Neverending-Story 20.11.2025, 09:00 Uhr

Stuttgart 21 wieder verschoben: Was jetzt der Grund ist

Eröffnung von Stuttgart 21 erneut verschoben. ETCS-Probleme, steigende Kosten und neue Zeitpläne. Ein Überblick.

Stuttgarter Hauptbahnhof

Blick auf die Dauerbaustelle Stuttgart Hauptbahnhof. Die Eröffnung verschiebt sich zum wiederholten Male. Vor 2027 geht nichts.

Foto: picture alliance / imageBROKER | Lilly

Seit mehr als 15 Jahren prägt ein einziges Projekt das Zentrum Stuttgarts. Baustellen bestimmen Wege, Lärm den Alltag, Zäune das Stadtbild. Stuttgart 21 sollte die Region verkehrlich modernisieren. Herausgekommen ist ein Jahrhundertvorhaben, das regelmäßig an seinen eigenen Ambitionen scheitert. Jetzt steht fest: Der neue Tiefbahnhof öffnet frühestens im Dezember 2027. Ein weiteres Jahr Verzögerung, obwohl der Termin 2026 bereits als Korrektur galt.

Quellen aus Bahn-Aufsichtsrat und Projektgremium bestätigen: Selbst die gestaffelte Inbetriebnahme, die den Betrieb entlasten sollte, ist Geschichte. Die technische Infrastruktur ist nicht bereit.

Digitale Leitstelle im Zeitverzug

Die Bahn verweist auf technische Probleme im Bahnknoten. Gemeint ist vor allem der vollständige Verzicht auf klassische Signale. Stuttgart 21 soll komplett auf ETCS basieren – ein digitaler Standard, der Züge per Funk führt und Geschwindigkeiten permanent überwacht. Die Vorteile liegen theoretisch auf der Hand: weniger Technik im Gleis, mehr Durchlass, ein flexibler Betrieb.

Stellenangebote im Bereich Bauwesen

Bauwesen Jobs
Stadtwerke Augsburg Holding GmbH-Firmenlogo
Technischer Revisor (m/w/d) Schwerpunkt Prozessprüfung im Bereich Versorgung und ÖPNV Stadtwerke Augsburg Holding GmbH
Augsburg Zum Job 
Stadt Freiburg-Firmenlogo
Abteilungsleitung Verkehrsprojekte (m/w/d) Stadt Freiburg
Freiburg Zum Job 
Deutsche Rentenversicherung Nordbayern-Firmenlogo
Architekt (m/w/d) oder Bauingenieur (m/w/d) im Bereich Bauangelegenheiten Deutsche Rentenversicherung Nordbayern
Bayreuth Zum Job 
Groth & Co. Bauunternehmung GmbH-Firmenlogo
Kalkulator (m/w/d) Groth & Co. Bauunternehmung GmbH
Rostock Zum Job 
Heilbronner Versorgungs GmbH-Firmenlogo
Planungsingenieur in den Bereichen Gas und Wasser (m/w/d) Heilbronner Versorgungs GmbH
Heilbronn Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Ingenieur (w/m/d) Schwerpunkt Abfall- und Bodenmanagement Die Autobahn GmbH des Bundes
Stadtwerke Essen-Firmenlogo
Ingenieur/Techniker (gn) für Kanal- und Entwässerungsplanung Stadtwerke Essen
THOST Projektmanagement GmbH-Firmenlogo
Projektmanager*in (m/w/d) für Bau- und Immobilienprojekte THOST Projektmanagement GmbH
Kassel, Frankfurt am Main Zum Job 
TenneT TSO GmbH-Firmenlogo
Bautechniker im Bereich Umspannwerke (m/w/d) TenneT TSO GmbH
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Bauingenieur als Geschäftsbereichsleitung Betrieb und Verkehr (m/w/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Maisach Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Südbayern-Firmenlogo
Bauingenieur Straßenplanung (w/m/d) Die Autobahn GmbH des Bundes, Niederlassung Südbayern
Kempten Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Teamleitung Planung Ingenieurbauwerke (m/w/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
München Zum Job 
TransnetBW GmbH-Firmenlogo
Ingenieur (m/w/d) Hochbau TransnetBW GmbH
Stuttgart Zum Job 
TransnetBW GmbH-Firmenlogo
Bauingenieur (m/w/d) Statik und Konstruktion von Freileitungen TransnetBW GmbH
Stuttgart Zum Job 
Eproplan GmbH Beratende Ingenieure-Firmenlogo
Projektleiter*in (m/w/d) Versorgungstechnik im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung (HLSK) Eproplan GmbH Beratende Ingenieure
Stuttgart Zum Job 
Adolf Würth GmbH & Co. KG-Firmenlogo
Produktmanager - Vorgehängte hinterlüftete Fassade (m/w/d) Adolf Würth GmbH & Co. KG
Künzelsau Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Bauingenieur für Straßenplanung und -entwurf / Immissionsschutz (m/w/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Regensburg Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Bauingenieur für Straßenplanung und Straßenentwurf (m/w/d) in der Außenstelle München-Maisach Die Autobahn GmbH des Bundes
Maisach Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Bauingenieur Streckenplanung (w/m/d) Die Autobahn GmbH des Bundes
Kempten Zum Job 
Wirtschaftsbetrieb Hagen AöR-Firmenlogo
Bauingenieur*in Siedlungswasserwirtschaft - Grundstücksentwässerung (w/m/d) Wirtschaftsbetrieb Hagen AöR

