Ingenieurbüros vor der Insolvenz: Was jetzt zu tun ist
Immer weniger Ingenieurbüros werfen Gewinn ab, immer mehr von ihnen geraten in existenzielle Not. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit müssen Inhaber schnell handeln, um ihren Betrieb womöglich erhalten zu können.
In Bedrängnis: Die schlechte wirtschaftliche Lage macht auch vor den Ingenieurbüros nicht halt.
Foto: panthermedia.net / Diego Cervo
Die anhaltende Konjunkturflaute in Deutschland schlägt sich auch in der Anzahl der insolventen Firmen nieder. Nach einer Hochrechnung der Auskunftei Creditreform beläuft sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im 1. Halbjahr 2025 auf 11.900 – ein Anstieg um 9,4 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Es ist der höchste Wert seit 2015. Die Inflation der vergangenen Jahre, vor allem die gestiegenen Energiekosten, aber auch die Kaufzurückhaltung und bürokratische Lasten gelten als einige der Ursachen des Anstiegs der Insolvenzen.
Die Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz sah zudem bereits 2020 den Wegfall der Mindest- und Höchstsätze in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) als Bedrohung für Ingenieurbüros an – es sei die Gefahr eines ruinösen Unterbietungswettbewerbs gegeben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 04.07.2019 entschieden, dass die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen Europarecht verstoßen. Deshalb musste die Bundesregierung die HOAI derart ändern, dass die Vorgaben zum Honorar ab 2021 nur noch Empfehlungscharakter haben.
Durch Fachkräftemangel unter Druck
In einer aktuellen Befragung zur wirtschaftlichen Situation der Architektur- und Ingenieurbüros von IW Consult, beauftragt u. a. von der Bundesingenieurkammer, gaben nur 84 % der 2500 Teilnehmer an, dass ihr Büro einen Gewinn erzielt; im Vorjahr waren es noch 97 % gewesen. Von den Inhabern von Ingenieurbüros berichteten 40 % von einem abnehmenden und 27 % von einem zunehmenden Auftragsbestand. „Durch den Fachkräftemangel sehen sich die Büros in den nächsten Jahren zusätzlich unter Druck“, wird Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, in einer Mitteilung seiner Institution zitiert.
Alarmsignale einer drohenden Insolvenz
Durch die schwierigen Rahmenbedingungen ist für Ingenieurbüros das Risiko gestiegen, sich auf eine Insolvenz zuzubewegen. Denn die Gründe für eine Zahlungsunfähigkeit liegen meist nicht nur beim Unternehmen, sondern oft auch bei dessen Kunden, etwa in Form von Projektverzögerungen oder schlechter Zahlungsmoral. Wer ein Ingenieurbüro betreibt, sollte schon aus Gründen des Fortbestands auf mögliche Alarmsignale achten. Darüber hinaus verpflichtet auch das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) seit 2021 alle „haftungsbeschränkten Unternehmensträger“ (§ 1), Maßnahmen zur Krisenfrüherkennung und -prävention zu ergreifen.
Nach Insolvenzrecht ist ein Unternehmer zahlungsunfähig, „wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“ (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO – Insolvenzordnung). Als grobe Richtschnur wird allgemein eine Zahlungsunfähigkeit angenommen, wenn mehr als 10 % der Rechnungen nicht mehr zeitnah beglichen werden können. Weitere Eröffnungsgründe für ein Insolvenzverfahren sind die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO). Letztere ist laut dem Gesetz gegeben, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt“ (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO) und die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten eher unwahrscheinlich ist.
Drohende Zahlungsunfähigkeit: Wenn die Kosten schneller steigen als der Umsatz
Der Unternehmensberater und Fachautor Jörgen Erichsen aus Leverkusen nennt eine konkrete Kennzahl, die Unternehmer im Blick behalten sollten: Wenn die Forderungsquote steigt, also die Höhe der Forderungen im Verhältnis zur Bilanzsumme immer weiter zunimmt, dann könnten Mängel im Forderungsmanagement (u. a. Mahnungen) zu einer wirtschaftlichen Schieflage führen. „Ein weiterer Indikator ist der Umstand, dass die Kosten über Monate hinweg schneller steigen als der Umsatz“, sagt Erichsen. Wolfgang Seelig vom Schuldner-Insolvenz-Centrum in Leinfelden-Echterdingen rät Unternehmern, sich nach Möglichkeit alle 14 Tage mit der Buchhaltung oder der Steuerberatung die Unternehmenszahlen anzusehen.
Weitere mögliche Alarmsignale sind:
- Viele Kunden liefern aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Unternehmen nur noch auf Vorkasse.
