Holzbau: Wie Mathematik komplexe Formen möglich macht
Ein TU-Wien-Spin-off entwickelt eine Methode, um aus flachem Holz komplexe 3D-Formen zu erzeugen – mithilfe von Mathematik, Gitterstrukturen und regionalem Holz.
Der FLEXGrid Pop-up Pavillon in Kuchl zeigt, wie regionales Holz und innovative Technik zu einer stabilen, geschwungenen Holzstruktur vereint werden.
Foto: Lukas Zeilbauer
Das Spin-off „Beyond Bending“ der TU Wien hat eine neue Methode entwickelt, mit der selbst komplexe, geschwungene Formen aus flachen Holzbrettern gebaut werden können. Die Grundlage ist ein spezielles, flaches Gitter, das sich einfach herstellen lässt. Wenn dieses Gitter aufgespannt wird, entsteht eine dreidimensionale Struktur – ganz genau in der gewünschten Form. Diese Technik nennt sich „FLEXGrid-Aufspannsystem“ und ist bereits patentiert. In Kuchl (Salzburg) wurde damit erfolgreich ein Pavillon gebaut – zehn Meter breit und vier Meter hoch. Damit ist gezeigt, dass das System auch in der Praxis funktioniert.
Holz in eine bestimmte Form biegen
Wie die Gründer auf ihrer Website erklären, sei das aktuelle Ziel die Entwicklung sogenannter FLEXGrids – elastischer Tragstrukturen, die sich durch das Biegen von Holz in eine bestimmte Form bringen lassen. Das Besondere daran sei, dass damit fast jede Wunschform umgesetzt werden könne: Designer legen eine Form fest, die passenden Gitterstrukturen würden dann automatisch berechnet. Beim Aufspannen nehme das FLEXGrid genau diese Form an. Das ermögliche ein materialeffizientes Design, eine einfache Herstellung, eine schnelle Montage – und der Einsatz von heimischem Holz mache das Ganze besonders nachhaltig.
„Das Grundprinzip faltbarer Gitter kennt man aus dem Baumarkt“, kommentiert Stefan Pillwein, einer der Firmengründer von Beyond Bending. „Man kann zum Beispiel Rankhilfen für den Garten kaufen, die aus parallelen Holzstäben bestehen. Die zieht man dann auseinander und es entsteht ein Gitter.“

Die komplexe Balance zwischen ästhetischer Krümmung und technischer Stabilität.
Foto: Lukas Zeilbauer
Auf Basis von Geodäten ein passendes Holzgitter berechnen
Pillwein entwickelte ein mathematisches Verfahren, mit dem sich auf Basis von sogenannten Geodäten ein passendes Holzgitter berechnen lässt. Wird dieses Gitter auseinandergezogen, entsteht daraus die gewünschte 3D-Form.
Damit das möglich wurde, war viel mathematische Forschung nötig. Stefan Pillwein, eigentlich Bauingenieur, wechselte dafür sogar das Fach: Er entwickelte die Methode im Rahmen seiner Dissertation an der Fakultät für Mathematik der TU Wien. „Man kann jede gewölbte Struktur über Geodäten charakterisieren“, sagt Stefan Pillwein. „Das sind die kürzesten Verbindungen zwischen zwei Punkten. Auf einer Ebenen ist das immer eine gerade Linie, auf einer gekrümmten Fläche hingegen eine Kurve.“
Wenn alle Holzstäbe parallel zueinander verlaufen, bleibt das Gitter flach. Zwar lassen sich durch Ziehen oder Stauchen die Winkel zwischen den Stäben verändern – Rechtecke werden dann zu Parallelogrammen –, doch die Struktur bleibt zweidimensional.
Anders ist es, wenn die Stäbe nicht parallel sind: Dann wölbt sich das Gitter beim Aufspannen in die dritte Dimension. Stefan Pillwein erklärt, dass die Struktur zunächst ganz einfach flach zusammengesetzt werde – ohne dass dabei Biegespannungen entstehen. Erst beim Aufspannen würden sich die Stäbe dann in die gewünschte gebogene Form biegen.

Spezielle vorgespannte Holzverbindungen sorgen für dauerhafte und zuverlässige Montage der FLEXGrid-Struktur.
Foto: Lukas Zeilbauer
Die Ingenieurkunst hinter den Holzstrukturen
„Wir legen einen großen Wert auf regionales Holz und Zerlegbarkeit. Dadurch ergeben sich auch hohe ingenieurwissenschaftliche Anforderungen – so mussten wir etwa eine spezielle vorgespannte Holzverbindung entwickeln und in zahlreichen Versuchen evaluieren, mit der die Holzteile dauerhaft und zuverlässig montiert werden können“, erklärt der andere Mitgründer Lukas Zeilbauer.
Bei der Entwicklung der FLEXGrid-Strukturen müssen drei Dinge gut aufeinander abgestimmt werden: die Krümmung der Fläche, das Aussehen und die Stabilität. Eine starke Krümmung kann zwar optisch spannend wirken, sie hat aber auch Nachteile – je stärker die Biegung, desto mehr werden die Holzstäbe belastet, was die Tragfähigkeit verringern kann. Die Herausforderung liegt also darin, eine ausgewogene Form zu finden, die gut aussieht, stabil ist und sich technisch umsetzen lässt.
Die Technologie wurde mithilfe des Patent- und Lizenzteams der TU Wien geschützt und zum Patent angemeldet.
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