Datenschützer vs. Bahn: Streit um die DB Navigator App vor Gericht
Datenschützer klagen gegen die DB Navigator App: Es geht um unerlaubtes Tracking und die Weitergabe von Nutzerdaten.

Die DB Navigator App übermittelt unerlaubt Daten an Drittanbieter wie Google oder Adobe. Datenschützer klagen dagen.
Foto: PantherMedia / frbird
Der Prozess gegen die Deutsche Bahn wegen möglicher Datenschutzverstöße bei der DB Navigator App hat vor dem Landgericht Frankfurt begonnen. Der Verein Digitalcourage wirft der Bahn vor, über die App unerlaubt persönliche Daten an Drittanbieter wie Google oder Adobe weiterzugeben – selbst bei eingeschränkten Cookie-Einstellungen. Die Bahn hingegen verteidigt die Datennutzung als notwendig zur Sicherstellung der Funktionalität der App. Die Klage könnte Signalwirkung für digitale Dienste in der öffentlichen Grundversorgung haben.
Inhaltsverzeichnis
Prozessauftakt in Frankfurt
Am Landgericht Frankfurt steht seit Montag ein brisantes Thema zur Verhandlung: Der Verein Digitalcourage hat Klage gegen die Deutsche Bahn eingereicht – konkret wegen der App „DB Navigator“, die laut Datenschützerinnen und Datenschützern persönliche Daten der Nutzenden unzulässig erfassen und an Drittunternehmen übermitteln soll.
„Wer reisen will, wird zur App gezwungen – und wer die App nutzt, wird ausgespäht. Das ist Digitalzwang und Datenmissbrauch“, so padeluun, Vorsitzender des Vereins Digitalcourage und Kläger in dem Verfahren. padeluun, der öffentlich nur unter diesem Pseudonym auftritt, ist ein deutscher Künstler und Netzaktivist, der für digitale Bürgerrechte eintritt und Sachverständiger in der Internet-Enquete-Kommission des Bundestags war.
Gericht zweifelt an Cookies
Im ersten Zivilverfahren zur Datensicherheit der Bahn-App „DB Navigator“ hat das Landgericht Frankfurt rechtliche Bedenken hinsichtlich einzelner automatisch gesetzter Cookies geäußert. Eine abschließende Entscheidung steht jedoch noch aus. Stattdessen plant das Gericht, in einem weiteren Verhandlungstermin sowohl IT-Fachleute der Deutschen Bahn als auch eine unabhängige Sachverständige oder einen Sachverständigen anzuhören.
Für Nutzerinnen und Nutzer der App ändert sich vorerst nichts. Das Verfahren (Az.: 2-25 O 209/22) befindet sich noch in der ersten Instanz. Ein rechtskräftiges Urteil ist nicht in Sicht. Die zuständige Kammer geht zudem davon aus, dass im Anschluss Berufung vor dem Oberlandesgericht eingelegt wird – unabhängig davon, wie das Urteil ausfällt.
Die Vorwürfe: Mehr als nur technische Daten?
Die DB Navigator App ist für viele Reisende heute kaum noch wegzudenken. Sie zeigt Verspätungen an, ermöglicht Ticketkäufe und speichert BahnCards digital. Doch genau diese App steht nun im Zentrum einer juristischen Auseinandersetzung.
Laut Digitalcourage erhebt die App auch dann Daten, wenn Nutzerinnen und Nutzer sich bewusst gegen zusätzliche Cookies entscheiden. Trotz der Auswahloption „nur notwendige Cookies“ sollen dennoch Informationen wie Abfahrts- und Zielbahnhof, mitreisende Kinder oder Uhrzeit der Verbindung erfasst und weitergegeben werden.
„Die App hat eine ID und damit wird mein Gerät erkannt, wann immer ich zum Beispiel auch nur eine Bahnverbindungabfrage. Ich muss nicht mal eine Fahrkarte dafür kaufen“, erklärt Rena Tangens, politische Geschäftsführerin von Digitalcourage. Damit sei eine Identifikation einzelner Personen durch Verknüpfung verschiedener Datenquellen möglich – ein Risiko für den Schutz der Privatsphäre.
Wer bekommt Zugriff auf die Daten?
Die Kritik an der App stützt sich auf eine technische Analyse des IT-Sicherheitsforschers Mike Kuketz aus dem Jahr 2022. Er stellte fest, dass bis zu zehn Drittanbieter auf Daten zugreifen könnten – darunter große Namen wie Google, Adobe und Optimizely. Diese Dienste werden laut Bahn genutzt, um die Stabilität der App sicherzustellen und Abstürze zu vermeiden.
Ein Beispiel: Der Dienst Crashlytics, eine Google-Tochter, soll helfen, Fehlerquellen in der App zu identifizieren – etwa wenn ein digitales Ticket nicht korrekt angezeigt wird. Adobe Analytics wiederum dient laut Bahn der Auswertung von Zugriffszahlen in stark frequentierten Zeiten.
Die Position der Deutschen Bahn
Die Deutsche Bahn weist die Vorwürfe zurück. Man halte sich an alle gesetzlichen Regelungen und nutze die Daten ausschließlich zur Verbesserung des Angebots. „Wir arbeiten mit sorgfältig ausgewählten und vertraglich gebundenen Dienstleistern zusammen – stets im Einklang mit den geltenden Datenschutzgesetzen“, so ein Sprecher der Bahn.
Man benötige bestimmte Informationen, um die App technisch zuverlässig betreiben zu können. Von einem Missbrauch der Daten könne keine Rede sein. Zudem würden die Daten nicht für unerlaubte Werbung verwendet, sondern ausschließlich zur Optimierung der Dienste.
Ein Grundversorgungsproblem?
Für Digitalcourage ist das Problem grundsätzlicher Natur: Die Deutsche Bahn sei Teil der öffentlichen Grundversorgung – und setze Reisende damit faktisch unter Druck, die App zu nutzen. „Es gibt immer weniger Informationen über alternative Kanäle wie Durchsagen oder Anzeigetafeln“, kritisiert Tangens.
Das betreffe nicht nur Menschen ohne Smartphone oder mit wenig technischem Verständnis, sondern auch jene, die aus Überzeugung auf freie Betriebssysteme setzen oder keine Google- oder Apple-Dienste nutzen möchten.
Signalwirkung möglich
Der Fall könnte weit über die Deutsche Bahn hinaus Wirkung entfalten. Sollte das Gericht der Klage stattgeben, müsste die Bahn ihr App-Tracking in der heutigen Form einstellen. Außerdem könnte das Urteil ein Präzedenzfall für andere digitale Angebote im Bereich öffentlicher Dienstleistungen sein.
Ziel der Klage ist es, der Bahn die Nutzung von Tracking-Technologien ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen zu untersagen. Mit einem Urteil ist allerdings frühestens in den kommenden Monaten zu rechnen. Der Prozess wird zunächst in erster Instanz geführt.
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