CCS-Gipfel in Hamburg 10.11.2025, 11:30 Uhr

Carbon Capture: Gestern illegal, morgen unverzichtbar?

CO₂ abscheiden und speichern? In Deutschland war das lange illegal, weltweit laufen über 270 Projekte. Doch am 6. November hat der Bundestag das neue CO₂-Speichergesetz beschlossen – und damit den Weg für Investitionen in Milliardenhöhe geebnet.

Die Nothern Lights CCS-Anlage in Norwegen. Foto: picture alliance / empics | Leon Neal

Die Nothern Lights CCS-Anlage in Norwegen.

Foto: picture alliance / empics | Leon Neal

Update, 10. November 2025: Der Bundestag hat am 6. November das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) verabschiedet. CCS ist damit in Deutschland nicht mehr illegal. Das Gesetz benötigt noch die Zustimmung des Bundesrats, die am 21. November erwartet wird.

Auf der Carbon Capture Technology World Expo (CCTE) in Hamburg diskutierten Besucherinnen und Besucher vom 21. bis 23. Oktober eine Technologie, die in Deutschland noch weitgehend illegal war. Carbon Management, also die Kombination aus CO₂-Abscheidung, -Transport, Speicherung (CCS) und -Nutzung (CCU), befand sich in einer rechtlichen Grauzone: Es gab es, alle redeten darüber – aber eigentlich war es verboten.

Keine drei Wochen nach der Messe hat sich das geändert: Am 6. November hat der Bundestag das KSpG verabschiedet. Welche Folgen das haben wird, ließ sich in Hamburg erahnen.

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Zwischen Illegalität und Industrierealität

„Die letzte Regierung hat es geschafft, Cannabis zu legalisieren, aber nicht CCS. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen,“ erklärt Timm Kehler, Chef des Verbands DIE GAS- UND WASSERSTOFFWIRTSCHAFT, auf der CCTE in Hamburg. In vielen europäischen Ländern – allen voran Dänemark und Norwegen – wird CO₂ schon längst abgeschieden und eingespeichert. Doch in Deutschland fehlte der rechtliche Rahmen. Die Bundesrepublik sei „locker fünf Jahre hinten dran“, so Kehler.

Mit der Verabschiedung des CO₂-Speichergesetzes am 6. November ist „dieser Makel der Illegalität erstmal weg“, wie Kehler es formuliert hatte. Viele Unternehmen dürfte das freuen – entweder weil sie selbst an der Technologie interessiert sind, oder weil sie diese anbieten. Doch warum ist das Thema überhaupt so wichtig?

Drei Antworten auf die Emissionsfrage

Am Anfang steht eine Zahl: 62,6 Mrd. € haben deutsche Unternehmen nach Angaben des Umweltbundesamtes seit 2021 für CO₂-Zertifikate gezahlt. Dabei bekommen energieintensive Industrien einen großen Teil ihrer Zertifikate kostenlos – 2024 waren es 43,5 %. Das soll sich bald ändern: Ab 2026 werden kostenlose Zertifikate für Zement, Stahl, Chemie und Co. schrittweise reduziert, 2030 soll es sie gar nicht mehr geben.

Die Folge: Unternehmen werden deutlich mehr für ihre Emissionen zahlen müssen als bisher. Dagegen regt sich Widerstand aus der Industrie – so forderte Evonik-Chef Christian Kullmann kürzlich in der Süddeutschen Zeitung, den Zertifikathandel ganz abzuschaffen.

Das ist eine Antwort auf die Emissionsfrage. Eine andere wäre der Umstieg auf emissionsfreie Prozesse, um gar nicht erst Zertifikate kaufen zu müssen. Doch das ist nicht in allen Branchen möglich: Zahlreiche Studien zeigen, dass bis 2045 immer noch 48 bis 76 Mio. t CO₂ unvermeidbare Restemissionen in Deutschland anfallen werden – etwa in der Müllverbrennung oder der Zementproduktion.

Für diese Unternehmen wird ein dritter Weg immer attraktiver: die Abscheidung ihres CO₂ mit anschließender Speicherung oder Nutzung. Wie das technisch funktioniert, war in Hamburg zu sehen.

Auf der Carbon Capture Technology World Expo in Hamburg präsentierten Unternehmen Lösungen für CO₂-Abscheidung, Transport und Speicherung – Technologien, die in Deutschland noch weitgehend in einer rechtlichen Grauzone operieren. Foto: Trans-Global Events

Auf der Carbon Capture Technology World Expo in Hamburg präsentierten Unternehmen Lösungen für CO₂-Abscheidung, Transport und Speicherung – Technologien, die in Deutschland noch weitgehend in einer rechtlichen Grauzone operieren.

