Licht rechnet schneller: Optische Chips erreichen 12,5 GHz
Rechnen mit Licht: OFE2 erreicht 12,5 GHz und analysiert Daten blitzschnell. So entsteht eine neue Generation optisch-elektronischer KI-Systeme.
Rechnen mit Lichtgeschwindigkeit: OFE2 zeigt, wie’s geht
Foto: H. Chen, Tsinghua University
Viele moderne Anwendungen von künstlicher Intelligenz – ob in der Chirurgie oder im Hochfrequenzhandel – hängen an einer simplen Frage: Wie schnell lassen sich aus riesigen Datenströmen die wichtigen Merkmale herausfiltern?
Bislang stößt klassische Elektronik hier an ihre Grenzen. Prozessoren können zwar immer noch schneller takten, doch irgendwann machen Hitze, Energieverbrauch und physikalische Effekte Schluss. Das Licht könnte hier übernehmen.
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Wenn Licht plötzlich rechnen kann
Beim optischen Rechnen fließt nicht Strom, sondern Licht durch mikroskopisch strukturierte Bauteile. Diese sogenannten Beugungsoperatoren verarbeiten die Information, während der Lichtstrahl hindurchläuft. Das klingt fast magisch – ist aber reine Physik. Denn jede Biegung und jeder Winkel im Material verändert die Wellenfront des Lichts so, dass am Ausgang bereits ein Rechenergebnis entsteht.
Der große Vorteil: Solche Systeme arbeiten parallel, blitzschnell und mit extrem wenig Energie. Doch sie haben auch ein Problem – oberhalb von 10 GHz wird es technisch heikel. Kohärentes, also phasentreues Licht, ist schwer stabil zu halten. Schon kleinste Störungen in Glasfasern bringen das System durcheinander.
Die Lösung kommt aus China
Ein Team um Professor Hongwei Chen von der Tsinghua-Universität hat jetzt genau das geschafft, woran viele zuvor gescheitert sind. Wie die Forschenden in Advanced Photonics Nexus berichten, entwickelten sie eine neuartige optische Engine mit dem Kürzel OFE2 – eine Art Rechenmaschine aus Licht.
Das Besondere daran: Sie läuft mit 12,5 GHz und bleibt dabei stabil. Möglich macht das ein winziges On-Chip-System, das die optischen Signale vorbereitet. Statt Glasfasern nutzt OFE2 integrierte Bauteile – abstimmbare Leistungsteiler und präzise Verzögerungsleitungen –, die den Datenstrom in mehrere parallele Lichtkanäle aufsplitten.
So entstehen viele gleichphasige Lichtsignale, die sich perfekt überlagern können. Und weil alles auf einem Chip sitzt, gibt es keine wackeligen Fasern, die Störungen einbringen.
Ein zusätzliches Phasenarray erlaubt, die gesamte Struktur flexibel zu konfigurieren. Das heißt: OFE2 lässt sich anpassen – je nachdem, ob gerade ein Bild analysiert oder ein Börsensignal bewertet werden soll.
Rechnen mit Wellen
Wie das funktioniert, lässt sich mathematisch als Matrix-Vektor-Multiplikation beschreiben. Vereinfacht gesagt: Die einfallenden Lichtwellen treffen auf die optische Struktur, werden gebeugt, überlagern sich – und am Ende formt sich am Ausgang ein heller Punkt.
Je nachdem, wie die Phasen der Eingangsstrahlen eingestellt sind, wandert dieser Lichtfleck und ändert seine Intensität. Genau daraus zieht das System seine Informationen.
Mit dieser Methode schafft OFE2 eine Rechenoperation in weniger als 250 Pikosekunden – also ein Viertel von einer Milliardstel Sekunde. „Wir sind fest davon überzeugt, dass diese Arbeit einen wichtigen Maßstab für die Weiterentwicklung der integrierten optischen Beugungsberechnung darstellt, um eine Geschwindigkeit von 10 GHz in realen Anwendungen zu überschreiten“, sagt Chen.
Wenn Licht Bilder versteht
Was das in der Praxis bedeutet, zeigten die Forschenden gleich mehrfach. In einem Versuch ließ das Team OFE2 Kanten in Bildern erkennen. Das System lieferte zwei komplementäre Karten – eine Art Relief- und Gravuransicht. Damit konnten nachgeschaltete neuronale Netze Objekte in Bildern präziser erkennen.
Interessant dabei: Durch die optische Vorverarbeitung benötigte das KI-Netzwerk weniger elektronische Parameter. Die Folge: kleinere, effizientere Modelle – ein echter Vorteil für Anwendungen, die Energie sparen müssen, etwa in der Medizintechnik oder bei mobilen Geräten.
Licht an der Börse
Auch beim digitalen Handel bewährte sich das System. OFE2 erhielt in Echtzeit Preissignale und lieferte nach kurzer Trainingsphase Entscheidungsvorschläge: kaufen oder verkaufen.
Der Clou: Der gesamte Prozess läuft mit Lichtgeschwindigkeit – Verzögerungen durch Elektronik entfallen fast vollständig. Das könnte künftig im Hochfrequenzhandel den entscheidenden Zeitvorteil bringen, wo Millisekunden über Gewinn oder Verlust entscheiden.
Der Anfang einer neuen Hybrid-Ära
Chen und sein Team sehen in ihrer Entwicklung einen Schritt hin zu hybriden KI-Systemen: vorne optisch, hinten elektronisch. Die Photonik erledigt die schnellen, energiehungrigen Aufgaben, während Prozessoren die Ergebnisse weiterverarbeiten.
„Die in unserer Studie vorgestellten Fortschritte bringen integrierte Beugungsoperatoren auf ein höheres Niveau und bieten Unterstützung für rechenintensive Dienste in Bereichen wie Bilderkennung, assistierte Gesundheitsversorgung und digitale Finanzen“, erklärt Chen. Das Team will nun mit Partnern zusammenarbeiten, die täglich Unmengen an Daten in Echtzeit verarbeiten müssen.
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