Warum Recruiter heute an ihre Grenzen stoßen
Wie schwer ist es für Recruiter, heute die richtigen Fachkräfte zu finden? Der XING Arbeitsmarktreport 2025 zeigt, wie Fachkräftemangel, hohe Bewerbererwartungen und steigender Unternehmensdruck Recruiter in Deutschland, Österreich und der Schweiz vor große Herausforderungen stellen.
Recruiter in Deutschland stehen unter enormem Druck: Fachkräftemangel, steigende Bewerbererwartungen und wachsender Unternehmensdruck machen die Besetzung offener Stellen immer schwieriger.
Foto: PantherMedia / Andriy Popov
Inhaltsverzeichnis
Eine Stelle zu besetzen – leicht oder schwer? Für viele HR-Abteilungen in Deutschland ist die Antwort klar: schwerer denn je. Der Druck wächst, die Anforderungen steigen und die Wertschätzung bleibt aus. Mehr als die Hälfte der Personalverantwortlichen (54 %) fühlt sich inzwischen stark emotional belastet – 2024 waren es noch 35 %.
Gleichzeitig berichten 56 % von geringer Anerkennung durch ihre Arbeitgeber, während die Erwartungen immer weiter nach oben geschraubt werden. Dazu kommt der Fachkräftemangel, der das Recruiting zunehmend zur Zerreißprobe macht. Das sind Ergebnisse des neuen XING Arbeitsmarktreports 2025, für den das Marktforschungsinstitut Appinio 300 HR-Verantwortliche in Deutschland online befragt hat.
Fachkräftemangel verschärft den Druck auf HR
Der Fach- und Arbeitskräftemangel bleibt für Unternehmen in Deutschland eine der größten Herausforderungen. Zwar wirkt der Stellenmarkt durch steigende Arbeitslosenquoten und weniger Jobangebote etwas gebremst, doch die Realität sieht anders aus: Die Besetzung offener Stellen dauert im Schnitt 165 Tage – länger als je zuvor. Ein klares Zeichen für anhaltende Engpässe in vielen Branchen. Darüber haben wir bereits ausführlich berichtet.
Besonders spürbar ist diese Entwicklung in den HR-Abteilungen. 91 % der Personalverantwortlichen geben an, dass der Fachkräftemangel es deutlich schwieriger macht, Positionen zeitnah zu besetzen (2024: 84 %). Ebenso viele erwarten, dass sich die Lage in Zukunft noch weiter verschärfen wird (2024: 83 %).
Gleichzeitig steigen die Ansprüche seitens der Unternehmensleitungen: 90 % der Befragten berichten von wachsendem Druck (2024: 75 %), und 93 % erleben höhere Erwartungen und Anforderungen als im Vorjahr (2024: 86 %). Für viele HR-Teams bedeutet das: mehr Belastung, mehr Verantwortung – und immer weniger Spielraum.
Die Folgen sind deutlich spürbar. Mehr als die Hälfte der HR-Verantwortlichen (54 %) fühlt sich stark belastet und gestresst. Im Jahr 2024 waren es noch 35 %. Ebenso besorgniserregend ist, dass 56 % in ihrem Unternehmen nur wenig Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren. 2024 lag dieser Wert noch bei 25 %.
„Knappe Budgets, aber gleiche Ziele; kaum verfügbare Fachkräfte, aber schnelle Besetzung offener Stellen – das sind die Herausforderungen, denen HR-Verantwortliche jeden Tag gegenüberstehen“, kommentiert Thomas Kindler, Managing Director von XING. „Wenn dann auch noch die Wertschätzung fehlt, kommen Menschen schnell an ihr Limit. Erfahrene HR-Verantwortliche sind für Unternehmen allerdings eine unschätzbare Ressource: Als Säule einer erfolgreichen Personalwirtschaft sind sie maßgeblich mitentscheidend für den Unternehmenserfolg.“
Bewerbende stellen höhere Ansprüche
Nicht nur der interne Druck setzt Recruitern zu. Auch die Erwartungen der Bewerber sind schwerer zu erfüllen. 68 % der Personalverantwortlichen (2024: 58 %) berichten, dass Kandidaten zunehmend mehr Wert auf gute Arbeitsbedingungen, Unternehmenskultur und Benefits legen – etwa flexible Arbeitszeiten, Gehalt, Sabbaticals oder Workation.
