Forum für Zukunftsenergien 08.10.2025, 21:30 Uhr

VDI: Wasserstoff braucht für erfolgreichen Hochlauf mehr als nur das Beschleunigungsgesetz

Aus Sicht von VDI-Direktor Adrian Willig kann das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz nur ein erster Aufschlag sein, um den Hochlauf des Wasserstoffs anzustoßen.

VDI-Direktor Adrian Willig bei seinem Vortrag zum Wasserstoffbeschleunigungsgesetz beim Arbeitskreis Zukunftsenergien, Berlin, 8. 10. 2025.
Foto: Stephan W. Eder

VDI-Direktor Adrian Willig bei seinem Vortrag zum Wasserstoffbeschleunigungsgesetz beim Arbeitskreis Zukunftsenergien, Berlin, 8. 10. 2025.

Foto: Stephan W. Eder

Beim Forum für Zukunftsenergien treffen sich in Berlin regelmäßig Branche, Politik, Interessenvertreter und die Presse, um durchaus kontrovers aktuelle Themen zu besprechen. Die Bundesregierung hatte am 1. Oktober ihr Wasserstoffbeschleunigungsgesetz (WassBG) vorgestellt und im Bundeskabinett beschlossen. Wasserstoff, das ist seit Jahren ein immer wieder kontroverses Thema.

Wasserstoffbeschleunigungsgesetz ein „Prunkstück“

Axel Bree, Leiter der Unterabteilung IIB im Bundeswirtschaftsministerium und schon unter der Ampelregierung damit vertraut, freute sich „ein Prunkstück“ vorstellen zu dürfen. Das WassBG sei ein „echter, richtiger Beschleunigungsturbo“ und beziehe breite Anwendungsbereiche mit ein. Es habe auch noch einmal Verbesserungen gegenüber der Vorlage der Ampelregierung gegeben.

Konkret habe man gleich fünf Turbos am Start, so der Ministeriumsvertreter:

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  1. Klare und kürzere Fristen für behördliche Entscheidungen, ohne, und das bestätigte er auf Nachfrage, dass automatisch ein Zuschlag erteilt werde, wenn die Behörden eine Frist nicht einhalten würden.
  2. Verfahrensvereinfachungen, zum Bespiel beim Umwidmen von Gas- in Wasserstoffspeicher. Hier gelte ein Anzeigeverfahren.
  3. Das Verfahren ist komplett digital. Bree: „Das ist das erste Mal bei einem Verwaltungsverfahren in Deutschland.“
  4. Für all diese vielen Anwendungen gelte, dass sie von „übergeordnetem öffentlichen Interesse seien“. Das, so Bree, sei vielleicht das Wichtigste am WassBG.
  5. Auch die Rechtswege wurden verkürzt.

Bree erkannte aber auch: „Das Problem ist einfach der Kostengap.“ Man wolle mit dem WassBG zumindest die (ja auch immer wieder gescholtenen) Bürokratiekosten senken, um einen Teil dazu beizutragen, diese Lücke zu schließen.

VDI-Direktor Willig: „Das ist jetzt noch nicht der Turbo“

VDI-Direktor Adrian Willig mag da in Berlin Brees Begeisterung nur bedingt teilen: „Es ist gut an dem Wasserstoffbeschleunigungsgesetz, dass es dem Wasserstoff einfach einen Vorrang einräumt und dass es insbesondere durch die Digitalisierung dazu beiträgt, dass Planungs- und Genehmigungsprozesse deutlich schneller werden als bislang. Aber es ist natürlich nicht ausreichend, um insgesamt den Wasserstoffhochlauf zu beschleunigen“, so Willig gegenüber VDI nachrichten.
Und zwar längst nicht ausreichend, wie Willig in seinem Vortrag deutlich machte: „Das ist jetzt noch nicht der Turbo“, trotz der Prozessbeschleunigung werde es „nicht reichen“. „Wir vermissen einen langfristigen Plan“, sagte er. Wasserstoff müsse dringend in die Anwendung kommen, damit es zu Innovationen komme. Willig ist überzeugt, dass Wasserstoff für Deutschland eine echte Chance sei – immer noch: „Wir haben in Deutschland das Know-how, weil wir die Ingenieurinnen und Ingenieure, die Innovationskraft und auch das industrielle Fundament haben, sodass wir beim Wasserstoff weltweit Maßstäbe setzen können.“

VDI-Wasserstoff-Ampel steht noch ziemlich auf Rot

Konkret hatte Willig eine Ampelbewertung mitgebracht. Aufbauend auf den Erkenntnissen des VDI-Zukunftsdialogs Wasserstoff und auf den daraus abgeleiteten fünf Prioritäten für den Markthochlauf, zeigt die Ampel viermal immer noch Rot. Nur bei „Stabile Rahmenbedingungen und effektive Förderbedingungen schaffen“ steht die Wasserstoff-Ampel jetzt auf Gelb. Weder habe sich etwas getan bei Maßnahmen, die das Erlös- und Mengenproblem adressieren, noch gibt es flankierende Maßnahmen für den Hochlauf. Langfristigkeit ist demnach auch nicht gewährleistet und schließlich sei auch der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nicht mit anderen strategischen Entscheidung zum Standort Deutschland synchronisiert.