Foto: Trans-Global Events

Wie abscheiden? PSC vs. DAC

Aktuell dominieren zwei Verfahren den Markt: Point Source Capture (PSC) und Direct Air Capture (DAC). In den deutschen Debatten liegt der Fokus auf PSC, wobei DAC langfristig interessante Business Cases bieten könnte.

Was ist PSC?

Beim Point Source Capture wird das CO₂ abgefangen, bevor es in die Atmosphäre entweichen kann. „Wir greifen es uns im Grunde aus dem Volumenstrom am Kamin“, erklärt die Projektmanagerin eines großen deutschen Maschinenbauers. Dafür wird das Rauchgas vor dem Austritt aus dem Schornstein abgezweigt und zur Capture-Anlage weitergeleitet.

Hier findet der eigentliche Abscheideprozess statt. Er beginnt mit einer Vorreinigung: Schwefeloxide, Stickoxide und Partikel müssen entfernt werden. Für die anschließende CO₂-Abscheidung gibt es verschiedene Technologien. Die Expertin setzt auf Aminwäsche, eines der etabliertesten Verfahren am Markt. Dabei wird das CO₂ in einem energieintensiven Prozess chemisch gebunden und für den Weitertransport komprimiert, verflüssigt und abgefüllt.

Wie teuer eine Tonne abgeschiedenes CO₂ ist? Das lasse sich nicht allgemein beantworten, so die Expertin – die Kosten hängen von zahlreichen Faktoren ab: der CO₂-Konzentration, der Art der Verunreinigungen und dem Transportweg. Eine Analyse der US-amerikanischen Carbon Capture Coalition aus dem Mai 2025 kommt zu dem Ergebnis, dass PSC je nach Verfahren und Use Case zwischen 105 und 175 US-Dollar pro Tonne kostet – im Durchschnitt etwa 130 Dollar (ca. 120 €).

Fans with filters of Swiss company Climeworks seen during a visit to Orca belonging to Swiss company Climeworks, the world's first large-scale carbon dioxide capture plant, which extracts carbon dioxide directly from the air and deposits it underground, near Hellisheidi Power Plant, near Reykjavik, Iceland, on Tuesday, May 16, 2023. (KEYSTONE/Anthony Anex)

DAC-Anlage „Orca“ des Schweizer Unternehmens Climeworks auf Island.

Foto: picture alliance/KEYSTONE/Anthony Anex

Und was ist DAC?

DAC-Anlagen filtern CO₂ direkt aus der Umgebungsluft – unabhängig von Punktquellen wie Industrieanlagen. Damit ist die Technologie deutlich energieintensiver als PSC: Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist mit durchschnittlich 0,04 % winzig im Vergleich zur Konzentration in Industrieabgasen (10-30 %). „Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt DAC-Forscher Hammad Khalid vom Freiburger Fraunhofer ISE.

Aktuell kostet DAC 400-1.000 € pro Tonne. Aber: Zahlreiche Start-ups und Unternehmen wie Climeworks arbeiten daran, die Kosten zu senken. Für Deutschland spielt DAC vorerst eine untergeordnete Rolle. Bei PSC könnte es bald anders sein.

Wann lohnt es sich?

Die Rechnung ist einfach: CO₂-Zertifikate kosten laut einer Reuters-Analyse pro Tonne etwa 73 € – also mindestens 50 € weniger als die Abscheidung. Doch die Differenz schrumpft: Die Reuters-Analysten erwarten für 2027 Preise um 109 € pro Tonne. Sobald die Zertifikatpreise die 120-€-Marke überschreiten, wird CCS wirtschaftlich attraktiver sein als der Kauf von Emissionsrechten.

