Akzeptanz der Energiewende: Das energiewirtschaftliche Viereck
Die Energiewende war lange eine Sache von Unternehmen, inzwischen rückt sie näher an die Kunden. Das spürt auch der Mannheimer Versorger MVV Energie.
Transport eines Windradflügels: Die Energiewende war lange eine Sache von Unternehmen, inzwischen rückt sie näher an die Kunden. Das spürt auch der Mannheimer Versorger MVV Energy, der heute in Frankfurt seine Jahresbilanz vorstellte.
Foto: MVV-Pressebild
Die Zahlen des Mannheimer Energiekonzerns MVV Energie für das Geschäftsjahr 2024/25 (Ende zum 30. September 2025) sind mit einem Adjusted Ebit von 360 Mio. € „solide“, wie es der seit April amtierenden neue CEO Gabriël Clemens nannte. Mit Blick auf die „Ausnahmejahre“ 2023 und 2024 – hier schlugen Sondereffekte zu Buche –, ist das Ergebnis für 2025 immerhin das dritthöchste in den letzten zehn Jahren.
Der bereinigte Umsatz liege bei 6,1 Mrd. € (Vorjahr: 7,2 Mrd. €), eine Normalisierung; so dass Clemens resümierte: „2025 war für MVV ein Jahr mit einem guten Ergebnis“. Rund eine halbe Milliarde Euro investierte das Unternehmen: vor allem in Wind- und Solarparks, in die Verteilnetze und den Bereich „grüne Wärme“. Und, so Clemens, im laufenden Geschäftsjahr wolle man das Investitionsvolumen „nochmals deutlich erhöhen“. Genauere Zahlen wollte er auf Nachfrage nicht nennen.
Inhaltsverzeichnis
- Was die sinkende Akzeptanz der Energiewende für MVV bedeutet
- Warum die Akzeptanz der Energiewende gerade sehr von Sicherheit und Bezahlbarkeit abhängt
- Warum die Verteilnetze beim Wasserstoffwirtschaft so kritisch sind
- MVV-Chef fordert mehr politischen Rückenwind für CCS
- Warum MVV auch in Großbritannien CCS noch nicht einsetzt
- Warum Rechenzentren für den Energieversorger MVV ein gutes neues Geschäftsfeld ist
Was die sinkende Akzeptanz der Energiewende für MVV bedeutet
Clemens steht mit seinem Unternehmen dennoch vor einer Reihe tiefgreifender Herausforderungen, die mit den politischen Rahmenbedingungen und dem generellen Stand der Energiewende in Deutschland zu tun haben. Unter seinem langjährig amtierenden Vorgänger Georg Müller hatte MVV Energie sich konsequent ein ehrgeiziges Transformationsprogramm im Rahmen der Energiewende verordnet. Bis 2025 will der Konzern „klimapositiv sein“.
Doch Clemens konstatierte: „Wie schnell wir vorankommen, hängt eben nicht allein von uns ab“. Damit meinte er nicht nur die politischen Rahmenbedingungen, die die Bundesregierung setzt. Als großen Knackpunkt sieht der Ingenieur, der an der RWTH Aachen studiert hat, die Akzeptanz der Energiewende. So würden zwar laut dem aktuellen Energiewende-Barometer der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 83 % der Privathaushalte die Energiewende für wichtig halten.
Gleichzeitig aber machten sich viele Menschen Sorgen, die Energiewende könnte sie persönlich und unsere Gesellschaft überfordern. Clemens zitierte eine Umfrage der Berliner Marktforschungsorganisation Civey, wonach 61 % der Deutschen glaubten, die Energiewende schade dem Industriestandort Deutschland – und bei den unter 29-jährigen seien es sogar 70 %. In einer aktuelle Umfrage im Auftrag der Stadtwerke Lübeck Gruppe und von Civey zeigen sich die Deutschen in Sachen Energiewende gespalten. 36,2 % der Befragten fordert mehr staatliche Investitionen in Klimaneutralität, 35,1 % wünscht weniger Mittel.