- Die Hausbank fragt an, ob die nächste fällige Kreditrate gezahlt werden kann.
- Die Beschäftigten können nicht mehr pünktlich bezahlt werden.
- Das Eigenkapital/die Rücklagen sind nahezu aufgebraucht.
Möglichkeiten, die sich aus frühzeitigem Handeln ergeben
Wegen der Haftungsbeschränkung sind Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, z. B. einer GmbH, verpflichtet, innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn eine Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung festgestellt wird. Anderenfalls droht ihnen ein Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung; außerdem können Gläubiger Schadenersatzansprüche gegen sie geltend machen. Doch auch für Personen- und Partnerschaftsgesellschaften oder Selbstständige lohnt es sich, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich die wirtschaftliche Situation der Firma unaufhaltsam verschlechtert.
Denn das oben erwähnte StaRUG bietet die Möglichkeit, bereits vor einer möglichen Insolvenz einen Restrukturierungsplan zu erstellen, der stark an den Insolvenzplan angelehnt ist. Dem Restrukturierungsplan müssen (nur) 75 % der Gläubiger und Gesellschafter zustimmen, um ihn vor dem zuständigen Gericht als verbindlich für alle erklären zu lassen. Eine weitere Möglichkeit, als Unternehmer noch die Kontrolle über seine Firma zu bewahren, ist der Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (§ 270 ff. InsO); dann übernimmt nicht der Insolvenzverwalter die Führung der Geschäfte, sondern den Geschäftsführern wird ein Sachwalter zur Seite gestellt.
Stellung des Insolvenzantrags, Durchführung des Insolvenzverfahrens
Eine dazu einzureichende Eigenverwaltungsplanung hat vor dem Insolvenzgericht allerdings nur eine Chance, wenn der Plan den Weg zum Fortbestehen des Unternehmens plausibel beschreiben kann und die Gläubiger gegenüber einem Regelinsolvenzverfahren nicht im Nachteil sind. Schuldnerberater Seeliger schätzt, dass die Eigenverwaltung für höchstens 2 % seiner Klienten in Frage kommt. Allerdings stehen die Chancen für Ingenieurbüros womöglich besser, da in der Regel das Betriebsvermögen vor allem im Know-how der Inhaber und der leitenden Angestellten besteht. Wenn die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten ist, kann eine Sonderform der Eigenverwaltung, das Schutzschirmverfahren, zum Einsatz kommen.
Im besten Fall kommt es nicht zur Insolvenz, weil sich der Geschäftsführer frühzeitig Hilfe bei kompetenten Beratern holt. Allerdings haben Unternehmensberater Erichsen und viele seiner Kollegen die Erfahrung gemacht, dass eine Unternehmensberatung meist von Unternehmen in Anspruch genommen wird, die bereits gut sind und noch besser werden möchten. Doch spätestens, wenn die Zahlungsunfähigkeit erreicht ist, sollte man sich beraten lassen, betont Schuldnerberater Seeliger. „Das Behördendeutsch in den Formularen ist nicht für jeden verständlich und Fehler oder Versäumnisse können bei einem Insolvenzantrag verheerend sein“, betont er.
Bei persönlicher Haftung: Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenz
Der Insolvenzantrag beim Amtsgericht am Unternehmenssitz kann sowohl vom Schuldner als auch von einem Gläubiger (häufig eine Bank, das Finanzamt oder eine Krankenkasse) gestellt werden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das Ziel des Insolvenzverfahrens ist, dass die Gläubiger möglichst viel von dem Geld, das ihnen zusteht, erhalten, wobei kein Gläubiger bevorzugt werden soll (§ 1 InsO). Der Insolvenzverwalter kann dazu das Unternehmen sanieren, er kann aber auch Teile davon verkaufen oder es komplett zerschlagen oder auflösen. Wieder gilt: Je früher der Schuldner handelt und je geringer das Ausmaß der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung ist, desto eher kann das Unternehmen erhalten bleiben.
Ist der Schuldner eine natürliche Person, empfiehlt Seeliger, auf jeden Fall selbst – mit professioneller Hilfe – einen Insolvenzantrag zu stellen. Denn nur dann besteht die Möglichkeit, eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren zu erlangen (§§ 286 bis 303a InsO). Das bedeutet, dass die Verbindlichkeiten, die die Gläubiger nicht im Insolvenzverfahren erhalten haben, getilgt sind und der Schuldner schuldenfrei wird. Ist der Schuldner nicht mehr selbstständig tätig, kann er über das Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 bis 311 InsO) ebenfalls eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren erreichen, wenn er sich an alle Auflagen hält.
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