Aber das ist erstmal Zukunftsmusik: „Im großen industriellen Maßstab haben wir noch keine Referenzanlage“, räumt die Expertin des deutschen Anlagenbauers ein. Erste Pilotanlagen betreibe man insbesondere mit Entsorgern, „Waste-to-Energy“ lautet das Zauberwort. Nichtsdestotrotz habe die Nachfrage in den letzten 2-3 Jahren spürbar angezogen, und vor allem seien die Anfragen spezifischer geworden. „Anfangs ging es nur allgemein darum, ob es geht. Heute kommen Kunden schon mit ganz klaren Fragen und Details auf uns zu.“

Allerdings bremse ein Problem die Projektentwicklung: mangelnde Regulierung. „Unsere Kunden sollen Angaben liefern, die seitens der Behörden noch gar nicht klar geregelt sind“, erklärt die Fachfrau. Das konkrete Problem: Für den Abgasstrom, der nach der CO₂-Entfernung zurück in den Schornstein geht, gibt es noch keine Emissionsgrenzwerte. Die Folge: Unternehmen stellen Genehmigungsanträge für PSC-Anlagen, warten monatelang – und wissen nicht, welche Auflagen sie erfüllen müssen.

Dabei gibt es aus Unternehmenssicht ein weiteres gutes Argument für CO₂-Abscheidung: Einmal abgeschieden und aufgereinigt, wird CO₂ zu einem vielseitigen Rohstoff.

CCU: CO2 nutzen…

Das traditionelle Anwendungsspektrum von hochreinem CO₂ reicht von der Lebensmittelindustrie – schließlich muss jede Cola- oder Bierflasche mit Kohlensäure angereichert werden – über die Chemiebranche bis zur Landwirtschaft. Allein in den Niederlanden werden jährlich 3 Mio. t CO₂ für die Pflanzenproduktion genutzt, erklärt Björn Utgård vom niederländischen DAC-Unternehmen Skytree. „Wenn Sie das nächste Mal mittags Ihren Salat essen, fragen Sie sich: Woher kam das CO₂, das dieser Pflanze beim Wachsen geholfen hat?“

Bisher wird dieses CO₂ meist über hunderte Kilometer per LKW angeliefert. Doch wenn Carbon Capture sich ausbreitet, können immer mehr CO₂-Nutzer das Gas aus ihrer direkten Umgebung beziehen. Das spart Emissionen – macht das CO₂ aber noch nicht klimaneutral. Das ist nur der Fall, wenn das Gas aus der Atmosphäre stammt (DAC) und nicht aus fossilen Punktquellen (PSC).

„Viele denken, man könne einfach fossiles CO₂ abfangen, nutzen und dann verschwindet es irgendwie magisch“, warnt Utgård. „Aber das stimmt nicht. Wenn Sie CO₂ aus fossilen Quellen nutzen, haben Sie ein fossiles Produkt. Das löst vielleicht wirtschaftliche Probleme, aber keine Klimaprobleme.“

Hamburg als Treffpunkt der Carbon Capture-Branche: Wenige Wochen vor dem Beschluss des KpSG demonstrierten internationale Aussteller, dass die Technologie längst marktreif ist. Foto: Trans-Global Events

Hamburg als Treffpunkt der Carbon Capture-Branche: Wenige Wochen vor dem Beschluss des KpSG demonstrierten internationale Aussteller, dass die Technologie längst marktreif ist.

Foto: Trans-Global Events

E-Fuels und SAF

Besonders relevant wird das bei einem der vielversprechendsten Anwendungsfelder für CO₂: synthetischen Treibstoffen, den sogenannten E-Fuels. Ob für Auto, LKW, Schiff oder Flugzeug – der Treibstoff besteht nur aus erneuerbarem Wasserstoff und CO₂. Als Faustregel gilt dabei: Je schwieriger eine Elektrifizierung wäre, desto wirtschaftlicher ist der Betrieb per E-Fuel – besonders lohnen sich die synthetischen Kraftstoffe also in der Luftfahrt (und heißen dann Sustainable Aviation Fuels, SAF).

Aus diesem Grund beschäftigt sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) intensiv mit dem Thema. „Prinzipiell gibt es zwei große Herstellungspfade für E-Fuels“, erklärt Dr. Christoph Arndt, stellvertretender Leiter der E-Fuels-Fabrik in Leuna: Entweder via Fischer-Tropsch-Synthese oder methanolbasiert. „Rund 50 % der eingesetzten elektrischen Energie ist dann im fertigen Kraftstoff gespeichert.“

Bei der Herstellung entstehe zunächst kein reines Kerosin oder Diesel, sondern „eine Art synthetisches Rohöl“, das anschließend zu den gewünschten Kraftstoffen aufbereitet wird. „Bei beiden Verfahren erreichen wir ungefähr 80 % SAF-Ausbeute, 20 % sind Nebenprodukte.“

