Metallpulver als langfristiger Energiespeicher
Die TU Darmstadt bringt Metallpulver, insbesondere Eisen, als Speichermedium ins Spiel, um große Energiemengen langfristig zu speichern.

Foto: panthermedia.net/Robert Neumann
Um fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas durch erneuerbare Energien aus Sonne, Wind und Wasser zu ersetzen, sind leistungsfähige Energiespeichertechnologien zum Ausgleich von Schwankungen im Energiesystem erforderlich. Während sich kurzfristige Schwankungen (Stunden bis Tage) mit existierenden Technologien wie Pumpspeicherkraftwerken und Batteriespeichern überbrücken lassen, bleibt die Herausforderung saisonaler Schwankungen bislang ungelöst. Hierfür müssen große Energiemengen langfristig gespeichert und bedarfsgerecht bereitgestellt werden.
Das Forschungsfeld Energy and Environment (E+E) der TU Darmstadt hat ein neues E+E Insight Paper veröffentlicht, das sich diesem Thema widmet. Darin kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass reaktive Metallpulver, insbesondere Eisen, eine vielversprechende Lösung bieten: Eisen verfüge über eine hohe Energiedichte, könne CO2-frei verbrannt und in einem geschlossenen Kreislauf verlustfrei regeneriert werden. Es könne sicher gelagert, transportiert und in bestehende Infrastrukturen integriert werden. Als Ergänzung zu grünen Gasen wie Wasserstoff und Ammoniak biete es eine skalierbare Option für die saisonale Speicherung und Nutzung erneuerbarer Energien.
Das Problem der Energiewende: Langfristige und verlustfreie Speicherung von Energie
Die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen schwankt stark, und es besteht oft eine zeitliche und räumliche Diskrepanz zwischen Angebot (ländliche Regionen) und Nachfrage (Industrie- und Ballungsgebiete). Dies erfordere geeignete Ausgleichsmaßnahmen zur Gewährleistung der Netzstabilität und Versorgungssicherheit. Dafür werden leistungsfähige Energienetze und großskalige Energiespeicher mit regelbarer Ausspeicherleistung benötigt. Für kurzfristige Schwankungen (Stunden bis Tage) existieren bereits effiziente Speichertechnologien wie Pumpspeicher, Batterien und thermische Speicher. Diese ermöglichen beispielsweise die Übertragung von Sonnenenergie vom Tag in die Nacht.
Eine zentrale, bislang ungelöste Herausforderung der Energiewende besteht jedoch im Ausgleich langfristiger Schwankungen, etwa wenn Energieüberschüsse aus den sonnenreichen Sommermonaten für die Gebäudeheizung im Winter genutzt werden sollen. Bei den Bestrebungen zur Elektrifizierung ist zudem eine Differenzierung nach Sektoren notwendig: Im industriellen Bereich, insbesondere in der Stahl- und Zementherstellung sowie Teilen der chemischen Industrie, lässt sich die benötigte Prozesswärme häufig nicht durch Elektrifizierung bereitstellen. Dies zeigt, dass die Energiewende zugleich eine Wärmewende ist, die je nach Sektor unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringe und entsprechende Lösungsansätze erfordere.
Metallpulver als Energiespeicher: Chemische Energiespeicherung zum Ausgleich saisonaler Schwankungen
Chemische Energieträger eröffnen laut der Studie der TU Darmstadt einen vielversprechenden Lösungsweg für diese Herausforderungen: Durch ihre langfristige Lagerbarkeit und hohe Energiedichte eignen sie sich hervorragend zum Ausgleich saisonaler Schwankungen erneuerbarer Energien – besonders während kalter Dunkelflauten sowie zur Bereitstellung industrieller Prozesswärme. Als Träger grüner Energie ermöglichen sie außerdem einen globalen Energiehandel als Alternative zu fossilen Energieträgern. Dies sei laut Studie für den Standort Deutschland besonders von Bedeutung, da das Land auch zukünftig auf Energieimporte angewiesen sein wird.