Warum die Akzeptanz der Energiewende gerade sehr von Sicherheit und Bezahlbarkeit abhängt
„Gegen die Akzeptanz von Kunden oder einer Gesellschaft hat noch keiner ein Geschäft machen können“, sagte Clemens auf der Jahrespressekonferenz am 11. Dezember in Frankfurt am Main. Das sei aber nichts Besonderes für die Energieversorgung. Der Kunde müsse es verstehen, es müsse „sicher“ und „wirtschaftlich vertretbar“ sein. „Wir kommen jetzt aber an den Punkt, wo es nicht mehr nur ein Unternehmen ist, das ein Braunkohlekraftwerk oder Steinkohlekraftwerk stilllegt, sondern wo die Kunden aktiv selbst entscheiden müssen.“ Und das in einer Zeit, die Clemens als „fordernd“ für alle beschrieb.
Ganz wichtig: Die Kunden müssten das Angebot, was ein Unternehmen wie die MVV Energie ihnen macht, erst einmal verstehen. MVV als Unternehmen müsse viel kommunizieren – nicht wie bisher vor allem gegenüber Geschäftskunden, sondern gegenüber den einzelnen Bürgern. Als Beispiel nannte er das Geothermieprojekt Geohardt, das die Mannheimer zusammen mit EnBW im November bekanntgaben: Drei Heizwerke sollen die tiefe Geothermie im Oberrheingraben erschließen, mindestens 160.000 Haushalte sollen so grüne Wärme erhalten. Laut Clemens fange die Kommunikation mit einem transparenten Prozess an, vom Flyer bis hin zum Infostand auf dem Gemüsemarkt, „damit die Kunden auch wirklich einen Ansprechpartner haben. Wir müssen wirklich zu den Kunden hin.“
Das zweite große Thema bei der Akzeptanz sei Verlässlichkeit. Es sei wichtig, dass die Menschen „nicht in das Risiko laufen“ erkennen zu müssen, dass sie vor ein paar Jahren die falsche Entscheidung getroffen haben: „Dann verlieren wir irgendwann das Vertrauen, das Grundvertrauen in eine Gesamtgesellschaft. Und ich glaube, das wäre das Schlimmste, was wir machen können.“ Clemens glaubt, dass daher das klassische Energiewirtschaftliche Dreieck von Bezahlbarkeit, Klimaschutz und Versorgungssicherheit um die Akzeptanz erweitert werden müsse.
Warum die Verteilnetze beim Wasserstoffwirtschaft so kritisch sind
Gabriël Clemens war vor seiner Berufung zum CEO von MVV Energie bei Eon Chef der Wasserstoffsparte. Jetzt muss er sich als CEO von MVV Energie darum kümmern, wie hoch der Bedarf von Unternehmenskunden im eigenen Netzgebiet an Wasserstoff ist. Die Erhebungen liefen. Aber das ist eigentlich der zweite Schritt vor dem ersten: Das Wasserstoffkernnetz ist zwar beschlossen, aber es brauche Akteure, so Clemens, „jemanden der am Anfang etwas reinsteckt und jemand, der am Ende etwas rausnimmt und das zu vertretbaren Preisen“. Derzeit sei Wasserstoff „einfach eine deutlich teurere Alternative als die anderen.“ Und das zu einem Zeitpunkt, in dem es die deutsche Industrie sowieso schwer hat mit den Energiepreisen. Dennoch treibt ihn die Frage nach dem Verteilnetz um: Wie sieht die Finanzierung in den Verteilnetze aus? Nur wenige Großkunden, wie eine BASF, hingen direkt am Kernnetz.
Was er als „wirklich gut“ bei den Vorstellungen der Bundesregierung beurteilt, ist das „etwas Weniger von der reinen Farbenlehre“ vorhanden sei, so dass blauer Wasserstoff ermöglicht wird. „Wir müssen uns erst mal sorgen, dass die Infrastruktur genutzt wird, damit sie auch weiter ausgebaut wird. Dann kann man in einem zweiten Schritt auf Grün gehen.“ Wir würden schon sehr viel CO2 einsparen, wenn Prozesse von fossilem Gas auf blauen Wasserstoff umgestellt würden.