Demo-Anlage in Leuna

In der altehrwürdigen Chemie-Stadt Leuna baut das DLR derzeit eine Pilotanlage für die E-Fuel-Produktion. „Wir sind sehr optimistisch, dass wir voll im Zeitplan sind, um dann Ende 2027 in Betrieb zu gehen“, sagt Arndt. „Die ersten Fundamente werden gerade gegossen.“ Die Anlage bezieht CO₂ aus einer biogenen Quelle in Standortnähe und grünen Wasserstoff aus einem Elektrolyseur. Ein zentrales Forschungsziel: „Wir wollen zeigen, dass sich so eine Anlage an schwankende erneuerbare Energien anpassen kann.“

„Momentan lassen die Regelungen auf EU-Ebene unterschiedliche CO₂-Quellen zu: Neben biogenem CO₂ dürfen zum Beispiel auch industrielle Abgase aus der Zementherstellung verwendet werden“, erklärt Projektmanager Arndt. Die Regelung zu industriellen Quellen läuft nach aktuellem Stand aber 2041 aus. „Langfristig kann man dann entweder biogenes CO₂, also zum Beispiel aus der Biogas- oder Bioethanolherstellung verwenden, oder direkt DAC-CO₂. Das ist aktuell allerdings noch relativ teuer und energieintensiv.“

Die gute Nachricht: Im Prinzip kann man damit heute schon loslegen. Das beweist ein deutsches Start-up: Seit Juni dieses Jahres produziert Ineratec in Frankfurt-Höchst E-Fuels – mit einer Kapazität von 2.500 t im Jahr handelt es sich laut dem Unternehmen um die größte kommerzielle E-Fuel-Anlage Deutschlands.

Doch auch hier stockt der Hochlauf: „Ein Grund, warum es aktuell Zurückhaltung gibt, Anlagen zu bauen und in diese Technologien zu investieren ist, dass die Investoren nicht wissen, zu welchem Preis sie strombasierte Kraftstoffe langfristig verkaufen können“, erläutert der Experte. Hierfür diskutieren E-Fuel-Befürworter Instrument wie einen Doppelauktionsmechanismus, der die Differenz zwischen Marktpreis und Produktionskosten durch staatliche Gelder decken soll.

Rendering der geplanten „Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe (TPP)“ in Leuna. Foto: DLR

Rendering der geplanten „Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe (TPP)“ in Leuna.

Foto: DLR

…oder doch einspeichern? (CCS)

Neben der Nutzung gibt es eine weitere Option: die permanente Speicherung in Baustoffen – oder unter der Erde. Das Prinzip ist simpel: Das verflüssigte CO₂ wird über Pipelines oder per Schiff zu Speicherstätten transportiert und dort in mehreren Tausend Metern Tiefe in poröse Gesteinsschichten verpresst. Eine darüber liegende, undurchlässige Gesteinsschicht versiegelt das klimaschädliche Gas dauerhaft. Einspeicherung ist grundsätzlich offshore oder onshore möglich, aber viele Länder schränken die Onshore-Speicherung stark ein. Großskalige wird daher eher offshore gespeichert, vor allem in der Nordsee.

Das bekannteste Beispiel ist das Northern Lights-Projekt in Norwegen – ein Joint Venture von Equinor, Shell und TotalEnergies. Die Anlage nimmt seit 2024 CO₂ aus ganz Europa auf und speichert es unter dem norwegischen Kontinentalschelf. Das Projekt gilt als Blaupause für künftige CCS-Infrastrukturen – und verfügt schon heute über mehrere Langzeit-Verträge mit europäischen Industrieunternehmen.

Aber auch onshore gibt es Projekte: Auf der CCTE stellten Air Liquide und Aalborg Portland ihr ACCSION-Vorhaben vor (Aalborg CCS Using Infrastructure Onshore in North Jutland). Ab 2030 sollen jährlich 1,4 Mio. t CO₂ aus einem dänischen Zementwerk unter Nordjütland verpresst werden – etwa zwei Kilometer tief in Sandsteinformationen. Die Anlage nutzt statt Aminen Air Liquides neuartige, kryogene „Crycoap“-Technologie, die als Nebenprodukt 80 MW Abwärme für das Fernwärmenetz der Stadt bereitstellen kann.

Kritik und Bedenken

Doch CCS ist umstritten. Umweltverbände kritisieren, dass es die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verlängere, statt konsequent auf erneuerbare Energien zu setzen. Auch die Kosten sind erheblich: Speicherung kostet derzeit zwischen 50 und 100 € pro Tonne CO₂ – und damit teilweise mehr als der aktuelle CO₂-Zertifikatpreis von rund 73 €.