Natürlich sei grüner Wasserstoff eine vielversprechende Option als chemischer Energieträger mit seinem Derivat Ammoniak. Diese grünen Gase gelten in Europa als Schlüsselmoleküle für die Energiewende. Die Speicherung von Wasserstoff ist technisch ausgereift, ein Pipelinenetz befindet sich im Aufbau und seine stoffliche sowie energetische Nutzung wird in vielen Industriebereichen vorbereitet. Allerdings berge der Umgang mit Wasserstoff nach Angaben der Forschenden der TU Darmstadt auch Herausforderungen: Bei seiner Verdichtung oder Verflüssigung gehe viel Energie verloren. Zudem sei die erforderliche Infrastruktur wie isolierte Drucktanks, Verdichter und Leitungen vergleichsweise kostspielig und technisch anspruchsvoll. Trotz Verdichtung und Verflüssigung ist die Energiedichte von Wasserstoff im Vergleich zu anderen Energieträgern gering, wodurch für eine saisonale Speicherung sehr große Volumen benötigt würden.
Auch andere Länder forschen an alternativen Energiespeichermöglichkeiten
Eisen und Aluminium besäßen eine enorm hohe Energiedichte, die um ein Vielfaches höher als die des Wasserstoffs ist. Dies ermögliche deutlich geringere Speichervolumen und vor allem eine Lagerung bei Umgebungstemperatur. Der Einsatz reaktiver Metalle als hochenergetischer Brennstoff ist grundsätzlich nicht neu: Eisen- und Aluminiumpartikel reagieren mit Luftsauerstoff und Wasser und finden bereits Verwendung als Treibstoff in Ariane-Boosterraketen sowie in alltäglichen Produkten wie Wunderkerzen und Feuerwerkskörpern.
Die Partikel bilden eine schützende Oxidschicht und werden zusätzlich in abgeschlossenen Behältern unter kontrollierter Atmosphäre sicher gelagert. Dafür stehen bewährte technische Lösungen zur Verfügung. Aufgrund ihrer günstigen Eigenschaften lassen sich Metallpulver mit vergleichsweise geringem technischen Aufwand transportieren und handhaben. Die bestehende Infrastruktur für Festbrennstoffe wie Kohle könne für den Metalltransport angepasst und weitergenutzt werden. Aufgrund der bisher geringen Preise für fossile Brennstoffe wurden Metalle für eine großskalige Energieversorgung nicht in Betracht gezogen – das könnte sich nun ändern. Entsprechende Projekte laufen bereits in Kanada, den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Schweden, China, Japan und in Deutschland.
CO2-neutrale Energiespeicher mit Metallpulver
Die Oxidation des Metallpulvers erfolgt entweder mit Luftsauerstoff (sog. Dry Cycle) oder Wasserdampf (sog. Wet Cycle). Die dabei freigesetzte Energie kann zur Stromerzeugung in einem Wasser-Dampf-Kreislauf oder zur Bereitstellung von Prozesswärme und Wasserstoff genutzt werden. Diese Energiebereitstellung geschieht sowohl in zentralen Kraftwerken als auch in dezentralen, kleineren Reaktoren, z. B. in Regionen ohne Anbindung an das entstehende Wasserstoffnetz. Die Produkte der Oxidation sind CO2-freie Metalloxidpulver und können durch strömungsmechanische Verfahren aus dem Abgasstrom abgetrennt und gesammelt werden. In der Folge kann das Metalloxidpulver rezykliert und regeneriert werden. Dies erfolgt in der chemischen Reduktion des Metalloxids, wobei erneuerbare Energie wieder im Metall eingespeichert wird.
Für diesen Schritt bestehen wesentliche Synergien mit der grünen Metallindustrie: Eisenoxide, welche vormals im Hochofenprozess mit Kohlekoks zu Stahl verarbeitet wurden, lassen sich thermochemisch mit Wasserstoff reduzieren, ohne direkte CO2-Emissionen. Für Aluminium existiert mit dem Hall-Héroult-Prozess ein elektrochemisches Reduktionsverfahren, das sich durch die Einführung von inerten Anoden nahezu vollständig dekarbonisieren lässt.
Doch um die Skalierung über 1 MWth hinaus voranzutreiben und die thermochemische Reduktion weiterzuentwickeln, sind gezielte Investitionen aus Wirtschaft und
Industrie sowie politische Impulse entscheidend – die wissenschaftlichen Grundlagen sind laut TU Darmstadt bereits gelegt.
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