Gasfermentation der Zukunft? 12.06.2025, 15:30 Uhr

Wie Bakterien Kohlenmonoxid in Biotreibstoff verwandeln

Mikroorganismus verwertet Kohlenmonoxid als Energiequelle. Eine neue Methode könnte industrielle Gase in Biotreibstoff verwandeln.

Stefan Pflügl

Stefan Pflügl (links) im Labor mit den Erstautor_innen der beiden Publikationen, Rémi Hocq (Mitte) und Angeliki Sitara (rechts). Die Forschenden machen Kohlenmonoxid für Bioreaktoren nutzbar – dank genetischem Umbau.

Foto: Rami Mahmoud, TU Wien

Kohlenmonoxid (CO) gilt als giftig – nicht nur für Menschen, sondern auch für viele Mikroorganismen. In industriellen Prozessen fällt CO oft als Nebenprodukt an und bleibt bislang weitgehend ungenutzt. Doch ein Forschungsteam an der Technischen Universität Wien hat gezeigt: Mit Hilfe genetischer Anpassung lässt sich dieses Gas in eine Energiequelle verwandeln. Die Wissenschaftler*innen um Stefan Pflügl konnten den Mikroorganismus Thermoanaerobacter kivui (kurz: T. kivui) dazu bringen, CO nicht nur zu tolerieren, sondern sogar als einzige Energiequelle zu nutzen.

Vom Gift zum Energielieferanten

T.kivui ist ein thermophiles Bakterium. Es wächst bevorzugt bei hohen Temperaturen und ist in der Lage, aus einfachen Molekülen wie Kohlenstoffdioxid (CO₂) und Wasserstoff (H₂) organische Verbindungen herzustellen. In der industriellen Gasfermentation könnte dieser Mikroorganismus dazu beitragen, sogenannte Synthesegase – also Mischungen aus CO, CO₂ und H₂ – in verwertbare Produkte umzuwandeln. Dazu zählen unter anderem Essigsäure, Ethanol oder Isopropanol. Letztere finden als Biokraftstoffe oder in der chemischen Industrie Anwendung.

Das Problem: CO hemmt in seiner natürlichen Form das Wachstum von T. kivui. Es stört wichtige Enzyme, die für den Energiestoffwechsel entscheidend sind – insbesondere die Hydrogenasen. Die industrielle Nutzung von T. kivui in CO-haltigen Prozessen schien daher lange ausgeschlossen.

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Evolution im Zeitraffer

Das Forschungsteam entschied sich für einen ungewöhnlichen Weg. Anstatt nur auf klassische Gentechnik zu setzen, kombinierten die Wissenschaftler*innen Methoden der adaptiven Labor-Evolution mit gezielten genetischen Eingriffen. In kontrollierten Experimenten setzten sie das Bakterium schrittweise immer höheren CO-Konzentrationen aus. Bereits nach 31 Generationen entstand ein leistungsfähiger Stamm, der ausschließlich mit CO als Energiequelle auskam. Diese neue Variante erhielt den Namen CO-1.

Die maximale Wachstumsrate dieses Stamms liegt bei 0,25 h⁻¹ – ein hoher Wert unter den sogenannten Acetogenen, also Bakterien, die Essigsäure aus gasförmigen Substraten erzeugen können.

Spurensuche im Genom

Ein Blick ins Erbgut offenbarte die Ursache dieser rasanten Anpassung. Die Forschenden entdeckten ein extrachromosomales DNA-Element mit rund 86 Kilobasen Länge – einen sogenannten Megatransposon, den sie TnCO-1 nannten. Transposons sind mobile DNA-Abschnitte, die sich innerhalb des Genoms bewegen können. Diese „springenden Gene“ gelten als Motoren der Evolution, da sie neue Eigenschaften ermöglichen können.

TnCO-1 enthielt gleich mehrere entscheidende Gene für den CO-Stoffwechsel. Dazu zählten unter anderem Enzyme wie Ech2, HydABC sowie Teile des sogenannten Wood-Ljungdahl-Wegs – ein Stoffwechselweg, der es Mikroorganismen erlaubt, aus CO₂ und H₂ organische Moleküle herzustellen.

Was ist ein Transposon?
Transposons – auch „springende Gene“ genannt – sind bewegliche DNA-Abschnitte. Sie verändern gezielt oder zufällig das Genom und spielen eine wichtige Rolle bei der Anpassung von Mikroorganismen an Umweltveränderungen.

 

Genschere liefert gezielte Kontrolle

Der Nachweis gelang auch über gentechnische Methoden. Mittels der CRISPR/Cas-Technologie – einer sogenannten Genschere – konnten die Forschenden gezielt Gene verändern, löschen oder einfügen. Diese Technik nutzen sie in einer eigens entwickelten Methode namens Hi-TARGET. Mit ihr gelang es, den ursprünglichen Wildtyp von T. kivui innerhalb weniger Tage so umzuprogrammieren, dass er die Eigenschaften des CO-1-Stammes übernahm.

Interessant dabei: Die Einfügung des Ech2-Gens reichte aus, um die CO-Toleranz zu erzeugen. Nach einiger Zeit bildete auch dieser Stamm stabile Kolonien mit CO als einziger Energiequelle. Überraschenderweise kam es dabei zu einer großflächigen Inversion des Genoms – fast 80 % des Erbguts waren betroffen. Die Forschenden vermuten, dass diese Veränderung eine Reaktion auf die neue metabolische Belastung darstellt.

Redox-Gleichgewicht als Schlüssel

Für den Erfolg war nicht nur die Genintegration entscheidend, sondern auch die gezielte Regulation einzelner Stoffwechselwege. Die Forschenden analysierten das sogenannte Transkriptom – also die aktivierten Gene – und fanden heraus, dass besonders das Gleichgewicht zwischen oxidierten und reduzierten Molekülen entscheidend war.

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So wurde das Enzym Ech2 stark hochreguliert. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Energiegewinnung unter CO-Einfluss. Gleichzeitig wurde CODH – ein Enzym, das CO oxidiert und Elektronenträger reduziert – herunterreguliert. Diese fein abgestimmte Balance verhinderte eine Überladung des Stoffwechsels mit Elektronen, die sonst blockierend wirken würde.

Anwendung in der Industrie

Der optimierte CO-1-Stamm zeigt vielversprechende Eigenschaften für den Einsatz in industriellen Bioreaktoren. Er kann CO zusammen mit H₂ und CO₂ effizient verwerten und dabei hohe Ausbeuten an Acetat erzeugen. Besonders vorteilhaft ist seine Stabilität im sogenannten Chemostat – also einem kontinuierlichen Reaktor, wie er in der industriellen Biotechnologie zum Einsatz kommt.

Die Ergebnisse belegen das Potenzial von T. kivui als Bestandteil einer CO-basierten Kreislaufwirtschaft. Mit seiner Fähigkeit, auch giftige Gase nutzbar zu machen, lässt sich Industrieabfall in wertvolle Rohstoffe umwandeln – ein Schritt hin zu einer nachhaltigeren Nutzung von Kohlenstoff.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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