Ellinikon Athen: Größtes Bauprojekt Europas nimmt Form an
Griechenlands Megaprojekt Ellinikon soll Stadtentwicklung neu denken – mit smarten Gebäuden, Küstenpark und Radwegen statt Autostraßen.

Der Masterplan von Ellinikon, so soll die Stadt einmal aussehen.
Foto: LAMDA Development
Wo einst Flugzeuge landeten, rollen heute Betonmischer: Auf dem stillgelegten Flughafengelände Hellinikon südlich von Athen entsteht ein ambitioniertes Projekt. Mit dem „Ellinikon“ baut Griechenland eine neue Stadt von Grund auf. Geplant ist nicht weniger als ein Musterbeispiel für nachhaltige, digital vernetzte Stadtentwicklung. Was genau dort entsteht, wer daran beteiligt ist und warum das Projekt Symbolcharakter für Griechenland hat – ein Überblick.
Inhaltsverzeichnis
- Eine Stadt auf Reset
- Vom Geisterflughafen zum Hoffnungsträger
- Eine Stadt der kurzen Wege
- Europas größter Küstenpark
- Wiederverwenden statt verschwenden
- Das höchste Wohngebäude Griechenlands
- Smart City made in Greece
- Infrastruktur für alle
- Tourismus, Shopping, Glücksspiel
- Ökonomischer Schub für Griechenland
- Wie es weitergeht
Eine Stadt auf Reset
Zwischen Meer, Bergen und Metropole entsteht in Athen eine neue Stadt – auf dem Gelände eines alten Flughafens. Was heute noch als Baustelle erscheint, soll in wenigen Jahren zu einem Lebensraum für über 10.000 Menschen, zu einem Arbeitsort für bis zu 80.000 Beschäftigte und zu einem Reiseziel für Millionen von Touristen werden. Der Name: Ellinikon. Das Ziel: Eine neue Stadt, die alle Anforderungen des 21. Jahrhunderts erfüllt – ökologisch, technologisch, sozial.
Der frühere Hellenikon International Airport ist heute Europas größtes urbanes Entwicklungsprojekt. 620 Hektar groß, dreimal so groß wie Monaco. Was hier entsteht, ist nicht nur ein Stadtviertel, sondern ein neues Modell des Zusammenlebens. Odysseas Athanasiou, CEO von Lamda Development, bringt es so auf den Punkt:
„Wir erschaffen in Ellinikon eine neue Stadt, die Griechenland an die Spitze des ‚Smart Living‘, der Nachhaltigkeit und der Innovation stellt.“
Vom Geisterflughafen zum Hoffnungsträger
Das Gelände, auf dem heute Baukräne stehen, war einst das Tor zur Welt. Hier starteten und landeten Maschinen der Olympic Airways, hier kreuzten sich jahrzehntelang Fluglinien zwischen Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Doch 2001 war Schluss: Der neue Flughafen Eleftherios Venizelos übernahm. Zurück blieb ein riesiges Areal – ungenutzt, politisch umstritten und zunehmend marode.
Erst mit der Schuldenkrise kam Bewegung in das Projekt. 2014 erhielt Lamda Development den Zuschlag, das Gelände für 915 Millionen Euro auf 99 Jahre zu pachten und zu entwickeln – eine der Auflagen im Rahmen der Hilfskredite an Griechenland. Die Planung lag in den Händen renommierter Architekturbüros, darunter Foster + Partners aus London. Seit 2020 rollen die Bagger. Bis 2036 soll alles fertig sein.
Eine Stadt der kurzen Wege
Ellinikon ist als sogenannte „15-Minuten-Stadt“ konzipiert. Das heißt: Alles, was man zum Leben braucht – Schule, Arztpraxis, Lebensmittelgeschäft, Sportplatz oder Café – soll in 15 Minuten zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar sein. Die Planer*innen wollen so den motorisierten Individualverkehr deutlich reduzieren. Öffentlicher Nahverkehr, Mikromobilität mit E-Scootern, Bike-Sharing und ein modernes Fuß- und Radwegenetz ersetzen das klassische Auto.
Die Infrastruktur folgt einem durchdachten Muster: Rad- und Gehwege auf 50 Kilometern Länge, ein öffentlich zugänglicher Strand von einem Kilometer, eine neue U-Bahn-Verbindung, smarte Verkehrssteuerung und digitale Assistenzsysteme sollen den Alltag effizient gestalten. Und: Die wichtigste Straße des Areals wird unter die Erde verlegt, um oberirdisch Platz für Grünflächen zu schaffen.

