Weltweites Warnsystem 20.12.2019, 07:00 Uhr

Mit Unterwasserkabeln Seebeben erfassen

Zwei Drittel der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt – und werden nur unvollständig mit Sensoren überwacht. Das wäre allerdings wichtig, um Seebeben rasch zu erkennen. Jetzt nutzen Forscher bereits vorhandene Seekabel für Messungen.

Seebeben und Tsunami

Tiefseekabel könnten vor Seebeben - und damit auch vor Tsunamis - warnen.

Foto: panthermedia.net/picStockMedia

Am 11. Dezember hat ein Seebeben der Stärke 5,3 Kreta und die Inselgruppe der Dodekanes erschüttert. Das Epizentrum lag zwischen Kreta und Kasos am Meeresgrund, berichtete das Geodynamische Institut in Athen. In den Monaten zuvor hatte es schon mehrfach ähnliche Ereignisse der Stärke 4,8 bis 5,9 gegeben. Menschen kamen nicht zu Schaden, doch die Daten zeigen, wie wichtig eine kontinuierliche Überwachung ist. Deutlich schwerere Seebeben können Tsunamis auslösen, wie am 26. Dezember 2004 im Indischen Ozean geschehen.

Eine flächendeckende Überwachung gestaltet sich schwierig: Zwei Drittel der Oberfläche unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt und immer noch lückenhaft mit Instrumenten ausgestattet. Jetzt zeigen Wissenschaftler der Université Côte d’Azur im französischen Valbonne, dass sich normale Unterwasserkabel eignen, um Seebeben zu detektieren. Wie sie schreiben, könne man vorhandene Infrastrukturen nutzen, um daraus „Milliarden an Sensoren“ zu machen. Ihr Ziel ist auch, bislang unbekannte tektonische Strukturen zu kartieren, um daraus Risiken abzuleiten.

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Aus Tiefseekabeln werden Seismographen 

Zum Hintergrund: Der Meeresboden wird von 1,2 Millionen Kilometern an Kabeln durchzogen. Sie bestehen aus Glasfasern und erleichtern einen Großteil unserer Kommunikation per Telefon, SMS, Internet oder E-Mail. Und sie könnten bald eine neue Rolle übernehmen, nämlich die Erkennung akustischer und seismischer Wellen.

Im Experiment erfassten Forscher mit einem Kabel vor der südfranzösischen Küste von Toulon Daten in einer Tiefe von 2500 Metern. Das von ihnen entwickelte Verfahren nutzt kleine Verunreinigungen in den Glasfasern, die einen Teil des Lichts, das sie transportieren, zum Sender zurückleiten.

Seismische oder akustische Wellen verändern die Geometrie von Kabeln minimal – sie strecken oder stauchen die Faser. Dadurch verändert sich auch das reflektierte optische Signal um einen winzigen Betrag. Allerdings mussten Wissenschaftler nachweisen, dass sich diese Unterschiede auch bestimmen lassen, da bei Unterwasserkabeln die Glasfasern von mehreren Isolationsschichten umgeben sind.

Seismische Hintergrundgeräusche und Seebeben messen

Durch das Einspeisen von Lichtimpulsen in eine Glasfaser und die Analyse des reflektierten Signals wurden 41 Kilometer Kabel plötzlich in mehr als 6.000 seismische Sensoren umgewandelt. Ein schwaches Erdbeben der Stärke 1,9, das sich während des Versuchs ereignet hat, wurde an jedem der Messpunkte mit einer Empfindlichkeit nahe einer seismischen Küstenstation festgestellt, obwohl sich das Epizentrum mehr als 100 Kilometer vom Kabel entfernt befand.

Aber das ist noch nicht alles. Denn die Messpunkte in Kabeln sind auch empfindlich gegenüber Wellen, welche durch den Ozean wandern. Mit den Sensoren konnten Forscher erstmals beobachten, wie sehr kleine Schwingungen, die ständig vorkommen, im Erdinneren erzeugt werden.

Die Experten glauben auch, dass ein Telekommunikationskabel ähnlich wie eine Reihe von Mikrofonen Unterwassergeräusche von Schiffen und Walen erkennen könnte. Sie sehen vielfältige Einsatzmöglichkeiten ihres Messprinzips in der Technik und in der Biologie, müssen dies aber noch mit weiteren Experimenten belegen.

Preisgünstiges Tiefsee-Observatorium

Nicht zuletzt spielen praktische Aspekte eine Rolle. Angesichts der logistischen und finanziellen Herausforderung, Instrumente auf dem Meeresboden zu bringen, könnten Telekommunikationskabel die Chance bieten, Erdbeben, Küstenerosionen oder die Interaktion zwischen Lebewesen und Ozeanen zu erforschen.

Eine Reihe von Kabeln, die derzeit noch in Betrieb sind, werden von den großen Telekommunikationskonzernen in den kommenden Jahren nicht mehr verwendet und aufgegeben. Dank der Forschung könnten sie trotzdem noch von Nutzen sein.

Bekanntes Messprinzip, praxisnahe Umsetzung

Die Idee der französischen Forscher ist nicht neu. Amerikanische Kollegen hatten Zugriff auf eigens installierte Tiefseekabel unter der Oberfläche der kalifornischen Monterey Bay. Normalerweise arbeiten Meeresbiologen mit dem Instrumentarium. Geologen zeigten, dass sich das Netzwerk auch für seismische Fragestellungen eignet, um Verwerfungslinien im Untergrund zu kartieren. Prompt entdeckten sie eine kleine, bislang unbekannte Struktur zwischen der San-Gregorio- und der San-Andreas-Verwerfung.

Sollte es tatsächlich, wie von der französischen Gruppe geplant, gelingen, Messungen mit den weltweiten Seekabeln durchzuführen, könnten weitere Auslöser von Seebeben entdeckt und kartiert werden.

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Ein Beitrag von:

  • Michael van den Heuvel

    Michael van den Heuvel hat Chemie studiert. Unter anderem arbeitet er für Medscape, DocCheck, für die Universität München und für pharmazeutische Fachmagazine. Seit 2017 ist er selbstständiger Journalist und Gesellschafter von Content Qualitäten. Seine Themen: Chemie/physikalische Chemie, Energie, Umwelt, KI, Medizin/Medizintechnik.

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