„Der VDI-Zukunftsdialog Wasserstoff war sehr positiv. Bis dahingehend, dass Fachleute aus den Ministerien explizit sich mit uns umfassend über die Handlungsempfehlungen ausgetauscht haben“, betonte Willig. Er geht also davon aus, dass die Inhalte dieses industrieweiten Dialoges auch im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) präsent sind. Zu den Ergebnissen zählen 28 Einzelmaßnahmen in Form von Steckbriefen, von Steuervergünstigungen über gezielte Förderinstrumente wie Differenzkostenmodelle bis hin zu einer Weiterentwicklung der THG-Quote und Grüngasquote.

Die Bundesregierung gehe nicht davon aus, „dass wir das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz in Kraft setzen und ab dem 1. Januar dann die Wasserstoffpreise um 3 € purzeln. Das ist uns völlig klar“, erwiderte Bree auf die Kritik. Aber auf der anderen Seite seien das eben kleine Stellschrauben, „an denen wir drehen“. Sie adressierten den Faktor Zeit, und, so Bree: „Zeit ist Geld. Verfahrensverkürzungen sind wichtig. Also das sind nicht die 3 €, aber vielleicht sind es 0,30 €.“ Er stellte „noch andere Maßnahmen“ in Aussicht und verwies auch darauf, dass über wichtige Weichenstellungen auch „in Brüssel“ entschieden werde.

VDI-Wasserstoffexperte Sterner: Es kann sein, dass der Wasserstoffhochlauf sich um einige Jahre verschiebt

Wasserstoffexperte Michel Sterner, der auch Vorsitzender des VDI-Zukunftsdialogs Wasserstoff ist, mahnte, dass man dem Wasserstoffhochlauf „Luft lassen“ müsse. Später könne man „das alles anziehen, aber nicht jetzt“, sagte er mit Bezug auf die RFNBO-Kriterien. RFNBO steht für „Renewable Fuels of Non-Biological Origin” (erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs) und bezeichnet erneuerbare, nicht aus Biomasse stammende Kraftstoffe wie grünen Wasserstoff oder daraus abgeleitete E-Fuels. Mit ihnen will die EU sicherstellen, dass diese RFNBO – wie auch grüner Wasserstoff – auch wirklich zum Klimaschutz beitragen. Technisch sei das alles machbar. „Wir haben Lösungen auf dem Tisch, wir müssen sie umsetzen“, betonte der Ingenieur, der an der OTH Regensburg eine Professur für Energiespeicherung und Wasserstoff innehat.

Sterner outet sich als „kein so großer Fan vom blauen Wasserstoff“, schließlich seien auch die Ressourcen begrenzt. Doch eines der Ergebnisse des VDI-Wasserstoffdialogs war: Nutzt blauen Wasserstoff! Also, so Sterner, der auch Mitglied des Wasserstoffrates der Bundesregierung ist, gelte es politisch zu priorisieren. Denn CCS-Lagerstätten (Carbon Capture and Storage) seien ein „knappes volkswirtschaftliches Gut“. Wo es keine Alternativen gebe, gelte es, dem Industrie-CCS den Vorrang vor blauem Wasserstoff einzuräumen. Auch beim Bedarf für andere Lagerstätten gibt sich Sterner gelassen. Angesprochen auf Wasserstoffspeicher erklärte er: „Mein Favorit ist nach wie vor Power-to-Gas: Über die Methanisierung erschließen wir dem Wasserstoff die komplette Gasinfrastruktur und ersparen dem System Milliarden für neue Kavernen, Leitungen, Kraftwerke und andere Anwendungen.“

