Lithium made in Germany: Abbau startet mit Milliardenprojekt
Deutschland will unabhängiger von China werden. Jetzt fließen 2,2 Mrd. € in die erste heimische Lithiumproduktion – der Bau beginnt in Kürze.
Lithiumgewinnung aus Verdunstungsbecken in Südamerika. Das Vulcan-Verfahren im Oberrheingraben kommt ohne solche Eingriffe aus.
Foto: picture alliance/dpa | Marcelo Perez del Carpio
Wer durch die Weinberge der Südpfalz fährt, ahnt nicht, dass hier seit Jahren an einer kleinen Revolution gearbeitet wird. Hinter Schallschutzwänden und dichten Hecken fördert ein Thermalkraftwerk heißes Wasser aus über 3.000 m Tiefe. Darin befindet sich ein Rohstoff, ohne den Elektromobilität undenkbar ist: Lithium.
Nun nimmt das Vorhaben industrielle Ausmaße an. Das australische Unternehmen Vulcan Energy Resources hat die Finanzierung für sein „Lionheart“-Projekt im Oberrheingraben abgeschlossen. Insgesamt 2,2 Mrd. € fließen jetzt in die laut Unternehmen erste Lithium-Wertschöpfungskette Europas, die vollständig in einem Land stattfindet.
Die Finanzierung ist gesichert, der Bau der Anlagen soll in den kommenden Tagen beginnen. Was steckt hinter dem Projekt?
Inhaltsverzeichnis
- Zwei Standorte, 30 Jahre Laufzeit
- Automobilindustrie sichert sich Abnahmemengen
- Wie funktioniert die Lithiumgewinnung aus Thermalwasser?
- Wieso das Verfahren umweltfreundlicher sein soll
- Von der Pilotanlage zum Milliardenprojekt
- Finanzierung auf breiter Basis
- Warum Deutschland eigenes Lithium braucht
Zwei Standorte, 30 Jahre Laufzeit
Das Lionheart-Projekt umfasst zwei zentrale Anlagen: In Landau entsteht eine kombinierte Geothermie- und Lithiumextraktionsanlage (G-LEP), die sowohl den Rohstoff als auch erneuerbare Energie gewinnt. In Frankfurt-Höchst wird eine „zentrale Lithiumanlage“ (CLP) die Weiterverarbeitung übernehmen. Weitere Tiefenbohrungen in der Region Landau sowie Pipelines und eine Umspannstation sollen die Infrastruktur ergänzen.
Die geplante Kapazität: jährlich bis zu 24.000 t Lithiumhydroxidmonohydrat. Das reicht für rund 500.000 Elektrofahrzeuge. Zusätzlich soll das Projekt 560 GWh Wärme und 275 GWh Strom pro Jahr für die Region liefern. Die Laufzeit ist auf 30 Jahre angelegt.
Automobilindustrie sichert sich Abnahmemengen
Die Industrie hat früh Interesse signalisiert. Bereits 2022 stieg der Automobilkonzern Stellantis als einer der größten Anteilseigner ein. Laut einem Artikel der VDI nachrichten sicherte sich der Konzern vertraglich zwischen 81.000 und 99.000 t LiOH über zehn Jahre. Auch LG Energy Solution, Umicore, Renault und Volkswagen haben Abnahmeverträge unterzeichnet.
Wie funktioniert die Lithiumgewinnung aus Thermalwasser?
Das Prinzip nutzt die geologischen Besonderheiten des Oberrheingrabens: In den Tiefengesteinen lagert lithiumhaltiges Thermalwasser, das mit etwa 165 °C an die Oberfläche gepumpt wird.
In einem ersten Schritt entzieht ein Wärmeübertrager dem Wasser Energie, die mittels ORC-Prozess (Organic Rankine Cycle) zur Stromerzeugung genutzt wird. Anschließend durchläuft das Wasser eine sogenannte Direct Lithium Extraction (DLE). Dabei bindet ein spezielles Sorbens aus Lithiumchloridaluminat – Vulcan nennt es Vulsorb – die Lithium-Ionen aus der Sole. Ist der Filter gesättigt, werden die Ionen mit Wasser ausgespült. Das Sorbens kann dann wiederverwendet werden. Weitere chemische Substanzen kommen laut Unternehmen nicht zum Einsatz.
Das so gewonnene Lithiumchlorid wird zur Weiterverarbeitung in den Industriepark Frankfurt-Höchst transportiert. Dort entsteht mittels Elektrolyse batteriefähiges Lithiumhydroxid (LiOH).

In Ländern wie Chile geht der Lithiumabbau mit einem hohen Ressourcenverbrauch einher.
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Wieso das Verfahren umweltfreundlicher sein soll
Ein Vorteil gegenüber herkömmlichen Methoden liegt in der Umweltbilanz. Wie VDI nachrichten bereits im Februar 2023 darstellte, erfordert die Lithiumgewinnung aus Hartgestein (etwa in Australien) einen großflächigen Tagebau sowie den Einsatz fossiler Brennstoffe und Säuren. Nach Berechnungen des Analyseunternehmens Minviro fallen dabei rund 15.000 kg CO₂ pro Tonne LiOH an. Hinzu kommen hoher Wasser- und Flächenverbrauch.
