Fast 100 % Effizienz 30.10.2025, 16:10 Uhr

Erstmals in Deutschland: Hannover startet Altholz-Kraftwerk mit Wärmepumpe

In Hannover geht eine der modernsten Fernwärmeanlagen Deutschlands ans Netz. Das Biomasse-Heizkraftwerk Stöcken nutzt Altholz und eine Großwärmepumpe, um nahezu 100 % Brennstoff in Wärme umzuwandeln – und ersetzt damit einen Kohleblock.

Das Biomasse.HKW in Stöcken soll einen Steinkohleblock ersetzen. Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Das Biomasse.HKW in Stöcken soll einen Steinkohleblock ersetzen.

Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Die Wärmewende ist oft abstrakt. In Hannover wird sie gerade sehr konkret: Das neue Biomasse-Heizkraftwerk Stöcken hat in dieser Woche erstmals grüne Wärme ins städtische Fernwärmenetz eingespeist. Die Anlage ersetzt Block I des Kohlekraftwerks Stöcken und spart nach Angaben von Betreiber Enercity rund 300.000 t CO₂ pro Jahr ein.

Das Besondere: Das Kraftwerk ist laut Enercity die erste Altholzverbrennungsanlage Deutschlands, die mit einer Großwärmepumpe an der Rauchgaskondensation arbeitet. Diese Kombination ermöglicht eine Brennstoffnutzung von nahezu 100 % – konventionelle Anlagen schaffen maximal 90 %.

Wie funktioniert die Technik?

Das Herzstück der Anlage bildet ein Rostkessel, der nicht mehr recycelbares Altholz in mehreren Stufen trocknet, entzündet und vollständig verbrennt. So weit, so bekannt. Der entscheidende Unterschied liegt im nächsten Schritt: Eine integrierte Großwärmepumpe nutzt die Abwärme aus dem Rauchgas, hebt deren Temperatur auf Fernwärmeniveau und speist sie ins Netz ein.

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Was sonst ungenutzt durch den Schornstein entweichen würde, wird so zu nutzbarer Energie. Laut Enercity garantiert die mehrstufige Rauchgasreinigung dabei, dass Abgasgrenzwerte deutlich unterschritten werden.

Die Anlage soll bis zu 500.000 MWh Wärme pro Jahr liefern – genug für einen erheblichen Teil der Hannoverschen Haushalte sowie den benachbarten Standort von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN). Der kann mit der Fernwärme seine CO₂-Emissionen um mehr als 40 % gegenüber 2024 reduzieren, heißt es in einer Pressemitteilung. Damit komme das Unternehmen seinem Ziel der bilanziell klimaneutralen Produktion bis 2040 einen Schritt näher, erklärt Steffen Reiche, Mitglied des VWN-Markenvorstands für Produktion und Logistik.

Kreislaufwirtschaft ersetzt fossile Importe

Der Brennstoff für das Kraftwerk stammt aus einem Radius von rund 150 km. Genutzt werde ausschließlich nicht recycelbares Altholz. Alte Möbel, Bauholz, Paletten – Material, das sonst in der Müllverbrennungsanlage landen würde, erzeugt nun Fernwärme für Hannover.

„Das zeigt, wie regionale Ressourcen, moderne Technik und Klimaschutz zusammenwirken“, so Christian Meyer, Niedersachsens Umwelt- und Energieminister. Mit der Inbetriebnahme steige der Anteil klimaneutraler Fernwärme in Hannover auf bis zu 50 %. Die Stadt will sich damit unabhängiger von fossilen Energieimporten machen – und die Preise stabilisieren.

Mit 195 Mio. € ist das Kraftwerk nicht gerade billig. Doch die Investition könnte sich auszahlen, sowohl ökologisch als auch strategisch.

Kein Erdgas als Brückentechnologie

Bemerkenswert ist, was Hannover nicht tut. Während viele Kommunen beim Kohleausstieg zunächst auf Gaskraftwerke umsteigen, geht die niedersächsische Landeshauptstadt direkt zu erneuerbaren Lösungen über. Das Biomasse-Heizkraftwerk ist Teil eines Investitionsprogramms von 1,5 Mrd. € bis 2040.

Insgesamt plant die für die Wärme der Stadt zuständige Enercity 14 klimaneutrale Erzeugungsanlagen, darunter weitere Großwärmepumpen sowie Geothermie- und Biomethanprojekte. Parallel erweitert der Versorger das Fernwärmenetz von derzeit 360 km auf etwa 550 km. Die Anzahl der versorgten Gebäude soll damit um das Fünffache steigen: Von rund 3600 auf 18.000.

„Wir investieren in Hannovers Zukunft. Wir sichern Arbeitsplätze, stärken die regionale Wirtschaft und zeigen, dass nachhaltige Wärmeversorgung heute schon machbar ist“, so Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay.

Fernwärme als Modell für andere Städte?

Die Kombination aus Altholzverbrennung und Großwärmepumpe könnte auch für andere Städte interessant sein. Voraussetzung: ausreichend Altholz in der Region und ein Fernwärmenetz, das die Wärme aufnehmen und weitertransportieren kann. Wo diese Bedingungen gegeben sind, könnte Hannover als Blaupause dienen.

Das Biomasse-Heizkraftwerk Stöcken zeigt: Die Wärmewende nimmt konkrete Formen an. Ob sie langfristig wirtschaftlich ist, wird sich bald herausstellen.

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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