Weltgrößter Speicher für industrielle Prozesswärme startet in Ungarn
Der weltgrößte Speicher für industrielle Prozesswärme steht in Ungarn. Das System auf Basis geschmolzenen Salzes spart 8000 t CO₂ jährlich.
Der neue „Heatcube“ der Kyoto Group in Ungarn speichert Wärme mit geschmolzenem Salz – 56 MWh thermische Energie für klimaneutrale Prozesswärme.
Foto: Kyoto Group
Am 9. Oktober 2025 hat die norwegische Kyoto Group ihren zweiten thermischen Großspeicher in Europa offiziell in Betrieb genommen. Eine der größten Herausforderungen der Energiewende ist, die Prozesswärme in der Industrie von fossilen Energieträgern auf klimaneutrale Systeme umzustellen. Einer der Schlüssel dazu sind sogenannte Molten-Salt-Systeme, riesige Wärmespeicher, die mit geschmolzenem Salz arbeiten. Sie sind vor allem aus dem Bereich thermischer solarer Großkraftwerke seit Jahrzehnten bekannt. Ihr industrieller Einsatz kommt aber erst langsam ins Rollen.
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Wie geschmolzenes Salz bei der Wärmewende in der Industrie hilft
Die neue Anlage der Kyoto Group steht in einer Maisverarbeitungsfabrik der ungarischen Kall Ingredients Ltd. in Tiszapüspöki, Ungarn. Kall stellt dort Stärke für Lebensmittel und Papier- und Industrieprodukte sowie Alkohol für die Pharma- und Lebensmittelindustrie, Süßungsmittel für die Lebensmittelindustrie und Zutaten für Tierfutter her – alles wäremintensive Prozesse. Die Anlage verfügt laut Mtteilung über eine thermische Speicherkapazität von 56 MWh. Damit avanciert das von der Kyoto Group Heatcube genannte Wärmespeichersystem zum derzeit wohl weltgrößten industriellen Wärmespeicher für Prozesswärme, der kommerziell in Betrieb ist. „Der 56-MWh-Heatcube wird jährlich mehr als 30 GWh saubere Prozesswärme liefern, Erdgas ersetzen und bis zu 8000 t CO₂-Emissionen pro Jahr einsparen“, so die Kyoto Group.
Das Prinzip der modular konstruierten Heatcubes: Strom aus erneuerbaren Energien erhitzt das Salz auf über 400 °C. Es sind so Wärmespeicher zwischen 39 MWh bis 104 MWh möglich, die eine Entladeleistung von bis zu 14 MW liefern. Gedacht sind die Systeme, um Hochtemperaturdampf für industrielle Produktionsprozesse wie bei Kall Ingredients zu erzeugen. „Der Heatcube von Kyoto bietet eine stabile und kostengünstige Versorgung mit sauberer Prozesswärme, wodurch wir unsere Energiekosten senken und uns vollständig auf erneuerbare Energien umstellen können“, so Maarten Welten, Geschäftsführer von Kall Ingredients. Die Kyoto Group liefert ihren Heatcube auch als ein Heat-as-a-Service-Modell, wie in Ungarn vereinbart. Der Vertrag läuft in diesem Fall über 15 Jahre.
Wie die riesigen Salzwärmespeicher funktionieren
Molten-Salt-Systeme nutzen oft eine Mischung aus Natrium- und Kaliumnitriten sowie Nitrat. Dieser Mix bleibt auch bei hohen Temperaturen flüssig und weist relativ hohe Wärmespeicherdichten auf. Andere thermische Großspeicher nutzen Wasser oder Phasenwechselmaterial (PCM) als Speichermeidum. Mit geschmolzenem Salz lassen sich vor allem höhere Betriebstemperaturen erreichen, was in industriellen Prozessen zu größerer Effizienz führen kann. Die Heatcubes können damit die Wärmelieferung für Prozesse wie Trocknung, Sterilisation oder Extraktion übernehmen.
Warum der Rekord für industrielle Wärmespeicher bald wieder Geschichte sein könnte
Die Kyoto Group ist aber nicht der einzige Anbieter derartiger Systeme. Der Rekord dürfte absehbar auch übertroffen werden, da die Umstellung industrieller Prosse von fossilen Wärmeerzeugern wie Gas auf thermische Großspeicher gerade erst begonnen hat. So beantragte Anfang des Jahres das Technologieunternehmen Hyme Energy und sein potenzieller Kunde Arla Foods EU-Fördermittel für ein 200-MW-Wärmespeichersystem, das ihrer Aussage nach dann das größte der Welt wäre. Arla Foods würde damit eine Milchpulverfabrik in Dänemark defossilisieren.
Überhaupt: Verglichen mit den Solten-Malt-Wärmespeichern, die für thermische solare Großkraftwerke seit Jahrzehnten genutzt werden, fällt das 56-MWH-System der Kyoto Group klein aus. In den sogenannten Kraftwerken auf Basis von Concentrated Solar Power (CSP) gibt es Wärmespeichersysteme im Gigawattmaßstab. Einer der CSP-Pioniere, die andalusischen Andasol-Kraftwerke, nutzt je 50 MW Kollektoren, die die Wärme in einem Acht-Stunden-Speicher puffern. Das entspricht grob 1000 MWh . Die Solana Generating Station in Arizona bietet eine Speicherkapazität von 4000 MWh und eine elektrische Entladeleistung von 280 MW über sechs Stunden.
Der neue Heatcube der Kyoto Group zeigt, dass die Wärmewende in Europa in der Industrie langsam ans Laufen kommt. Langfristig kann sich diese Form der Wärmespeicherung neben Stromspeichern (Batterien, Wasserstoff) etablieren. Vor allem: Sie puffern volatailen Ökostrom, und es lassen sich auch Netzdienstleistungen für die Stromnetze damit erbringen. Angesichts der Debatte um teure Kosten für die Stromnetzstabilisierung eine wichtige Eigenschaft.
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