Russische Sabotage? 02.09.2025, 16:00 Uhr

Störangriffe auf das GPS: So gefährlich ist das für Flugzeuge

Ursula von der Leyen musste es bei ihrem Flug nach Plowdiv live erleben – GPS-Störungen nehmen zu: Jamming und Spoofing machen Navigation unsicher. Wir schauen uns Technik, Risiken und Abwehr genauer an.

Ursula von der Leyen steigt aus dem Flugzeug

Bei einem Flug von Ursula von der Leyen (hier steigt sie 2022 aus einem Flugzeug) nach Plowdiw musste der Pilot mit Papierkarten landen. Das GPS-Signal war gestört worden.

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Franc Zhurda

Am 1. September um 16:17 Uhr schlugen die Piloten Alarm. Der Jet mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an Bord konnte in Bulgarien nicht wie geplant landen. Die Piloten verloren das Signal des satellitengestützten Navigationssystems GPS. Sie griffen zu Papierkarten, warteten fast eine Stunde in der Luft und setzten dann in Plowdiw auf. „Wir können bestätigen, dass es GPS-Jamming gab“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission.

Der Vorfall ging glimpflich aus. Aber er zeigt, wie verwundbar die Technik ist, die wir täglich für selbstverständlich halten. Und er macht sichtbar, wie einfach es sein kann, diese Technik auszuhebeln.

Grundsätzlich zu GPS

GPS – das Global Positioning System – ist eigentlich ein militärisches Projekt der USA. Mehr als 30 Satelliten umkreisen die Erde in 20.200 Kilometern Höhe. Sie senden kontinuierlich Signale, die ein Empfänger – ob Handy, Schiff oder Flugzeug – aufnimmt. Aus der Laufzeit der Signale lässt sich die Position auf wenige Meter genau berechnen.

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Das Problem: Diese Signale sind extrem schwach. Auf dem Weg von der Umlaufbahn zur Erde verlieren sie so viel Energie, dass sie hier nur mit winziger Feldstärke ankommen. Das reicht zwar für eine präzise Navigation, macht das System aber zugleich anfällig für Störungen.

Was passiert beim GPS-Jamming?

Beim sogenannten Jamming sendet ein Störsender ein starkes Funksignal auf der gleichen Frequenz wie das GPS-Signal. Für den Empfänger hört sich das an wie ein Konzert, bei dem plötzlich ein lautes Rauschen über die Musik gelegt wird. Das leise Signal der Satelliten geht darin unter. Das Ergebnis: Das Navigationsgerät ist „blind“.

Die Technik dafür ist simpel. Kleine Geräte, die ein lokales GPS-Signal blockieren, kosten im Internet nur wenige Hundert Euro. Autodiebe setzen sie ein, damit gestohlene Fahrzeuge nicht verfolgt werden können. Fischer nutzen sie, um unerlaubt in gesperrten Gewässern zu arbeiten. Und staatliche Akteure setzen leistungsstarke Systeme ein, die ganze Regionen lahmlegen.

GPS-Spoofing – die gefährlichere Variante

Noch raffinierter ist das Spoofing. Hier wird das GPS-Signal nicht nur überlagert, sondern nachgeahmt. Der Jammer schickt falsche Daten, die sich für den Empfänger echt anhören. Das Navigationsgerät glaubt, sich an einem ganz anderen Ort zu befinden.

Für die Betroffenen ist das tückisch: Anders als beim Jamming bemerken sie die Störung nicht sofort. Ein Flugzeug kann plötzlich eine Warnung erhalten, es sei dem Boden gefährlich nah – obwohl es hoch in der Luft ist. Ein Schiff kann auf Grund laufen, weil der Kapitän falsche Koordinaten angezeigt bekommt. Genau das passierte 2023, als die „MSC Antonia“ vor Saudi-Arabien von der Route abkam.

GPS-Sabotage im Überblick

Jamming:
– Das Satellitensignal wird durch ein stärkeres Funksignal überlagert.
– Der Empfänger „hört“ nichts mehr.
– Störung ist sofort erkennbar, Navigation fällt aus.

Spoofing:
– Gefälschte GPS-Signale werden gesendet.
– Empfänger zeigt falsche Position oder Geschwindigkeit an.
– Störung ist nicht sofort erkennbar, besonders riskant.

 

Einfache Technik, großer Effekt

Dass GPS so leicht zu stören ist, hat mit Physik zu tun. Die Satelliten senden mit sehr geringer Leistung. Schon ein Jammer mit wenigen Watt reicht aus, um die schwachen Signale zu verdrängen. „Ein Störsender von wenigen Watt unterdrückt im Empfangsbereich praktisch jedes Navigationssignal“, heißt es in technischen Analysen.

Noch einfacher wird es durch die fehlende Verschlüsselung. Viele zivile GPS-Signale sind unverschlüsselt, auch weil die US-Armee das System ursprünglich für den militärischen Einsatz reservierte. Selbst das amerikanische Militär greift oft auf unverschlüsselte Signale zurück – schlicht, weil die Handhabung einfacher ist.