„Ohne PtX-Produkte wie Methanol, Ammoniak, Kerosin oder erneuerbares Gas wird es nicht gehen. Wasserstoff allein führt nicht zur Klimaneutralität“, so Sterner gegenüber VDI nachrichten. Wasserstoffderivate sind aus seiner Sicht keine Übergangslösung für den Markthochlauf, sondern  langfristige Säule einer deutschen Wasserstoffwirtschaft. Dass Shell in Amsterdam sein SAF-Projekt gecancelt hat und ArcelorMittal das Geld für Investitionen in grünen Stahl zurückgegeben hat, sei noch kein Zeichen, dass wir zu spät für einen Wasserstoffhochlauf seien. „Nein. Das heißt, die aktuelle und bisher größte Wasserstoffwelle ebbt ab. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten immer wieder gehabt. Das Thema verschiebt sich um ein paar Jahre, dann kommt es wieder – hoffentlich, um zu bleiben.“

Staatliche Märkte als Hilfe für die Wasserstofftransformation

Aus Sicht eines Wasserstoffanwenders enthält das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz laut Cara Bien, Referentin Public & Regulatory Affairs beim Stahlhersteller Salzgitter AG, „viele positive Elemente“. Sie machte jedoch klar, dass noch viel zu tun ist, damit der Hochlauf wirklich stattfindet und die Transformation ihres Unternehmens erfolgreich sein kann. Zudem komme das Gesetz für den niedersächsischen Stahlproduzenten als Early Adopter zu spät, da sich das Werk bereits mitten im Umbau befinde. Sie beleuchtete in Berlin, was nötig ist, damit das Megaprojekt gut ausgeht: „Wir sind in unserem Transformationsprogramm auf Wasserstoff angewiesen. Aber gleichzeitig treibt natürlich auch die Nachfrage der Stahlindustrie den Hochlauf voran. Und das sind wirklich signifikante Mengen“, betonte sie.

Hauptproblem: Selbst wenn alle Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf wunschgemäß erfüllt würden, müssen wir davon ausgehen, dass der grüne Stahl zumindest anfänglich weiterhin teurer sein wird als der fossile Stahl“. Es brauche dafür „Leitmärkte und regulatorische Anreizsysteme, um dieses grüne Produkt in den Markt zu bekommen“. Bien nennt staatliche Anreizsysteme und schlägt vor, dass der Staat in Vorbildfunktion eintreten könne. Unter anderem die Infrastrukturmittel für die Deutsche Bahn wurden beim Forum für Zukunftsenergien als Möglichkeit genannt, grünen Stahl in größeren Menge gesichert abzunehmen. „Auf der anderen Seite brauchen wir auch privatwirtschaftliche Anreize“, so Bien, „da unser Stahl natürlich vornehmlich in die Automobilindustrie geht. Und das ist eben ein privater Markt.“

Genug erneuerbarer Strom und Wasserstoff, beide zu wettbewerbsfähigen Preisen, sind der Schlüssel

Bien betonte, wie wichtig eine aktive Industriepolitik sei, um die Transformation zu gestalten. „Verfügbarer Wasserstoff ist eine wichtige Voraussetzung, aber eben auch nur eine Voraussetzung. Da muss ich noch mal das Wort zu wettbewerbsfähigen Preisen unterstreichen.“ Das sei das wesentliche Stichwort. Auf der Angebotsseite gehe es darum, alles zu tun, „damit die Gestehungskosten für Wasserstoff so niedrig sind wie eben möglich. Klar zählt da auch dazu eine pragmatische Anpassung der Grünstromkriterien“, sagte sie mit Blick auf die politische Debatte. Zudem würde dem Stahlhersteller helfen, wenn es eine frühzeitige und verlässliche Verlängerung der Strompreiskompensation gäbe

Zudem beleuchtete Bien, dass der europäische Emissionshandel dafür sorgt, dass Stahl auf Basis fossiler Energieträger (grauer Stahl) teurer werden wird. „Wir rechnen damit, dass spätestens mit Ende der freien Zuteilung (von Treibhausgasemissionszertifikaten, Anm. d. Red.) unser grünes Produkt wettbewerbsfähig sein wird mit dem fossilen“, sagte sie. Dieses System der CO2-Bepreisung funktioniere aber nur, wenn andere Länder mitzögen. „Das ist aktuell nicht nur der Fall“, sagte Wien, „deswegen benötigen wir auch Schutz vor unfairem Wettbewerb.“ Das bedeute einen effektiven Zugang, der vor Carbon Leakage schütze. Sie begrüßte in diesem Zusammenhang auch, dass die EU bei Zöllen auf Stahlimporte mit Blick auf Asien nachlegen wolle, um „uns vor billigen Stahlimporten aus Asien zu schützen“.

 

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder ist Technik- und Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Energie, Klima und Quantentechnologien. Grundlage hierfür ist sein Studium als Physiker und eine anschließende Fortbildung zum Umweltjournalisten.

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