Wie Unternehmen Bewerbungen lesen: Ein Blick hinter die Kulissen
Warum bekommen Bewerber Absagen, obwohl sie perfekt passen? Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen und zeigen, wie Unternehmen Bewerbungen lesen. Der Personalberater Henrik Zaborowski erklärte es beim VDI nachrichten Recruiting Tag in Köln.
Recruitingexperte Henrik Zaborowski.
Foto: Henrik Zaborowski
Warum werden Kandidatinnen und Kandidaten abgelehnt, obwohl sie auf dem Papier perfekt für eine Stelle erscheinen? Beim VDI nachrichten Recruiting Tag in Köln gab ein erfahrener Personalberater Henrik Zaborowski einen ehrlichen Einblick in die oft chaotische Welt der Unternehmensrekrutierung. Unter dem Titel „Wie Unternehmen Bewerbungen lesen“ erklärte er in seinem Vortrag, warum die Realität in Unternehmen häufig ganz anders aussieht, als Bewerberinnen und Bewerber erwarten.
„Viele Menschen denken ja, dass Unternehmen hochprofessionell im Recruiting sind. Oder sie haben zumindest die Hoffnung. Und ich muss dazu sagen: Das ist nicht der Fall“, so Henrik Zaborowski.
Unklare Anforderungen und chaotische Prozesse
Eines der größten Probleme: Das Anforderungsprofil ist oft unklar.
„Viele haben gar keine Zeit und gar keine Lust, sich hinzusetzen und mal ganz exzellent ein Anforderungsprofil zu schreiben. Was muss diese Person konkret machen und was muss sie dafür können? Das ist alles irgendwo unbestimmt im Kopf“, erklärte der Recruitingexperte.
In der Praxis sieht das so aus: Eine Stelle wird frei, HR veröffentlicht eine Anzeige, doch weder die Personalabteilung noch die Führungskraft wissen genau, wen sie eigentlich suchen. „Während des Bewerbungsprozesses merkt die Führungskraft plötzlich, dass sie jemanden ganz anderen braucht“, erläuterte Henrik Zaborowski. Genau damit hatte er viele Erfahrungen gesammelt.

Zwischen Lebenslauf und Vorstellungsgespräch: So treffen Unternehmen ihre Auswahl.
Foto: Rolf Beiersdorff
Der Mythos vom Perfect Match
Unternehmen suchen häufig nach Kandidaten, die exakt den Job schon einmal in einer ähnlichen Branche ausgeübt haben. „Der Perfect Match soll ein gutes Gefühl erzeugen. Das gute Gefühl kriege ich immer dann, wenn ich jemanden bekomme, der genau den Job schon mal gemacht hat – gleiche Branche, gleiche Unternehmensgröße, gleiche Tools. Das ist völliger Blödsinn, aber so denken viele.“
Diese Erwartung führt aber dazu, dass Lebensläufe stark nach Schlüsselwörtern durchsucht werden und Bewerberinnen und Bewerber nur nach oberflächlichen Kriterien bewertet werden.
Die harte Realität für Bewerbende
Zaborowski machte deutlich, dass Bewerbungen oft rein interpretiert werden: „Was genau habt ihr gemacht? Welche Verantwortung hattet ihr? Welche Erfolge könnt ihr vorweisen? Alles andere ist Interpretation.“
Selbst im Vorstellungsgespräch ist der Ausgang oft unklar: „Die Führungskraft ist total nett, du verstehst dich gut – aber nach fünf Minuten merkt sie, das passt fachlich überhaupt nicht. Trotzdem bekommst du es nicht gesagt. Zwei Tage später kommt die Absage.“
Praktische Tipps: Kontakte, Erfolge, Parallelen
Um die Chancen zu verbessern, rät der Recruitingexperte: persönliche Kontakte nutzen. LinkedIn, Fachmessen oder direkte Ansprache von Entscheidungsträgern erhöhen die Wahrscheinlichkeit, überhaupt eingeladen zu werden. „Versucht über persönliche Kontakte irgendwo den Fuß in die Tür zu kriegen“, so seine Empfehlung.
Darüber hinaus sollten Bewerberinnen und Bewerber ihre Erfolge sichtbar machen und Parallelen zu der angestrebten Position aufzeigen – besonders beim Branchenwechsel: „Wenn ihr eure Karriere ändern wollt, versucht das intern, weil euch da die Leute schon kennen. Nach außen habt ihr kaum Chancen.“
Absagen sind oft kein persönlicher Fehler
Ein zentraler Punkt seines Vortrags: Absagen spiegeln selten die Qualifikation der Bewerber wider.
„In den allermeisten Fällen liegt es nicht an deinem Lebenslauf oder deinem Engagement, sondern schlicht daran, dass eine objektive Personalvorauswahl anhand eines Lebenslaufes bei 30 und mehr Bewerbungen einfach nicht möglich ist. Wenn du nicht nach Mr. Perfect aussiehst, bekommst du die Absage. Das ganze System kann nicht perfekt funktionieren – es ist eine Krücke, mit der wir arbeiten.“
Für Berufseinsteiger ist die Situation besonders schwierig: Viele Unternehmen erhalten Hunderte Bewerbungen auf einzelne Stellen, sodass fachlich aussortiert wird, bevor ein Gespräch überhaupt stattfindet.

Spannung im Raum: Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgen aufmerksam die Tipps zum Lesen von Bewerbungen beim Recruiting Tag.
Foto: Rolf Beiersdorff
Realität kennen, Chancen erhöhen
Henrik Zaborowski machte es deutlich: Bewerbungsprozesse sind oft undurchsichtig und stark von subjektiven Eindrücken geprägt. Wer erfolgreich sein will, sollte Netzwerke nutzen, Erfolge sichtbar machen, Parallelen zu früheren Positionen aufzeigen und verstehen, dass Absagen häufig nichts mit der eigenen Qualifikation zu tun haben.
Sein Buch „Absage? Aber ich passe doch perfekt!“ fasst diese Erfahrungen zusammen und bietet praxisnahe Tipps, wie Bewerberinnen und Bewerber ihre Chancen im unübersichtlichen Recruiting-Dschungel verbessern können.
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