Einschätzung eines Experten

Prof. Thomas Pany von der Universität der Bundeswehr München hat das europäische Navigationssystem Galileo mitentwickelt und erklärt wie eine solche GPS-Störung funktioniert:

„Grundsätzlich ist das GPS sehr störanfällig. Die Signale der Satelliten sind schwach, da sie  in 20.000 km Höhe kreisen. Dazu kommt, dass in der Luftfahrt bis heute aus Kostengründen nur der älteste Standard aus den 1970er Jahren genutzt wird. Dieser Standard hat keine Schutzmechanismen und kann so leicht nachgeahmt und überlagert werden. GPS-Störungen können in letzter Konsequenz zu einem Absturz eines Flugzeuges führen.“

Langfristig sei der Umstieg auf das europäische Satellitensystem Galileo entscheidend.

Alltag in Europa

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sind GPS-Störungen in Europa beinahe alltäglich. Besonders betroffen sind die Ostsee, der Finnische Meerbusen und die Schwarzmeerregion. Dort häufen sich Meldungen über Jamming und Spoofing. In Russland wurde über großen Städten wie Moskau übrigens GPS ausgeschaltet – das sorgt für Chaos bei Taxi-Fahrten.

„Die Vorfälle haben sich aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage extrem vermehrt“, schreibt eine Sprecherin der Pilotengewerkschaft Cockpit. Laut der internationalen Flugverkehrsvereinigung IATA ist die Zahl der Zwischenfälle zwischen 2021 und 2024 um 220 % gestiegen.

Für Pilotinnen und Piloten gehört es inzwischen zum Alltag, dass GPS ausfallen kann. Sie sind darauf geschult, auf andere Systeme umzuschalten. Aber gerade in stark frequentierten Lufträumen steigt damit das Risiko.

So funktioniert Navigation ohne GPS

Ein GPS-Ausfall ist noch kein Unglück. Flugzeuge verfügen über mehrere Navigationssysteme. Große Flughäfen sind meist mit Instrumentenlandesystemen (ILS) ausgestattet. Damit lässt sich auch ohne GPS sicher landen.

Doch nicht überall gibt es diese Technik. Kleinere Flughäfen setzen teils ausschließlich auf GPS-basierte Verfahren. In Estland etwa konnten Jets den Flughafen Tartu nicht mehr anfliegen, nachdem Störangriffe die Signale blockiert hatten.

Das Beispiel von der Leyens Flug zeigt: Wer auf analoge Karten zurückgreifen kann, landet trotzdem. Aber die zusätzliche Unsicherheit belastet Besatzung und Passagiere.

Krieg um Navigation – „Navigation Warfare“

GPS ist nicht nur ein zivil genutztes System, sondern auch ein Werkzeug im militärischen Wettbewerb. Fachleute sprechen von „Navigation Warfare“ – also von einer Kriegsführung über die Navigation. Das Ziel: dem Gegner den Zugang zu präzisen Positionsdaten verwehren.

Ein Szenario sieht vor, kleine Jammer über einem Krisengebiet abzuwerfen, um am Boden sämtliche GPS-Signale zu blockieren. Schon 2011 soll Iran eine US-Drohne durch Manipulation des GPS-Signals „entführt“ haben. Ob das tatsächlich so geschah, ist umstritten. Sicher ist: Die Technik ist längst Teil militärischer Strategien.

Abwehr – was hilft gegen GPS-Jammer?

Die Schwäche des Systems ist bekannt. Deshalb suchen Ingenieurinnen und Ingenieure weltweit nach Abwehrmöglichkeiten. Einige Ansätze:

  • Richtantennen: Sie filtern Signale aus bestimmten Richtungen heraus, etwa von oben – und blenden Störungen vom Boden aus.
  • Inertiale Navigation (INS): Hier berechnen Sensoren die Bewegung des Flugzeugs unabhängig von GPS. Das System driftet zwar mit der Zeit, liefert aber für Stunden brauchbare Daten.
  • Kombination mehrerer Systeme: GPS kann mit Galileo, dem europäischen Satellitennetz, oder Beidou aus China gekoppelt werden. Aber auch diese Systeme sind störanfällig.

Eine langfristige Lösung könnte eine stärkere Verschlüsselung sein. Doch die ist technisch aufwendig und bisher kaum verbreitet.

Unsichtbare Gefahr im Alltag

GPS-Störungen wirken abstrakt – bis sie konkret werden. Sie betreffen nicht nur Flugzeuge auf internationalen Routen, sondern auch Schiffe, Autos oder Handys. Schon kleine Jammer können Lieferketten durcheinanderbringen oder Rettungskräfte in die Irre führen.

Und das Problem wächst. Mehr autonome Fahrzeuge, mehr Drohnen, mehr Logistik auf Basis von GPS – all das erhöht die Abhängigkeit von der Technik. Jede Störung wirkt wie ein Stresstest für unsere digitale Welt.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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