Doch die Realität bremst. Interne Unterlagen sprechen von „abgespannten Arbeiten“. Ein Hinweis darauf, dass die Digitalisierung nicht in dem Tempo vorankommt, das erforderlich wäre. Auch am eigentlichen Tiefbahnhof hakt es weiter. Die Bahn hatte selbst eingeräumt, dass der Knoten „komplexer als ursprünglich kalkuliert“ sei.

Die Idee einer stufenweisen Eröffnung – und ihr Ende

Im Sommer 2025 wollte die Bahn den Druck reduzieren. Der Plan sah drei Phasen vor:

  • Fernverkehr und Teile des Regionalverkehrs sollten ab Dezember 2026 in den neuen Bahnhofsbereich rollen.
  • Andere Linien wären bis Mitte 2027 im bestehenden Kopfbahnhof geblieben.
  • Die Gäubahn wäre erst 2027 vollständig umgelegt worden.

DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber sagte damals: „Damit können wir die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste so gering wie möglich halten.“ Dieser Ansatz sollte Chaos vermeiden. Doch heute ist klar: Er funktioniert nicht. Die digitalen Komponenten sind zu unausgereift. Ohne funktionierendes ETCS bleibt der Durchgangsbahnhof unvollständig.

Ein Bahnknoten, der weit über den Bahnhof hinausgeht

Stuttgart 21 umfasst deutlich mehr als die markanten Kelchstützen des neuen Tiefbahnhofs. Das Paket enthält:

  • einen komplett neu geordneten Bahnknoten,
  • den neuen Flughafenbahnhof,
  • rund 60 km Tunnel,
  • neue Brücken und Verknüpfungen im gesamten Stadtgebiet,
  • sowie die bereits in Betrieb genommene Neubaustrecke Wendlingen–Ulm.

Der Tiefbahnhof ersetzt den bisherigen Kopfbahnhof und wird zum Durchgangsbahnhof mit acht Zufahrten statt fünf. Das Ziel: mehr Kapazität, mehr Flexibilität. Die Umsetzung zeigt jedoch, wie anspruchsvoll diese Umstellung im Bestand ist.

Warum die „21“ nie das Jahr meinte

Hartnäckig hält sich das Missverständnis, die Zahl im Projektname verweise auf das Eröffnungsjahr. Tatsächlich stammt „21“ aus einem Modernisierungsprogramm, das die Bahn ins 21. Jahrhundert führen sollte. Die ursprünglich geplante Eröffnung 2019 wirkt heute wie ein Relikt aus einer anderen Zeit.

