Qiddiya City: So entsteht die größte Freizeitstadt der Welt
Qiddiya City soll Saudi-Arabiens Hauptstadt für Entertainment werden – mit Achterbahnen, Rennstrecke, WM-Stadion, E-Sports und viel Kritik.
Qiddiya City soll die Entertainment-Haupstadt in Saudi-Arabien werden - eine Mischung aus Disney-World, Monaco und Las Vegas.
Foto: © Mercedes-Benz AG
Wenn Sie von Riad nach Südwesten fahren, taucht irgendwann eine gewaltige Baustelle in der Wüste auf. Was hier entsteht, sprengt jede Vorstellung von einem klassischen Freizeitpark. In den Tuwaiq-Bergen wächst Qiddiya City heran – eine Stadt, die fast ausschließlich für Unterhaltung, Sport und Kultur gedacht ist. Wer die Pläne studiert, stößt auf Superlative im Dutzend: Themenparks mit Weltrekorden, ein Stadion für die Fußball-WM 2034, eine Formel-1-taugliche Rennstrecke, futuristische E-Sports-Hallen.
Die Vision wirkt wie ein Mix aus Disneyland, Las Vegas und Monaco – und ist doch mehr als ein Spielplatz für Adrenalinjunkies. Qiddiya ist Teil der Vision 2030 von Kronprinz Mohammed bin Salman. Das Projekt soll Arbeitsplätze schaffen, die Wirtschaft breiter aufstellen und nicht zuletzt das Bild Saudi-Arabiens in der Welt verändern. Doch bei aller Faszination für Technik und Architektur stellt sich die Frage: Wo liegen die Schattenseiten dieser Mega-Freizeit-Metropole?
Inhaltsverzeichnis
- Achterbahn der Superlative
- Wasserwelten und Anime-Abenteuer
- Die Stadt als Rennstrecke
- Mercedes-AMG: Die Marke zum Anfassen
- Gaming-Tempel für die Generation Z
- Mehr als nur Unterhaltung
- Stadion für die Fußball-WM 2034
- Golf-Oase im Wüstenklima
- Die Vision 2030: Spielplatz mit politischer Mission
- Kritik: Gigantismus im Wüstenstaat
- Zeitplan & Öffnung – nicht alles läuft nach Plan
Achterbahn der Superlative
Im Herzen Qiddiyas entsteht der erste Six Flags-Park außerhalb Nordamerikas. Das Highlight: „Falcon’s Flight“ – eine Achterbahn, die gleich drei Weltrekorde brechen soll. Mit 250 km/h Spitzengeschwindigkeit, fast 200 Metern Höhe und drei Minuten Fahrtzeit will sie zur extremsten Bahn der Welt werden.
Schon die Testfahrten zeigen, wie radikal das Konzept ist: steile Stürze, überhöhte Kurven, ein Tunnel, der plötzlich alles verschluckt. Ein Video im Netz entfacht Diskussionen: Ist das die Zukunft des Nervenkitzels – oder schlicht Wahnsinn auf Schienen? Insgesamt sind acht Achterbahnen in Qiddiyas City geplant.
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Wasserwelten und Anime-Abenteuer
Gleich nebenan entsteht der Wasserpark Aquarabia. Er umfasst 22 Rutschen, mehrere Pools und Themenbereiche. Laut Plan sollen bis zu 90 % des Wassers wiederverwendet werden – ein wichtiger Punkt in einem Land, das zu den trockensten der Erde gehört.
Und damit nicht genug: Ein weiterer Themenpark widmet sich der beliebten Manga- und Anime-Reihe Dragon Ball. Hier können Besucherinnen und Besucher durch die Welten von Son Goku und seinen Gefährten spazieren. Saudi-Arabien setzt damit gezielt auf eine junge Zielgruppe, die mit Gaming und Anime aufwächst.

Qiddiya als Rennstrecke und Mercedes-AMG mittendrin.
Foto: © Mercedes-Benz AG
Die Stadt als Rennstrecke
Auch Motorsportfans kommen auf ihre Kosten. Ein Kernstück ist der Speed Park Track, entworfen vom bekannten Formel-1-Architekten Hermann Tilke. Die Strecke kombiniert Straßenkurs und permanenten Rundkurs.
Besonders auffällig ist die „Blade“-Kurve. Sie steigt über 20 Stockwerke hoch und fällt ebenso steil wieder ab. An einer Stelle verläuft die Strecke direkt neben der Achterbahn „Falcon’s Flight“. Zuschauerinnen und Zuschauer sollen die Wahl haben: Will man die Geschwindigkeit der Autos mit den Zügen vergleichen oder einfach beides gleichzeitig genießen?