MVV-Chef fordert mehr politischen Rückenwind für CCS
Schließlich forderte Clemens in Frankfurt „politische Unterstützung für Negativemissionen“, also das Abscheiden und Speichern von CO2 (CCS). Die MVV hält die CO2-Speicherung für absolut notwendig, um Klimaneutralität zu erreichen: „Das eine ist, wir brauchen Speichermöglichkeiten“. Das andere seien die Transportmöglichkeiten. Neben der erlaubten Offshorespeicherung gebe es zwar theoretisch die Möglichkeit, auch Lagerstätten an Land zu nutzen, aber nur über eine Regelung durch einzelne Bundesländer. Clemens ist da eher skeptisch: „Ich bin mal gespannt, welches Land da als erstes hier ruft. Im Moment habe ich noch keins gehört“.
Generell sei in Deutschland in dieser Hinsicht kaum etwas geregelt, moniert der MVV-CEO. Großbritannien zum Beispiel sei das weiter. MVV betreibt bereits eine kleine Anlage in Dresden, in der CO2 gespeichert wird, hat aber noch keine konkrete Investitionsentscheidung für größere Projekte getroffen.
Warum MVV auch in Großbritannien CCS noch nicht einsetzt

Vorrstandsmitglieder von MVV Energie auf der Pressekonferenz 2025 in Frankfurt am Main: Hansjörg Roll (Technik) Gabriël Clemens (Vorsitzender des Vorstands) Ralf Klöpfer (Vertrieb) (von links nach rechts).
Foto: MVV
Dabei sind die Rahmenbedingungen für CCS-Technologien mit Blick auf Europa nicht nur in Deutschland noch nicht wirtschaftlich. Selbst im fortschrittlichen Großbritannien implementiere MVV bei der neuen Anlage in Wisbech zur Technischen Abfallbehandlung mit dem Namen Medworth keine CCS-Technologie von Anfang an – obwohl eine geeignete Lagerstätte für das CO2 in Reichweite wäre, wie MVV-Technologievorstand Hansjörg Roll am Rande der Jahrespressekonferenz in Frankfurt am Main erläuterte. Im Oktober hatte MVV den Bau begonnen, die dritte Anlage dieser Art in Großbritannien für die Mannheimer, neben denen in Dundee und Plymouth.
„Wir haben in den Plänen für Medworth entsprechende Reserven für die CCS-Technologien vorgesehen, sie lässt sich also in einem zweiten Schritt implementieren“, sagte Roll gegenüber VDI nachrichten. Doch auch in Großbritannien fehle aktuell eine geeignete CO2-Transportinfrastruktur und zudem seien die Rahmenbedingungen noch nicht so weit, dass es wirtschaftlich sei, sie direkt mit einzubauen. Als möglichen Zeitraum, wann dies der Fall sein könnte, nannte er den Beginn der 2030er Jahre.
Warum Rechenzentren für den Energieversorger MVV ein gutes neues Geschäftsfeld ist
Das Geschäftsfeld der Rechenzentren sei ein „wachsendes Geschäftsfeld“, so Marketingvorstand Ralf Klöpfer. Wobei MVV nicht nur als Investor auftritt, sondern auch die Abwärme der Rechenzentren zur klimafreundlichen Wärmeerzeugung nutzt, zum Beispiel in Offenbach. Hier nutzen Großwärmepumpen die Abwärme.
MVV sei mit „kleineren und mittelständischen Unternehmen, hauptsächlich unsere Business Kunden“ gestartet. Inzwischen sei man auch bei Hyperscaler-Größenordnug angelangt. Klöpfer betont, die MVV profitiere davon, dass das Unternehmen das Rechenzentrumsgeschäft mit ihren anderen Kompetenzen bündeln könne. Man kann als Investor auftreten, die Rechenzentren bauen und die Netzanbindung sowie die Stromversorgung (z.B. durch Windparks) bereitstellen, wodurch „mehrere Ergebnisbeiträge abseits von dem konkreten Rechenzentrums Business“ entstehen.
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