Bekannte Risiken – aber unterschätzt

Die Gründe für Verzögerungen begleiten das Projekt seit Beginn:

  • langwierige Klagen, etwa zu Brandschutzkonzepten,
  • Änderungen durch Umwelt- und Artenschutzauflagen,
  • geologisch komplizierte Schichten wie quellfähiges Anhydrit,
  • aufwendige Genehmigungen,
  • und immer stärker: die schleppende Digitalisierung des Netzes.

Kritiker werfen der Bahn vor, Risiken kleinzureden. Martin Poguntke vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sagt: „Nachmittags um drei ist ein Zug schnell geleert. Aber im Berufsverkehr lassen sich diese Haltezeiten nicht realisieren.“ Er meint damit: Der neue Durchgangsbahnhof sei zu klein geplant.

Kosten: eine Zahl, die ständig wächst

Die Kalkulationen zeigen eine klare Richtung:

  • Aktueller Stand: rund 11,3 Mrd. €.
  • Ursprüngliche Planung 2009: 4,5 Mrd. €.
  • Der Puffer: nahezu aufgebraucht.

Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg von 2024 legt fest: Die Bahn trägt alle Mehrkosten. Land und Stadt müssen nicht nachzahlen. Die Bahn akzeptierte die Entscheidung.

Zeitgewinn im Fernverkehr – aber nicht wegen des Tiefbahnhofs

Oft wird Stuttgart 21 mit kürzeren Fahrzeiten beworben. Tatsächlich sind diese zum großen Teil der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm zu verdanken. Beispiel: Ulm–Stuttgart reduziert sich künftig auf 27 Minuten statt 56 Minuten.

Die Vorteile des neuen Bahnhofs bleiben dennoch relevant:

  • direktere Linien im Regionalverkehr,
  • eine Fernverkehrsanbindung des Flughafens,
  • mehr Zufahrten, die den Knoten strukturieren.

Gegner halten jedoch dagegen: Der Engpass verlagere sich nur.

Warum Tunnelbau in Stuttgart besonders anspruchsvoll ist

Ein Kernproblem liegt im Untergrund. Anhydrit gilt als heikel, weil er bei Wasserkontakt aufquillt und Schäden in Tunnelbauwerken verursachen kann. Das erfordert komplexe Abdichtungen. Zudem liegt die Innenstadt dicht bebaut über den Tunneltrassen. Jeder Fortschritt verlangt daher permanente Überwachung und angepasste Bautechnik.

Ein Projekt, das die Stadt verändert hat – und weiter verändert

Seit dem Abriss des Nordflügels 2010 prägt Stuttgart 21 das Stadtleben. Demonstrationen, politische Wendepunkte und harte öffentliche Debatten haben das Projekt begleitet. Die Volksabstimmung 2011 gab dem Bau eine politische Legitimation. Danach beruhigte sich die Lage, aber nicht die Baustelle.

Dass der vollständige Abschluss inklusive Gäubahn-Tunnel erst 2032 realistisch erscheint, zeigt: Die Verzögerung 2027 ist nicht das Ende, sondern ein weiteres Kapitel.

Zeitleiste im Überblick

  • 1994 – Erste Pläne für „Netz 21“
  • 1997 – „Stuttgart 21“ wird öffentlich
  • 2009 – Vertrag, geplante Eröffnung: 2019, Kosten: 4,5 Mrd. €
  • 2010 – Baustart, Beginn der Proteste
  • 2011 – Volksabstimmung: Mehrheit für Weiterbau
  • 2016–2019 – Verschiebung auf 2024
  • 2022 – Schnellfahrstrecke Wendlingen–Ulm startet
  • 2024 – Neuer Termin: Dezember 2026
  • Juli 2025 – Teilweise Inbetriebnahme für 2026 angekündigt
  • November 2025 – Auch dieser Termin fällt
  • Neuer Ausblick – Vollbetrieb frühestens 2027, Projektende 2032

(Mit Material der dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.