Auch für die Fans ist das Konzept neu. Statt klassischer Tribünen gibt es erhöhte Terrassen und Aussichtspunkte direkt am Kurs. So sind die Besucher*innen näher am Geschehen.
Ab 2027 sollen hier Formel-1- und MotoGP-Rennen stattfinden. Daneben wird es auch Tage für Amateure geben, die sich mit Leihwagen oder eigenen Autos auf die Strecke wagen können.
Mercedes-AMG: Die Marke zum Anfassen
Direkt am Speed Park Track entsteht die „Mercedes-AMG World of Performance“. Auf neun Stockwerken und 45.000 Quadratmetern wird die Welt des Motorsports erlebbar gemacht.
„Die spektakulärste Mercedes-Präsenz der Welt“, nannte ein Unternehmensvertreter das Projekt schon. Besucherinnen und Besucher erwarten über 60 Simulatoren, Ausstellungen seltener Rennwagen und exklusive Einblicke ins Formel-1-Team von Mercedes-AMG. Wer möchte, kann sogar auf der benachbarten Strecke in aktuellen AMG-Modellen fahren.
Qiddiya City – Die wichtigsten Daten
• Lage: ca. 45 km südwestlich von Riad, in den Tuwaiq-Bergen
• Fläche: rund 376 km² (dreimal Disneyland USA)
• Einwohner: geplant bis zu 600.000
• Besucher: erwartete 48 Mio. pro Jahr
• Eröffnung: erste Parks ab 2025, Rennstrecke ab 2027
• Betreiber: Qiddiya Investment Company (QIC), Tochter des Public Investment Fund (PIF)
• Attraktionen: über 300 (Freizeitparks, Sportanlagen, Kulturzentren)
• Highlights: Six Flags-Park mit „Falcon’s Flight“, Wasserpark Aquarabia, Speed Park Track, Prince Mohammed bin Salman Stadium, Mercedes-AMG World of Performance, E-Sports-Arena, Dragon Ball Theme Park
• Arbeitsplätze: über 25.000 direkte Jobs bis 2030
• Beitrag zur Vision 2030: Diversifizierung der Wirtschaft, Tourismusförderung, neue Freizeitangebote für die junge Bevölkerung
Gaming-Tempel für die Generation Z
Ein eigenes Viertel widmet sich E-Sports. Herzstück ist eine Arena des Architekturbüros Populous, bekannt durch die Las Vegas Sphere.
Mehr als 5100 Plätze, ein LED-Screen von 3.600 Quadratmetern, vibrierende Sitze und sogar Geruchseffekte – das Konzept liest sich wie ein Science-Fiction-Szenario. „Diese Arena wird sowohl in ihrer Größe als auch in ihrer Benutzerfreundlichkeit einzigartig im E-Sports sein“, sagt Rhys Courtney von Populous.
Zusätzlich soll es Streaming-Studios, Ausbildungszentren und Inkubatoren für Start-ups geben. Ziel ist es, Saudi-Arabien zu einem globalen Zentrum des digitalen Sports zu machen.
Mehr als nur Unterhaltung
Damit Qiddiya nicht nur als Spaßmaschine gilt, sind auch Kultur- und Bildungseinrichtungen vorgesehen. Dazu gehören ein großes Konzerthaus in den Bergen, ein Art Complex für Ausstellungen und Festivalgelände für Open-Air-Veranstaltungen.
Kooperationen mit Universitäten, etwa der University of Central Florida, sollen dafür sorgen, dass Fachkräfte für Tourismus, Eventmanagement und Sport ausgebildet werden. Für junge Talente entstehen Akademien in den Bereichen Kunst, Musik und Sport.
Stadion für die Fußball-WM 2034
Formel-1, Achterbahn, Wasserpark – ein Fußballstadion gehört ebenfalls zur Stadt in der Wüste. Mitten in Qiddiya City entsteht das Prince Mohammed bin Salman Stadium. Es soll nicht nur klassische Fußballspiele beherbergen, sondern eine neue Generation von Multifunktionsarenen verkörpern. Geplant ist ein wandelbares Spielfeld, das sich für Sportarten, Konzerte und sogar E-Sports-Events anpassen lässt. Ergänzt wird das Stadion durch eine Fassade aus LED-Glas, die je nach Veranstaltung unterschiedliche Lichteffekte und Informationen anzeigen kann.
Bis zu 46.000 Zuschauer sollen hier Platz finden. Für Konzerte lässt sich die Kapazität auf knapp 61.000 erhöhen. Das Stadion wird mit modernster Technologie ausgestattet sein, um den Fans sofortigen Zugriff auf Live-Daten und Informationen zu ermöglichen, darunter auch den Einsatz von Spitzentechnologie wie HoloBox, die virtuelle Interaktionen mit Prominenten und Stars ermöglicht.
