Der Bauernhof als H2-Hub 20.10.2025, 12:01 Uhr

Wasserstoff aus Gülle: Deutsche Firma gewinnt europäischen Innovationspreis

Eine bayerische Firma erzeugt Wasserstoff aus Gülle – und gewinnt dafür jetzt den europäischen Innovationspreis. Ab 2027 könnte der grüne Kraftstoff an den ersten Tankstellen in Deutschland verfügbar sein.

BtX Energy bei der Preisverleihung in Brüssel. Foto: EBA / David Plas Photography

BtX Energy bei der Preisverleihung in Brüssel.

Foto: EBA / David Plas Photography

Wasserstoff aus Gülle: Bei der European Biomethane Week in Brüssel hat das potenziell disruptive Verfahren den Innovationspreis des Europäischen Biogasverbandes gewonnen. In der Preisverleihung konkurrierten fünf Finalisten aus europäischen Ländern, darunter die Technische Universität Athen und Unternehmen wie Emerson.

Die Technologie von BtX energy aus dem bayerischen Bindlach soll bestehende Biogasanlagen zu Wasserstoffproduzenten machen – und bietet den Betreibern damit die Chance auf eine neue Einnahmequelle.

Wie wird aus Gülle Wasserstoff?

„Die Technologie nutzt das altbekannte Verfahren der Dampfreformierung, jedoch sehr kleinskalig und modifiziert auf den direkten Einsatz von Biogas ohne vorherige CO-Abscheidung“, erklärt Geschäftsführer Dr.-Ing. Andy Gradel exklusiv gegenüber Ingenieur.de. Der entscheidende Vorteil: „Ohne den verlustreichen Umweg über den Strom kommen wir so auf einen Wirkungsgrad von 60 %.“

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Werde der Wasserstoff anschließend vertankt, entstehe eine effiziente und emissionsfreie Gesamtkette, betont Gradel. Die Wasserstoff-Erzeugung auf dem Hof soll zudem Transportwege reduzieren und regional verfügbare Ressourcen optimal nutzen. Als Rohstoffe kommen Reststoffe wie Gülle, Mist und Bioabfall in Frage.

Einfaches Prozessschema. Foto: BtX Energy

Einfaches Prozessschema.

Foto: BtX Energy

Eine durchschnittliche Biogasanlage (ca. 400 kW) kann durch die BtX-Technologie etwa 160 t grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren. Mit einem Wirkungsgrad von 60 % arbeiten die Anlagen dabei effizienter als bei der Stromerzeugung, wo sie nur 35 bis 42 % erzielen.

Das Verfahren entstand als Ausgründung eines Forschungsprojekts der Hochschule Hof und wurde auch in Kooperation mit der RWTH Aachen erprobt. Es basiert auf dem patentierten Flox-Brenner (flammenlose Verbrennung), für den die WS-Gruppe um Joachim Wünning 2011 den Deutschen Umweltpreis erhielt.

Nach über 20 Jahren Entwicklungsarbeit passt eine Anlage heute in zwei 40-Zoll-Container (VDI nachrichten berichteten in Ausgabe 20/2021). „Trotz der Miniaturisierung ist der Wirkungsgrad nicht schlechter als bei großen Anlagen“, betont die Unternehmensgruppe.

Was passiert mit dem CO₂?

Bei der Reformierung des Wasserstoff aus Biogas wird CO₂ freigesetzt. Was damit geschehe? „Das biogene Kreislauf-CO₂ kann durch Erweiterung der Anlage um eine entsprechende Infrastruktur abgeschieden und beispielsweise in der Lebensmittelindustrie genutzt werden“, erklärt Gradel.

Doch auch ohne CO₂-Abscheidung sei der Wasserstoff aufgrund seiner pflanzlichen Herkunft klimaneutral. Beim Einsatz von Gülle und Mist werde er sogar THG-negativ. Der Grund: Die Methanemissionen der Gülleausbringung werden vermieden.

Zweite Chance für Biogasanlagenbetreiber?

Deutschland verfügt laut dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) über rund 9.600 Biogasanlagen. Viele davon stehen vor dem Ende ihrer 20-jährigen EEG-Förderung. Statt nun stillgelegt zu werden, könnten sie mit der Technik aus Franken Wasserstoff erzeugen und so weiter wirtschaftlich sein. Doch ab wann rechnet sich die Umrüstung einer Anlage?

„Die Wirtschaftlichkeit ist stark abhängig vom eingesetzten Substrat und der erzielbaren THG-Quote für den Treibstoff“, erläutert Gradel. „Wir gehen langfristig von einer wirtschaftlichen Umrüstung ab 200 kg Wasserstoff pro Tag aus – das entspricht vorher 200 kW Stromproduktion. Im Moment sind vor allem 400-kg/d-Projekte interessant.“

Mit Investitionskosten von 1,5 bis 3 Mio. € je nach Anlagengröße liegt das System derzeit unter den Kosten einer vergleichbaren Elektrolyse. Die politische Unterstützung dafür wächst: Das am 1. Oktober verabschiedete Wasserstoffbeschleunigungsgesetz berücksichtigt erstmals Wasserstoff aus biogenen Reststoffen.

Pilotanlage in Krefeld. Foto: BtX Energy

Pilotanlage in Krefeld.

Foto: BtX Energy

Wie läuft die Markteinführung?

„Die Pilotanlage auf dem Lefkeshof in Krefeld, die das Zertifikat trägt, wird derzeit für die Abfüllung von Flaschenbündeln für den Markt der technischen Gase aufgerüstet“, berichtet Gradel. „Wir wollen jedoch nächstes Jahr mit der Installation der ersten kommerziellen Anlage beginnen, die sich gerade im Bau befindet.“

Die erste kommerzielle Anlage soll 2026 auf dem Rosenhof in Schleswig-Holstein den Betrieb aufnehmen. Sie könnte jährlich 120 t Wasserstoff produzieren – genug für etwa 15 Lkw im Regelbetrieb. Perspektivisch ließe sich die Kapazität verdoppeln, so Gradel.

Konkrete Pläne für die Vermarktung gibt es auch: „Wenn Regulatorik und Markt uns keine Rückschläge mehr erteilen, sollten wir 2027 in Schleswig-Holstein an der öffentlichen Tankstelle hochreinen Wasserstoff aus Gülle und Mist abfüllen können“, prognostiziert der Geschäftsführer. Die Hypion GmbH habe bereits Interesse signalisiert, den Wasserstoff an ihrer Tankstelle in Neumünster verfügbar zu machen. Seit 2024 besitzt BtX das erste deutsche Zertifikat für grünen Wasserstoff im Treibstoffsektor.

Parallel entwickeln die Franken weitere Verfahren zur Herstellung von grünem Methanol aus biogenen Reststoffen – die nächste Stufe der Biogas-Veredelung.

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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