Noch problematischer ist die Gewinnung aus Verdunstungsbecken in Chile: An den trockensten Orten der Welt werden riesige Wassermengen entnommen und verdampft. Das hat erhebliche Auswirkungen auf lokale Ökosysteme und die Wasserversorgung der Bevölkerung.
Förderung ohne Emissionen
Das Vulcan-Verfahren setzt dagegen auf geschlossene Kreisläufe ohne Abfälle und Emissionen. Nach Unternehmensangaben liegt der CO₂-Ausstoß bei null, der Wasserverbrauch bei 80 m³ und der Flächenverbrauch bei 6 m² pro Tonne.
„Die Extraktion von Lithium aus Wasser, das man sowieso für Strom und Wärme nutzt, ermöglicht zudem eine deutlich verbesserte Wirtschaftlichkeit“, erklärte Volker Presser, Professor für Energie-Materialien am INM – Leibniz-Institut für neue Materialien, 2023 in den VDI nachrichten. Der Gesamt-CO₂-Fußabdruck von Batterien und E-Autos ließe sich dadurch senken.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) befürwortet den Aufbau lokaler Lithiumproduktion. Michael Ullrich vom BUND-Landesverband Rheinland-Pfalz forderte allerdings Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers, zum Beispiel eine sichere Abdichtung der Bohrungen.
Von der Pilotanlage zum Milliardenprojekt
Die Entwicklung im Oberrheingraben hat eine längere Vorgeschichte. VDI nachrichten schilderte sie 2023: Im Mai 2018 kontaktierte der australische Geologe Francis Wedin den deutschen Geothermie-Experten Horst Kreuter. Wedin hatte in einer Studie zwei Regionen mit vielversprechenden Lithiumvorkommen in Thermalwasser identifiziert: Salton Sea in Kalifornien und den Oberrheingraben zwischen Frankfurt am Main und Basel. Drei Monate später gründeten die beiden Vulcan Energy Resources Ltd. mit Sitz in Perth.
Im November 2023 weihte das Unternehmen eine Demonstrationsanlage in Landau ein. Kostenpunkt: rund 40 Mio. €. „Wir rechnen in Projektphase eins mit 24.000 t jährlich, das reicht für 500.000 Autobatterien pro Jahr“, erklärte Vulcan-Gründer Kreuter damals. Die Schätzungen für das Investitionsvolumen der ersten Phase lagen damals noch bei etwa 1,4 Mrd. €.
Mit dem nun abgeschlossenen Finanzierungspaket von 2,2 Mrd. € kann Vulcan den nächsten Schritt gehen: den Übergang von der Entwicklung zur kommerziellen Produktion.
Finanzierung auf breiter Basis
Mehrere Geldgeber haben das Finanzierungspaket gemeinsam geschnürt: Der deutsche Rohstofffonds beteiligt sich mit 150 Mio. €, die Bundesregierung steuert Fördermittel in Höhe von 204 Mio. € für Geothermie und kommerzielle Lithiumanlagen bei. 1,185 Mrd. € trägt ein Konsortium aus 13 Parteien, darunter die Europäische Investitionsbank mit 250 Mio. € sowie Finanzinstitute aus Kanada, Dänemark, Frankreich und Italien.
Industriepartner wie Hochtief, Siemens Financial Services und Demeter bringen zusätzliche 133 Mio. € ein. Vulcan selbst investiert 528 Mio. € Eigenkapital. „Dieser Schritt ermöglicht es uns endgültig, von der Phase der Entwicklung in die Projektumsetzung überzugehen“, kommentiert CEO Cris Moreno den Abschluss. „Als Leuchtturmprojekt für Europa wird Lionheart die Zukunft der Lithiumproduktion prägen.“
Wirtschaftsministerin Reiche betonte in einer Pressemitteilung die politische Dimension: „Mit dem ersten Projekt aus dem deutschen Rohstofffonds setzen Deutschland und Australien ein starkes Signal für eine resilientere und strategischere Rohstoffversorgung“, so die Politikerin. Australien bringe Ressourcen und Technologiekompetenz ein, Deutschland seine industrielle Innovationskraft.
Warum Deutschland eigenes Lithium braucht
Deutschland ist beim Lithium derzeit vollständig von Importen abhängig. Sie kommen größtenteils aus Chile, Australien und China. Die ostasiatische Großmacht kontrolliert nicht nur große Abbaugebiete, sondern auch die Weiterverarbeitung. Laut der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) hält China in jedem Bereich der Lithium-Wertschöpfungskette mindestens 50 % Marktanteil.
Der Bedarf wächst rasant: Im ersten Halbjahr 2025 wurden in Deutschland 864.000 Elektroautos produziert – ein neuer Rekord. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet für das Gesamtjahr mit 1,7 Mio. E-Fahrzeugen. Bei einem Bedarf von ca. 5 kg Lithium pro Fahrzeug benötigen deutsche Autobauer schon heute rund 8.500 t pro Jahr, Tendenz steigend.
Experten erwarten, dass ab Anfang der 2030er Jahre die globale Nachfrage das Angebot übersteigen wird. Von daher dürfte sich die Lithium-Exploration in Deutschland zunehmend lohnen, wie sie derzeit etwa auch in Thüringen oder Sachsen stattfindet.
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