Cambridge-Studie: So viel kosten Fake-Accounts im Netz
Die Vorstellung, dass anonyme Bots Diskussionen in sozialen Netzwerken lenken, wirkt wie ein Szenario aus dystopischen Romanen. Eine neue Studie der Universität Cambridge zeigt, wie einfach und günstig sich im Netz künstliche Aufmerksamkeit erzeugen lässt.
Wie günstig Fake-Accounts sind und wie sie Trends, Reichweiten und politische Debatten verzerren. Neue Cambridge-Daten zeigen Preise und Strukturen.
Foto: panthermedia.net/ RType
Inhaltsverzeichnis
Der Untergrundmarkt der Bots
Die Forschenden des Cambridge Social Decision-Making Lab, unterstützt von Trementum, beschreiben einen Graumarkt, der längst globalen Charakter angenommen hat. Dafür untersuchten Sie die aktuellen Preis- und Bestandsdaten für 197 Länder und über 500 Plattformen.
Anbieter wie SMSActivate, 5Sim, SMShub oder SMSPVA verkaufen physische und virtuelle SIM-Karten, die einzig dazu dienen, SMS-Verifikationen für Fake Accounts durchzuführen.
„Wir haben es mit einem florierenden Untergrundmarkt zu tun“, sagt Jon Roozenbeek, Co Leiter der Studie. Ein Markt, auf dem „unauthentische Inhalte, unechte Popularität und politische Einflusskampagnen leicht und offen zum Verkauf stehen“.
Plattformen wie WhatsApp, Telegram, Facebook oder Amazon verlangen zur Kontoerstellung eine SMS-Bestätigung, um sicherzustellen, dass hinter einem Account ein echter Mensch steht. SIM-Farms – das sind technische Geräte, die gleichzeitig viele SIM-Karten enthalten können – übernehmen diese Verifikationen für Bots im Akkord. So entstehen tausende Konten, die technisch kaum von realen Profilen zu unterscheiden sind.
Was ein Fake-Account kostet
Die Cambridge Analyse macht die Preise erstmals transparent. Besonders gut bezahlen lassen sich die SIM-Farms eine Verifizierung bei den Messenger-Diensten, also WhatsApp oder auch Telegram. Dort sind die Telefonnummern für andere Nutzer oft sichtbar. Dadurch werden die „glaubwürdigen“ Nummern teurer gehandelt.
Als Durchschnittswert über alle Plattformen und Länder hinweg können mit rund 50 Cent pro Verifizierung gerechnet werden. Für gerade einmal zehn Euro lassen sich rund 90.000 Fake Views , 10.000 Likes oder 200 Kommentare kaufen.
Kosten nach Plattform
Der Preis hängt sehr stark von der gewünschten Plattform ab. Dabei kann eine einzelne Verifizierung zwischen 0,08 bis über einem US-Dollar kosten.
| Plattform | Durchschnittspreis pro Verifizierung |
| 1,02 $ | |
| Telegram | 0,89 $ |
| Amazon | 0,12 $ |
| 0,11 $ | |
| TikTok | 0,11 $ |
| 0,10 $ | |
| 0,08 $ |
Kosten nach Herkunft
Die Studie zeigt, dass auch das Herkunftsland der SIM-Karte den Preis massiv beeinflusst. Die Live-Daten können auf der Website des Cambridge Social Decision-Making Lab eingesehen werden.
| Herkunftsland | Durchschnittspreis pro Verifizierung |
| Japan | 4,93 $ |
| Australien | 3,24 $ |
| Türkei | 2,54 $ |
| Deutschland | 0,63 $ |
| USA | 0,26 $ |
| Großbritannien | 0,10 $ |
| Russland | 0,08 $ |
Vor Wahlen steigen die Preise
Die Forschenden analysierten Daten aus 61 nationalen Wahlen. Das Ergebnis: In den 30 Tagen vor einem Urnengang steigen die Preise für WhatsApp Verifizierungen um etwa 15 Prozent, bei Telegram um 12 Prozent.
Eine Preisreaktion, die sehr klar darauf hindeutet, dass in der entscheidenden Phase von Wahlen die Nachfrage nach Fake-Accounts deutlich steigt.
Wofür Fake-Accounts eingesetzt werden
Künstlich erzeugte Popularität: Ob Influencer, Marken oder politische Akteure, viele nutzen Bots, um ihre Reichweite größer erscheinen zu lassen. Gekaufte Likes, Follower oder Shares sollen Erfolg simulieren. Die Zahlen sehen beeindruckend aus, aber oft stecken dahinter keine realen Menschen. Echte Interaktionen finden daher kaum statt.
Strategische Empörung: Besonders wirkungsvoll sind Kampagnen, die gezielt provozieren. Konten posten Inhalte, die wütend machen sollen. Das Ziel ist nicht Dialog, sondern maximale Reaktion. Je höher die Zahlen, desto stärker die Empörung, desto sichtbarer der Inhalt. Trends entstehen so nicht organisch, sondern durch kalkulierte Anstachelung und den Einkauf von Aufrufen oder Likes.
Gezielte Propaganda: Bots verbreiten auch politische Botschaften in großer Menge. Dadurch wirken bestimmte Sichtweisen so, als würden viele Menschen sie unterstützen. Das kann Debatten verschieben und politischen Akteuren Vorteile verschaffen.
Was kann gegen Bot-Armeen unternommen werden
Großbritannien hat den Betrieb von SIM-Farms ohne legitimen Grund seit April 2025 verboten. Eine ähnliche Debatte könnte auch in der EU an Fahrt gewinnen.
Die Forschenden selbst fordern, dass das Herkunftsland der verwendeten SIM-Karte sichtbar gemacht wird. Damit ließen sich Muster verdächtiger Kontoaktivität besser erkennen.
Auch die Plattformen können etwas dagegen tun: Mit besserer Mustererkennung bei der Verifizierung, Gesichts- oder Fingerabdruckerkennung wie beim Smartphone oder direkter Risikoprüfung könnten sie es Bots deutlich schwerer machen.
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