Ein weiteres Argument der Kritiker: Sicherheitsrisiken. Was passiert, wenn gespeichertes CO₂ durch Leckagen wieder austritt? Können Verpressungen Erdbeben auslösen? Die Befürworter verweisen auf jahrzehntelange Erfahrung mit ähnlichen Technologien in der Öl- und Gasindustrie und strenge Monitoring-Vorgaben. Dennoch bleibt die gesellschaftliche Akzeptanz eine große Hürde für den Ausbau von CCS in Deutschland.

Wie geht es weiter?

Die Bundesrepublik befand sich CO₂-technisch im Hintertreffen: Während laut dem Global CCS Institute weltweit über 270 CCS-Projekte mit 77,5 Mrd. US-Dollar Investitionen angekündigt sind, fehlte in Deutschland lange die rechtliche Grundlage. Mit dem neuen Gesetz ändert sich das nun.

Denn die Infrastruktur ist entscheidend: Der Essener Fernleitungsnetzbetreiber OGE plant bereits ein CO₂-Startnetz mit 964 km Länge und einer Kapazität von 18,8 Mio. t pro Jahr. Es würde Zement- und Kalkwerke mit Chemieanlagen verbinden und Häfen wie Wilhelmshaven für den Export zu Offshore-Speichern anbinden. Doch ohne Rechtsrahmen bleibt das Projekt in der Schublade.

Timm Kehler von Zukunft Gas brachte es in Hamburg auf den Punkt: „Wir haben dieses notwendige Übel, das aber gleichzeitig eine riesige Business Opportunity ist. Und diese zu nutzen, sollte man sich trauen.“

Bundestag verabschiedet KSpG

Die Bundesregierung hat sich offenbar getraut: Am 6. November passierte das neue CO₂-Speichergesetz den Bundestag. Eine Bestätigung durch den Bundesrat steht noch auf, doch für die deutsche Carbon Management-Branche zeichnet sich nun der lang ersehnte Schritt aus der Grauzone in die Legalität ab.

Das Gesetz, das die Bundesregierung am 6. August auf den Weg gebracht hatte, sieht die CO₂-Speicherung vor allem unter dem Meeresboden vor – allerdings nicht in Schutzgebieten und Küstennähe. Für die Speicherung an Land gilt eine Opt-in-Regelung: Bundesländer müssen die Onshore-Speicherung auf ihrem Territorium explizit erlauben. Der Bundestag verschärfte gegenüber dem ursprünglichen Entwurf noch den Schutz von Meeresschutzgebieten und Trinkwasservorkommen und schrieb eine frühzeitige Öffentlichkeitsinformation vor.

Erleichterung in der Branche, Kritik von Umweltverbänden

Die Industrie reagierte erleichtert. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), sprach von einem „Startschuss für bedeutende Klimaschutztechnologien“. Er forderte allerdings, das CO₂-Pipelinenetz müsse nun „in Turbogeschwindigkeit“ und öffentlich gefördert gebaut werden: „Anlaufschwierigkeiten können wir uns nicht mehr leisten.“

Der Bundesverband Carbon Management (BCM) rechnet allein für die CO₂-Abscheidung bis 2035 mit Investitionen von 20 bis 30 Mrd. € in Deutschland, hinzu kämen 15 bis 20 Mrd. € für Pipeline-Infrastruktur – ein „Konjunkturprogramm“ für den Industriestandort, wie das Handelsblatt schreibt.

Kritik kommt von Umweltverbänden: Greenpeace warnte vor einer „milliardenschweren Risikotechnologie“. Energieexpertin Sophia van Vügt erklärte, CCS nehme sich „nicht der Ursachen des Problems an, nur seiner Auswirkungen“.

Zustimmung durch den Bundesrat steht aus

Am 21. November entscheidet der Bundesrat – eine Zustimmung gilt als sehr wahrscheinlich. Doch die eigentliche Arbeit beginnt damit erst: CO₂-Pipelines und Speicherstätten müssen geplant, genehmigt und gebaut werden. Der Aufbau der notwendigen Infrastruktur dauert laut Bundesregierung sieben bis zehn Jahre.

Ob Deutschland die von Timm Kehler diagnostizierten ‚fünf Jahre Rückstand‘ aufholen kann, hängt nun von der Geschwindigkeit ab, mit der Pipelines und Speicher entstehen. Die rechtliche Grundlage ist geschaffen – aber bis die ersten Bagger rollen, könnten wieder Jahre vergehen.

 

Mit Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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