Deutschen Unternehmen fehlt der Plan: Wo der Wandel scheitert
Deutsche Unternehmen sind grundsätzlich wandlungsfähig, aber nicht konsequent genug. Eine neue Fraunhofer-Studie zeigt, dass es an klaren Transformationszielen, breitem KI-Einsatz und diverser Führung mangelt.
Neue Fraunhofer-Studie: Viele Unternehmen sind wandlungsfähig, aber schlecht vorbereitet. Es fehlen Visionen, KI-Strategien und Netzwerke.
Foto: Funtap/Smarterpix
Technologischer Wandel, geopolitische Unsicherheiten und ständiger Wettbewerbsdruck zwingen Unternehmen dazu, sich kontinuierlich anzupassen. Hier setzt der Frauenhofer-Transformationsindex 2025 an, der systematisch misst, wie gut deutsche Unternehmen für diesen permanenten Wandel aufgestellt sind. Grundlage ist eine Befragung von 500 Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen.
Das Wichtigste zuerst
- Befragung von 500 Unternehmen verschiedener Größen und Branchen.
- Unternehmen sind wandlungsfähig, setzen Transformation aber nicht konsequent um.
- 39 % der Unternehmen haben keine klare Zukunftsvision.
- Mitarbeitende werden oft nicht aktiv genug eingebunden, trotz hoher Offenheit und Weiterbildung.
- Besonders betroffen sind kleine und mittlere Unternehmen.
- Handlungsempfehlungen des Fraunhofer-Instituts.
Der Transformationsindex basiert auf dem sogenannten FORTE-Modell, das fünf zentrale Erfolgsdimensionen bündelt: Führung, Organisationskultur, Ressourcen, Technologien sowie „Ecosystems“ und Markt.
Inhaltsverzeichnis
Die klare Vision fehlt
Eines der auffälligsten Ergebnisse der Studie ist der Mangel an strategischer Orientierung: 39% der befragten Unternehmen verfügen über keine klare Zukunftsvision. Viele Führungskräfte betonen zwar die grundsätzliche Bedeutung einer Vision, da eine gemeinsame Zielvorstellung als Voraussetzung gilt, Investitionen zu priorisieren, Mitarbeitende mitzunehmen und technologische Entscheidungen sinnvoll einzuordnen. In der Praxis bleibt der Anspruch häufig, aber folgenlos.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die Zusammensetzung des Managements. Nur 38 % der Unternehmen berichten von ausgeprägten internationalen Erfahrungen in der Führungsebene. Noch gravierender ist die Situation bei der Geschlechterdiversität. Ein Viertel der Unternehmen hat keine einzige Frau in Führungspositionen, im Durchschnitt ist lediglich etwa ein Viertel der Managementrollen weiblich besetzt. Gerade im produzierenden Gewerbe fällt der Frauenanteil besonders niedrig aus. Die Studie verweist darauf, dass mangelnde Diversität die Perspektivenvielfalt einschränkt und damit die Fähigkeit zur Erneuerung schwächt.
Organisationskultur und Zusammenarbeit
Transformation gelingt dort besser, wo Mitarbeitende aktiv einbezogen werden und Veränderung nicht nur verordnet, sondern gemeinsam gestaltet wird. In der Praxis ist dieses Ideal jedoch nur teilweise erreicht. Knapp die Hälfte der Unternehmen bindet ihre Beschäftigten eher aktiv in Veränderungsprozesse ein, lediglich 28 Prozent tun dies sehr aktiv.
Gleichzeitig zeigt die Studie aber auch, dass vielerorts die Grundlagen für solche Visionen vorhanden sind. Rund drei Viertel der Unternehmen beschreiben sich als offen gegenüber Neuerungen, etwa 70 % beobachten systematisch Trends und Marktentwicklungen. Auch Weiterbildung ist fest verankert. 83 % der Unternehmen fördern regelmäßige Qualifizierungsmaßnahmen. Diese Faktoren stärken zwar die grundsätzliche Anpassungsfähigkeit, ersetzen aber keine strategische Klarheit.
Hinzu kommt, dass strukturierte Innovationsprozesse vor allem in größeren Unternehmen verbreitet sind. Kleinunternehmen verfügen deutlich seltener über formalisierte Verfahren zur Ideengenerierung und Umsetzung.
Ressourcen sind knapp und Networking wird auch nicht betrieben
Neben der fehlenden Vision erweist sich besonders das finanzielle und die externe Vernetzung als zentrale Hemmschwelle der Transformation. Der Transformationsindex zeigt hier deutliche strukturelle Unterschiede nach Unternehmensgröße. Während sich 31 % der Großunternehmen finanziell sehr gut auf kommende Transformationsprozesse vorbereitet sehen, trifft dies nur auf 16 % der kleinen Unternehmen zu.
Diese begrenzten Ressourcen wirken sich unmittelbar auf die strategische Handlungsfähigkeit aus. Unternehmen mit knappen Budgets neigen dazu, Maßnahmen aufzuschieben oder nur Schritt für Schritt umzusetzen. Die Studie legt nahe, dass finanzielle Vorsicht zwar kurzfristig Stabilität schafft, langfristig jedoch Anpassungsfähigkeit kostet.
