werden, und dadurch werde das Grundprinzip der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung unterlaufen.
Auch der Einsatz von KI-Filtern und Algorithmen steht in der Kritik: Fachleute warnen vor Fehlalarmen, bei denen völlig legale Inhalte fälschlich als problematisch markiert werden könnten. Täter hingegen könnten relativ leicht auf andere nicht überwachte Kanäle ausweichen.
Uneinigkeit in der EU
Im Europäischen Parlament hat sich zuletzt eine breite Mehrheit gegen die Chatkontrolle gestellt. Im Rat der Mitgliedstaaten fand die Idee dagegen Unterstützung, scheiterte bislang unter anderem am Widerstand Deutschlands und weiterer Länder.
Unter der dänischen Ratspräsidentschaft rollt das Thema jedoch erneut auf. Im Oktober 2025 wird eine entscheidende Abstimmung im Rat der EU-Mitgliedstaaten erwartet. Ob Deutschland seine kritische Einstellung beibehält, ist jedoch noch unklar. Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung steht zwar geschrieben: „Wir bekämpfen Diskriminierung im digitalen Raum und schützen digitale Grundrechte. Grundsätzlich sichern wird die Vertraulichkeit privater Kommunikation und Anonymität im Netz“, doch das Wort „grundsätzlich“ lässt Datenschützer misstrauisch machen.
Signal prüft die Alternativen
Whittaker erklärt, dass man im Ernstfall versuchen wird, mit Partnern und der Community zusammenzuarbeiten, um eine Umgehungsmöglichkeit zu finden.
„Aber letztendlich würden wir den Markt verlassen, bevor wir gefährliche Gesetze wie diese einhalten müssten“, so Whittaker.
Paradoxerweise könnte die EU, die sich selbst als globale Vorreiterin im Datenschutz versteht, mit ihrer Regulierung genau das Gegenteil bewirken: Sollte Signal sein Versprechen halten und sich aus der EU zurückziehen, könnten Millionen Nutzer und Nutzerinnen gezwungen sein, auf weniger sichere Messenger umzusteigen – was die Datensicherheit insgesamt schwächen würde.
Warnung vor KI-Agenten
Neben der Chatkontrolle äußert Whittaker auch Sorgen über den zunehmenden Einsatz sogenannter KI-Agenten, also digitale Assistenten, die eigenständig Aufgaben wie Reservierungen oder Terminabsprachen übernehmen.
Diese Programme verlangen oft umfassende Zugriffsrechte auf Kalender, E-Mail-Konten, Messenger und sogar Kreditkarten. Um Nutzerende zu schützen, müssen laut Whittaker Betriebssystemhersteller wie Apple, Google und Microsoft Entwicklern die Möglichkeit geben, KI-Agenten auf Betriebssystemebene zu blockieren.
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