Wärmeleitung mit Lichtgeschwindigkeit 15.04.2025, 11:00 Uhr

Nie wieder überhitzte Geräte: Neue Technik leitet Wärme blitzschnell ab

Neue Technik leitet Wärme über Materialgrenzen hinweg in Lichtgeschwindigkeit ab – mit Potenzial für effizientere, langlebigere Elektronik.

Lüfter Computer

Solch riesige Lüfter in Computern oder anderen elektronischen Geräten könnten bald der Vergangenheit angehören. Eine neue Technologie leitet Wärme in Lichtgeschwindigkeit ab.

Foto: PantherMedia / Farzin Salimi

Ein internationales Forschungsteam hat eine neue Methode zur ultraschnellen Wärmeleitung entdeckt. Statt wie bisher auf langsame Gitterschwingungen zu setzen, nutzt das Verfahren hyperbolische Polaritonen in hexagonalem Bornitrid. Diese transportieren Wärme gezielt und über Materialgrenzen hinweg – und das schneller als jemals zuvor gemessen. Die Technik könnte zahlreiche Anwendungen in der Elektronik, Fahrzeugtechnik oder Medizintechnik verbessern und die Lebensdauer sowie Effizienz moderner Geräte steigern.

Wärme als Leistungshemmer in der Elektronik

Ob Smartphone, Laptop, Rechenzentrum oder E-Auto: Jedes dieser Geräte erzeugt im Betrieb Wärme. Wird diese nicht schnell genug abgeleitet, drohen Leistungseinbußen, Schäden oder sogar Ausfälle. Besonders in der Mikroelektronik, wo Bauteile immer kleiner und leistungsfähiger werden, wächst das Problem. Klassische Kühllösungen – wie Lüfter, Flüssigkeitskühlung oder Kühlkörper aus Metall – stoßen an Grenzen: Sie sind sperrig, verbrauchen Energie und lassen sich nicht beliebig miniaturisieren.

Forschende der University of Virginia und weiterer Institutionen haben nun einen neuen Weg entdeckt, der Wärme um ein Vielfaches schneller transportieren kann als bisherige Methoden. Ihr Verfahren könnte die Art und Weise, wie wir Elektronik kühlen, grundlegend verändern.

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Wärme leiten wie Licht – mit Polaritonen

Im Zentrum der Studie steht ein besonderes Material: hexagonales Bornitrid (hBN). Dieses besitzt einzigartige physikalische Eigenschaften, die es ermöglichen, sogenannte hyperbolische Phonon-Polaritonen (HPhPs) zu erzeugen. Dabei handelt es sich um Quasiteilchen – also übergeordnete physikalische Phänomene – die sich aus Lichtwellen und atomaren Gitterschwingungen zusammensetzen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Wärmeträgern, den Phononen, breiten sich diese HPhPs mit hoher Geschwindigkeit aus – sogar über Materialgrenzen hinweg. Das Besondere: Sie lassen sich gezielt steuern und bewegen sich entlang vorgegebener Bahnen. „Anstatt sie langsam entweichen zu lassen, lenken wir sie“, erklärte Patrick Hopkins, Professor für Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik an der UVA.

Der Versuch: Wärme wandert im Nahfeld

Das Team platzierte ein hauchdünnes Goldplättchen auf einer Schicht von fast isotopenreinem hBN. Anschließend wurde das Gold mit einem kurzen Laserpuls erwärmt. Mit Hilfe einer speziellen Infrarot-Messmethode – der zeitaufgelösten Thermoreflektometrie – ließ sich der Verlauf der Wärme präzise verfolgen.

Das Ergebnis war überraschend: Die Wärme breitete sich nicht über den klassischen Weg – also von Atom zu Atom – aus, sondern sprang direkt in die Polaritonenmoden des Bornitrids. Dieser Transfer erfolgte durch elektromagnetische Nahfeldstrahlung und war um ein Vielfaches schneller als bekannte Mechanismen.

„Diese Methode ist unglaublich schnell“, sagte Will Hutchins, Erstautor der Studie. „Wir sehen, wie sich Wärme auf eine Weise bewegt, die in festen Materialien nicht für möglich gehalten wurde.“

Rekordwerte bei der Wärmeleitfähigkeit

In Zahlen ausgedrückt ist die Leistung dieser Methode beeindruckend. Die gemessene Wärmeleitfähigkeit an der Grenzfläche – auch thermal boundary conductance (TBC) genannt – betrug über 500 MW/m²K. Zum Vergleich: Typische Werte für Metall-Halbleiter-Grenzen liegen zwischen 10 und 20 MW/m²K. Theoretisch könnten mit optimierten Materialien sogar Werte bis zu 2,5 GW/m²K erreicht werden.

Damit bewegt sich der neue Mechanismus in einer völlig anderen Größenordnung. Er bietet die Möglichkeit, Wärme gezielt über Grenzflächen zu transportieren – ohne mechanische Bauteile oder zusätzliche Kühlmittel.

Technische Details verständlich erklärt
Um zu verstehen, warum diese Technik so leistungsfähig ist, hilft ein Vergleich: Bei klassischer Wärmeleitung breiten sich Phononen wie Wellen auf einem Teich aus – in alle Richtungen und eher langsam. Polaritonen hingegen funktionieren wie ein Laserstrahl oder ein Hochgeschwindigkeitszug: zielgerichtet, schnell und verlustarm.
Dabei ist das hexagonale Bornitrid entscheidend. Es gehört zu einer speziellen Materialklasse, die sogenannte Reststrahlenbänder besitzt – Bereiche im Infrarotspektrum, in denen sich diese Polaritonen besonders effizient bewegen können. Die Forschenden haben diese Effekte gezielt genutzt und gezeigt, dass sich die Wärme dadurch präzise lenken lässt.

Anwendungen: Wo das Verfahren künftig nützt

Diese Methode eröffnet neue Möglichkeiten in vielen Bereichen. Insbesondere dort, wo hohe Rechenleistung auf engem Raum gefordert ist, könnte sie herkömmliche Kühlsysteme ergänzen oder sogar ersetzen:

  • Smartphones und Laptops: Geräte könnten schneller arbeiten, ohne zu überhitzen – bei gleichzeitig längerer Akkulaufzeit.
  • Elektrofahrzeuge: Batterien, die kühl bleiben, laden effizienter und halten länger.
  • Rechenzentren und KI-Systeme: Weniger Energieverbrauch bei höherer Leistung.
  • Medizintechnik: Sensoren und Implantate könnten präziser arbeiten und länger funktionieren.

Besonders spannend ist die Möglichkeit, die Wärme gezielt zu steuern – etwa entlang vorgezeichneter Bahnen. Das könnte das Design von Mikrochips revolutionieren.

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Zukunftsperspektiven

Auch wenn sich diese Technik noch in einem frühen Stadium befindet, sehen die Forschenden großes Potenzial. Die Methode ist nicht nur effizient, sondern auch skalierbar. Sie könnte also in Zukunft in vielen industriellen Anwendungen eingesetzt werden.

„Diese Entdeckung könnte die Art und Weise verändern, wie wir alles entwerfen, von Prozessoren bis hin zu Raumfahrzeugen“, sagte Hopkins.

Noch ist der Einsatz auf Laborebene beschränkt. Doch mit weiteren Forschungen und Materialoptimierungen könnte sich dieser neue Weg der Wärmeleitung durchsetzen – als Ergänzung oder Alternative zu bestehenden Kühllösungen.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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