Hinzu kommt, dass deutscher Unternehmen ihre externen Netzwerke nicht ausreichend nutzen. Nur rund die Hälfte der befragten Unternehmen unterhält aktive Partnerschaften mit externen Akteuren wie Hochschulen, Start-ups oder spezialisierten Dienstleistern. Gerade diese Kooperationen gelten doch als entscheidend, um Zugang zu neuem Wissen, Technologien und Märkten zu erhalten.
Auch die Einbindung zentraler Marktakteure bleibt begrenzt. Kunden und Zulieferer werden häufig nur moderat in strategische Entscheidungen einbezogen, obwohl gerade ihre Perspektiven helfen könnten, Marktveränderungen frühzeitig zu erkennen.
KI ist weiterhin in der Warteschlange
Deutlich wird auch die hohe Hemmschwelle vieler Unternehmen beim Thema KI: Zwar sind datenbasierte Entscheidungen in deutschen Unternehmen längst etabliert, doch der Schritt von klassischer Datenanalyse hin zu systematischem KI-Einsatz gelingt nur wenigen. Nur 30% geben an, KI auf möglichst vielen Unternehmensebenen einzusetzen. Dabei soll KI in der Produktentwicklung die Zukunft sein
Auffällig ist, dass diese Zurückhaltung offensichtlich nicht auf fehlende Datengrundlagen zurückzuführen ist. Rund 88 % der Unternehmen nutzen vorhandene Daten eher stark oder sehr stark für ihre Geschäftsentscheidungen. Die technische Basis ist also vielfach vorhanden, wird aber nicht konsequent weiterentwickelt. KI-Anwendungen bleiben daher häufig auf einzelne Pilotprojekte beschränkt, etwa in der Prozessoptimierung oder Analyse, ohne in Kernprozesse, Steuerungsmechanismen oder strategische Entscheidungen integriert zu werden.
Besonders ausgeprägt ist dieses Muster bei kleinen und mittleren Unternehmen. Während Großunternehmen zumindest häufiger probieren KI in ihre Prozesse zu etablieren, fehlt es im Mittelstand oft an Ressourcen, klaren Anwendungsstrategien und internem Know-how.
Wie können die Erkenntnisse in der Praxis genutzt werden?
Der Fraunhofer-Transformationsindex versteht sich auch als Orientierungshilfe für konkrete unternehmerische Entscheidungen.
Entwicklung einer klaren Transformationsvision
Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen fehlt bislang ein solches Zielbild. Eine Vision, die eng mit der Organisationskultur verknüpft ist, erleichtert es, Prioritäten zu setzen und Mitarbeitende aktiv einzubinden.
Diversität im Management
Die Studie zeigt, dass Unternehmen mit diversen Führungsteams transformationsfähiger sind. Dennoch haben rund 25 Prozent keine Frauen in Führungspositionen. Gerade im produzierenden Gewerbe bleibt damit wertvolle Perspektivenvielfalt ungenutzt.
Innovationsprozesse stärker strukturieren
Ideen für Innovationen müssen systematisch entwickelt und umgesetzt werden. Großunternehmen sind hier oft besser aufgestellt als kleine und mittlere Unternehmen. Kleinunternehmen sollten ihre Prozesse zur Ideengenerierung und Umsetzung systematisch etablieren, um ihre Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen zu stärken.
Einsatz von Künstlicher Intelligenz
Besonders Kleinunternehmen und mittlere Unternehmen können von einer breiteren und strategischeren Integration von KI profitieren, um ihre digitale Kompetenz und Effizienz zu steigern.
Trendradar-Routine
Die Suche nach Trends und relevanten Marktinformationen ist ein wichtiger Hebel für die Innovationsfähigkeit. Ein kontinuierliches Trendradar kann helfen, Veränderungen früher zu erkennen und Innovationsentscheidungen fundierter zu treffen.
IT-Systeme schlank halten
Großunternehmen haben häufig eine Vielzahl von IT-Systemen, die durch ihre Komplexität die Anpassungsfähigkeit beeinträchtigen können. Die Harmonisierung und Standardisierung der IT-Infrastruktur wird Großunternehmen dabei helfen, ihre Transformationsprozesse effektiver zu gestalten.
Ökosysteme aufbauen und auch nutzen
Nur knapp die Hälfte der Unternehmen nutzt ihre bereits aufgebauten Partnerschaften wirklich aktiv. Der Aufbau von Ökosystemen und die Integration externer Kompetenzen in das eigene Unternehmen bietet die Möglichkeit, ihre Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit signifikant zu erhöhen.
Komplementäre Güter weiterentwickeln
Ein starkes Vertriebsnetz, eine etablierte Marke und ein hochwertiger Kundenservice sind entscheidend für den Markterfolg von Innovationen und für die Transformationsfähigkeit von Unternehmen. Kleinunternehmen verfügen häufig in geringerem Maße über diese komplementären Güter und können durch gezielte Investitionen ihre Marktposition deutlich stärken
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