Bayern: So funktioniert die erste vertikale Floating-PV der Welt
In Bayern ist die erste senkrechte Floating-PV der Welt gestartet. Wir zeigen, wie sie funktioniert – und welches Potenzial die Technologie hat.
Geschäftsführer Dr. Philipp Sinn mit Ministerpräsident Marcus Söder und anderen Gästen auf einem Boot vor der Floating PV-Anlage nahe München.
Foto: SINN Power GmbH
Schwimmende Photovoltaikanlagen („Floating PV“) haben ein Problem: Sie bedecken viel Wasserfläche und liefern – wie klassische Dachanlagen – ihre Spitzenleistung zur Mittagszeit. Das Problem: Genau dann ist der Strom an der Börse am wenigsten wert.
Eine neue Technologie dreht das Konzept buchstäblich um 90 Grad: Im bayerischen Kieswerk Jais bei Starnberg ging unlängst die erste vertikal schwimmende PV-Anlage der Welt in Betrieb. Die Anlage von Sinn Power aus Gauting produziert vor allem morgens und abends Strom – also dann, wenn konventionelle PV-Anlagen schwächeln.
Inhaltsverzeichnis
Wie funktioniert vertikale Floating-PV?
Die sogenannte SKipp-Technologie basiert auf senkrecht montierten Solarmodulen, die in Ost-West-Ausrichtung auf dem Wasser installiert werden.
Anders als herkömmliche Floating-PV-Systeme, die wie Flöße flach auf der Wasseroberfläche liegen, stehen die Module vertikal und fangen Sonnenlicht aus zwei Richtungen ein. Die Ostseite produziert dadurch morgens, die Westseite abends Strom.
Zwischen den Modulreihen verlaufen mindestens 4 m breite Freiwasserkorridore. Eine kielartige Unterstruktur fixiert die Module über ein Seilsystem im Seegrund. Sie reicht bis zu 1,6 m ins Wasser. Bei Winddruck und wechselnden Wasserständen kann sich die Konstruktion kontrolliert bewegen. Das minimiert mechanische Belastungen und erhöht so die Lebensdauer der Anlage.
Welche Leistung erzielt sie?
Die Anlage auf dem Gilchinger See (knapp 30 km westlich von München) verfügt über 2600 PV-Module. Zusammen erzielen sie eine Leistung von 1,87 MW. Die erwartete Jahresproduktion liegt bei rund 2 GWh – genug, um den Strombedarf von rund 500 Haushalten im Jahr zu decken.
Schon in den ersten Betriebswochen konnte die Netznutzung des angeschlossenen Kieswerks nach Angaben von Sinn Power um knapp 60 % reduziert werden. Besonders interessant: Noch ist die PV-Anlage mit keinem Stromspeicher verbunden. Über das Jahr erwartet der Hersteller eine Reduktion von bis zu 70 %. Das wäre eine deutliche Entlastung des lokalen Stromnetzes: Das Kieswerk benötigt bis zu 3 GWh Strom pro Jahr.
Bemerkenswert ist auch die Leistungsdichte: Die Anlage bedeckt nur 4,65 % der Seefläche. Damit bleibt sie klar unter der im Wasserhaushaltsgesetz festgelegten Obergrenze von 15 %. Diese geringe Flächenversiegelung ermöglicht deutlich höhere Leistungswerte pro beanspruchter Wasserfläche als klassische Floating-PV-Systeme.

2600 PV-Module stehen senkrecht auf einem Baggersee nahe München. Ihre Ausrichtung könnte die Solarbranche revolutionieren.
Foto: SINN Power GmbH
Welche Vorteile hat das System?
Konventionelle Floating PV liefert ihre Maximalleistung zur Mittagszeit, wenn das Stromangebot hoch und die Einspeisevergütung niedrig ist. Durch die vertikale Ausrichtung wird jedoch „PV-Strom produziert, wenn herkömmliche Kraftwerke keinen produzieren“, wie Sinn Power-Geschäftsführer Dr. Philipp Sinn bei der Einweihung betonte. Dadurch verschieben sich die Produktionsspitzen in die Morgen- und Abendstunden, wo die Nachfrage steigt und der Strom einen höheren Preis erzielt.
Auch ökologisch bietet die vertikale Ausrichtung Vorteile: Die geringere Wasserbedeckung ermöglicht einen Sauerstoffaustausch und Lichteinfall an der Oberfläche. Damit beeinträchtige sie „weder Flora, Fauna noch das aquatische Habitat“, heißt es bei Sinn Power. Die Konstruktion fördere zudem die natürliche Umwälzung der Wasserschichten.Erste Beobachtungen sollen sogar zeigen, dass die Anlage neuen Lebensraum schafft. Auf den Schwimmkörpern des Seilsystems habe man Wasservögel gesichtet, im Bereich der Rückstellgewichte sammelten sich Fischschwärme. Des Weiteren verweist das bayrische Unternehmen auf Messbojen, die bereits vor Baubeginn installiert wurden: Diese zeigten eine tendenzielle Verbesserung der Wasserqualität seit Inbetriebnahme.
Welches Potenzial hat die SKipp-Technologie?
Die patentierte SKipp-Technologie ist für alle ganzjährig wasserführenden künstlichen Gewässer ab 1,6 m Tiefe konzipiert – insbesondere Kiesgruben und Baggerseen. Und das Potenzial ist groß: Allein in Deutschland gibt es laut Handelsblatt eine vierstellige Zahl von Kieswerken. Und durch die vertikale Anordnung lässt sich die 15-%-Flächenregel des Wasserhaushaltsgesetzes deutlich unterschreiten, wodurch auch kleinere Gewässer wirtschaftlich nutzbar werden.
Als Zielgruppen nennt Sinn Power vor allem Unternehmen mit hohem Strombedarf oder geplanter Elektrifizierungsstrategie. Der Hersteller entwickelte das System auch für maritimen Einsatz und sieht Potenzial für Offshore-Anwendungen unter wellenbelasteten Bedingungen.
Der Zeitpunkt könnte günstig sein: Die weltweit installierte Leistung von Floating-PV stieg laut einem im Juli veröffentlichten Leitfaden des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zuletzt von 10 MW im Jahr 2014 auf 7,7 GW im Jahr 2023. „Die Floating PV-Technologie verfügt über ein signifikantes Potenzial zur Förderung nachhaltiger Energieerzeugung,“, so das Institut.
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