Golf-Oase im Wüstenklima
Auch der Golfsport bekommt in Qiddiya seinen Platz. Geplant ist eine exklusive Golf-Community mit Villen, Hotels und einem Championship-Platz, der vom legendären Golfprofi Jack Nicklaus entworfen wird. Mitten im trockenen Klima der Tuwaiq-Berge soll so eine Oase für internationale Turniere und zahlungskräftige Besucherinnen und Besucher entstehen.
Die Planer versprechen, den Platz ressourcenschonend zu betreiben. Zum Einsatz soll aufbereitetes Abwasser kommen, das zur Bewässerung genutzt wird. Zudem sollen moderne Kühlsysteme den Wasserverbrauch begrenzen und die Hitze besser beherrschbar machen. Ganz ohne Ressourcenverschwendung wird ein Golfplatz in dieser Region aber kaum auskommen – ein Kritikpunkt, den Umweltschützer immer wieder anführen.
Die Vision 2030: Spielplatz mit politischer Mission
Qiddiya ist Teil der Vision 2030. Dieses Programm verfolgt mehrere Ziele: weniger Abhängigkeit vom Öl, Aufbau neuer Industrien und mehr Freizeitangebote für die Bevölkerung. Über 67 % der Saudis sind unter 35 Jahre alt. Viele von ihnen geben Geld für Reisen ins Ausland aus, weil es dort mehr Freizeitmöglichkeiten gibt. Mit Qiddiya soll dieses Geld im Land bleiben.
Laut Plan schafft die Stadt über 25.000 direkte Jobs. Außerdem soll sie jährlich rund 17 Milliarden Saudi-Riyal zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Doch es geht nicht nur um Wirtschaft. Saudi-Arabien will auch sein Image verändern: weg vom Bild des reinen Ölstaats, hin zu einem modernen Land, das Tourismus und Lifestyle großschreibt.
Kritik: Gigantismus im Wüstenstaat
So faszinierend die Pläne klingen – sie werfen Fragen auf.
- Erstens: Ein Wasserpark mit 22 Rutschen in einem Wüstenstaat wirkt widersprüchlich. Zwar soll recyceltes Wasser genutzt werden, doch der Bedarf bleibt enorm. Auch Energie für Kühlung, Beleuchtung und den Betrieb der Attraktionen ist gewaltig.
- Zweitens: Soziale Aspekte. Qiddiya richtet sich stark an eine junge, urbane Mittelschicht. Aber profitieren auch weniger wohlhabende Teile der Gesellschaft? Und wie frei sind Künstler*innen und Kulturschaffende in einem Land, das für seine Einschränkungen bekannt ist?
- Drittens: In Saudi-Arabien reiht sich ein Mega-Projekt ans nächste: NEOM, The Line, Jeddah Central – und nun Qiddiya. Kritiker fragen, ob solche Visionen mehr Show als Substanz sind.
Und schließlich: Nachhaltigkeit. Während das Land Milliarden in Freizeitparks steckt, bleibt die Frage, wie ernsthaft die Energiewende vorangetrieben wird. Vision 2030 betont zwar Diversifizierung, doch die Finanzen stammen weiterhin überwiegend aus Öl.

Ein eigener Themenpark widmet sich der Manga- und Anime-Reihe Dragon Ball.
Foto: picture alliance / Cover Images | Courtesy: Qiddiya/Cover Images
Zeitplan & Öffnung – nicht alles läuft nach Plan
Ursprünglich wollten die Verantwortlichen in Qiddiya schon 2023 erste Attraktionen eröffnen. Doch schnell zeigte sich, dass ein Projekt dieser Größe kaum ohne Verzögerungen auskommt. Heute ist klar: Der Start verschiebt sich. Die großen Themenparks, darunter Six Flags und Aquarabia, sollen noch 2025 ihre Tore öffnen. Auch die spektakuläre Achterbahn „Falcon’s Flight“ wird erst dann regulär fahren. Für die Motorsportwelt heißt es noch länger warten: Der Speed Park Track mit Formel-1-Rennen ist frühestens 2027 einsatzbereit.
Um diese ambitionierten Pläne dennoch zu sichern, greift die Qiddiya Investment Company zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Sie übernahm das saudische Entertainment-Unternehmen SEVEN, das bisher eigene Freizeitprojekte vorangetrieben hatte. Durch die Zusammenlegung sollen Know-how und Ressourcen gebündelt werden, damit die Zeitpläne gehalten werden können – nicht zuletzt im Hinblick auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2034, bei der Qiddiya mit seinem neuen Stadion eine Schlüsselrolle spielen soll.
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