So soll der Hafen von Ellinikon einmal aussehen.
Foto: LAMDA Development
Europas größter Küstenpark
Mitten im neuen Stadtgebiet entsteht ein Park, der Maßstäbe setzen soll: 2,6 Millionen Quadratmeter Grünfläche, mehr als der Londoner Hyde Park. Der sogenannte Ellinikon Park bietet Platz für Spaziergänge, Sport, Kulturveranstaltungen und Naturbeobachtung. Sieben grüne Täler durchziehen das Gelände – sogenannte „Softscapes“. Sie leiten Regenwasser aus den umliegenden Hügeln in den Park, sorgen für natürliche Bewässerung und bilden gleichzeitig neue topografische Ebenen.
Etwa 80 % des verwendeten Wassers stammen aus natürlichen Quellen, die bereits auf dem Gelände vorhanden sind. Downhill-Mountainbike-Strecken, Picknickterrassen, Amphitheater, Spielplätze und botanische Gärten sind geplant – ein Park für alle, nicht nur für Anwohner*innen.
Wiederverwenden statt verschwenden
Bevor die Hochhäuser in den Himmel wachsen, wurde zuerst tief gegraben: Mehr als 300 Stahlbetonpfeiler mit einer Tiefe von bis zu 55 Metern stützen das Fundament des neuen Wahrzeichens – des Riviera Towers. Gleichzeitig wurde der alte Flughafen systematisch zurückgebaut. Der Beton der ehemaligen Landebahnen wird vor Ort recycelt und für Straßen und Hangsicherungen wiederverwendet. Insgesamt werden rund eine Million Kubikmeter Abbruchmaterial auf diese Weise im Kreislauf gehalten.
Ein zentrales Ziel des Projekts: Netto-Null-Emissionen. Gebäude werden nach dem LEED-Standard zertifiziert, also einem weltweit anerkannten Nachhaltigkeitslabel. Auch der Riviera Tower erreicht bereits das Gold-Level. Seine Fassade wird begrünt und mit Regenwasser aus den Terrassen bewässert. Das soll die Temperatur im Inneren senken und die Kühlungskosten reduzieren.

Der Riviera Tower soll einmal das höchste Wohngebäude Griechenlands werden.
Foto: LAMDA Development
Das höchste Wohngebäude Griechenlands
207 Meter hoch, 53 Etagen, 169 Wohnungen – der Riviera Tower wird das höchste Gebäude des Landes. Noch bevor die erste Etage stand, waren sämtliche Wohneinheiten verkauft. Der Quadratmeterpreis: zwischen 14.000 und 32.000 Euro. Für griechische Verhältnisse ist das eine neue Dimension – allerdings im internationalen Vergleich nicht ungewöhnlich. Der Bau richtet sich an eine zahlungskräftige Zielgruppe. Trotzdem betont Lamda Development, dass Ellinikon keine reine Luxus-Enklave werden soll.
Neben dem Riviera Tower entsteht ein weiteres Hochhaus, der Vouliagmenis Mixed Use Tower mit 150 Metern Höhe. Er bietet Büroflächen, ein Hotel für Geschäftsreisende und direkten Anschluss an zwei U-Bahn-Stationen.
Smart City made in Greece
Ellinikon versteht sich als Smart City. Das heißt: Daten, Sensoren, Vernetzung und digitale Dienste spielen eine zentrale Rolle. Ein paar Beispiele:
- Intelligente Straßenbeleuchtung, die sich an Tageslicht und Jahreszeit anpasst
- Sensoren für Luftqualität und Lärm
- Apps für Navigation, Buchung und Zahlung
- 5G- und Glasfasernetze für hohe Konnektivität
- Gebäudeautomation per IoT – vom Licht bis zur Raumtemperatur
- Digitale Plattformen für barrierefreie Mobilität und Informationsangebote
Auch der Energieverbrauch soll optimiert werden: mit intelligenten Stromnetzen, energieeffizienter Architektur und Mikroklima-Analysen, die auf Luftströmungen, Feuchtigkeit und Sonnenstand reagieren. Dadurch können etwa die Heizkosten gesenkt werden.

Es wird tatsächlich gebaut: So sah der Riviera Tower im August 2024 aus.
Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Aristidis Vafeiadakis
Infrastruktur für alle
Ellinikon soll nicht nur schick, sondern auch sozial sein. Bereits 2023 wurde das erste fertiggestellte Gebäude übergeben – ein Zentrum für Menschen mit Behinderungen. Es soll europaweit als Vorbild dienen. Weitere öffentliche Einrichtungen sind in Planung: Kindergärten, Schulen, eine Klinik, Kulturzentren und Sportanlagen. Für Letztere entsteht ein Areal mit mehreren Schwimmbecken, Tennisplätzen, Hallen für Gymnastik und Fechten, Basketballfeldern und vielem mehr.
Tourismus, Shopping, Glücksspiel
Griechenlands größte privat finanzierte Investition soll sich auch wirtschaftlich lohnen. Zwei große Einkaufszentren – die Vouliagmenis Mall und die Riviera Galleria – sollen internationales Publikum anziehen. Noch spektakulärer dürfte jedoch der Kasinokomplex werden, der gemeinsam mit Hard Rock International realisiert wird.
Das Integrated Casino Resort umfasst:
- ein Fünf-Sterne-Hotel mit 1000 Zimmern
- eine Spielhalle mit 200 Tischen und 2000 Automaten
- ein Kongresszentrum
- ein Showtheater
- eine Sportarena mit 10.500 Plätzen
Schätzungen zufolge könnte der Glücksspielkomplex jährlich 200 Millionen Euro an Steuereinnahmen einspielen. Über die gesamte Laufzeit von 30 Jahren wären das rund 6 Milliarden Euro.

Die verschiedenen Gebäude von Ellinikon sollen bis 2036 fertiggestellt sein.
Foto: LAMDA Development
Ökonomischer Schub für Griechenland
Das Projekt soll langfristig 2,4 % zum Bruttoinlandsprodukt Griechenlands beitragen. 70.000 bis 80.000 neue Jobs sind geplant – direkt und indirekt. Der Tourismus soll um über eine Million zusätzliche Gäste jährlich wachsen. Die erwarteten Steuereinnahmen: 14 Milliarden Euro über die Projektlaufzeit.
Kyriakos Mitsotakis, Premierminister Griechenlands, bringt es auf eine einfache Formel: „Ellinikon symbolisiert das neue Griechenland, wie wir es uns vorstellen.“
Wie es weitergeht
Die erste große Bauphase soll bis 2026/2027 abgeschlossen sein. Dann sollen zentrale Infrastruktureinrichtungen stehen: Verkehrswege, erste Wohngebäude, Grünflächen, Bildungseinrichtungen. Bis 2036 folgt die vollständige Fertigstellung. Dann soll Ellinikon nicht nur ein neues Stadtviertel Athens sein – sondern ein Aushängeschild dafür, wie urbane Entwicklung in Zukunft aussehen kann.
Und doch bleibt eine zentrale Frage offen: Wer wird tatsächlich dort leben – und zu welchen Preisen? Quadratmeterpreise von bis zu 32.000 Euro sind für viele unbezahlbar. Der Erfolg des Projekts wird sich auch daran messen lassen müssen, wie durchmischt die spätere Bewohnerschaft tatsächlich ist – oder ob Ellinikon zur Hochglanzinsel für eine wohlhabende Minderheit wird.
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