Gleichzeitig nehmen Unverbindlichkeit und Absagen zu. 64 % der HR-Verantwortlichen (2024: 46 %) haben erlebt, dass Bewerber schwer erreichbar sind, nach einer Zusage wieder abspringen oder sogar komplett „ghosten“ und sich gar nicht mehr melden.
Kandidaten erwarten Tempo und Transparenz
Auch von den HR-Abteilungen haben Bewerber klare Vorstellungen. 45 % der Jobsuchenden erwarten, dass sie innerhalb von ein bis zwei Wochen eine Rückmeldung auf ihre Bewerbung erhalten. 31 % wünschen sich sogar eine Antwort innerhalb einer Woche. Zwei bis drei Wochen sind nur noch für 18 % akzeptabel.
Über die Hälfte der Kandidaten (53 %) möchte, dass der gesamte Prozess von der Bewerbung bis zur Vertragsunterzeichnung maximal zwei bis vier Wochen dauert. Besonders genervt sind sie von fehlenden Rückmeldungen (42 %), langen Wartezeiten (37 %) und undurchsichtigen Gehaltsangaben (31 %).
Trotz dieser hohen Ansprüche wissen die Bewerber um die schwierige Lage am Arbeitsmarkt. 59 % schätzen ihre persönlichen Chancen, aktuell eine neue Stelle zu finden, als eher bis sehr schwierig ein.
Die Daten stammen ebenfalls aus dem XING Arbeitsmarktreport 2025, für den Appinio 2.000 Beschäftigte in Deutschland befragt hat.
HR zwischen Anspruch und Realität
Thomas Kindler betont, dass HR-Verantwortliche sich in einem ständigen Spagat zwischen den Anforderungen der Unternehmensleitung und der Fachabteilungen auf der einen Seite und den zunehmend schwerer zu erfüllenden Erwartungen der dringend benötigten Fachkräfte auf der anderen Seite befinden. Um hier erfolgreich agieren zu können, bräuchten sie die richtigen Tools und Technologien. Seinen Angaben zufolge zeigen die Zahlen, dass sich die Time-to-Hire durch den Einsatz digitaler Plattformen und den gezielten Aufbau von Talent-Pipelines um rund die Hälfte verkürzen lasse.
HR verliert sich im Tagesgeschäft
Durch die wachsenden Anforderungen verbringen Personalverantwortliche immer weniger Zeit mit ihren Kernaufgaben. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Vorstellungsgespräche: Nur 44 % der HR-Verantwortlichen widmen sich der Organisation und Durchführung von Interviews (2024: 49 %).
- Bewerberauswahl: Nur 38 % konzentrieren sich hauptsächlich auf die Identifizierung geeigneter Kandidaten aus den eingehenden Bewerbungen (2024: 49 %).
- Active Sourcing: Rund ein Drittel (32 %) sucht eigenständig nach neuen Mitarbeitern.
- Fachkräftemangel und Zusatzaufgaben: 64 % übernehmen zusätzliche HR-Aufgaben, weil aktuell weniger rekrutiert wird (2024: 40 %).
- Verwaltung und Reporting: 63 % berichten von höherem administrativen Aufwand durch den Fachkräftemangel (2024: 45 %).
- Einsatz von Technologie: 62 % geben an, dass Tools wie KI den Rekrutierungsprozess erleichtern, genutzt werden sie aber nur von 37 % zur Entlastung bei administrativen Aufgaben.
Digitalisierung, Wachstum und neue Recruitingstrategien
Für 27 % der Personalverantwortlichen gehört die Beschäftigung mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz zu den drei wichtigsten Aufgaben der nächsten 12 Monate. Noch mehr Zeit wollen sie in Passive Sourcing investieren (32 %), also in die gezielte Ansprache von potenziellen Kandidaten.
Trotz der schwierigen Lage planen 57 %, weiterhin Personal aufzubauen, während nur 28 % mit Abbau rechnen.
Auch die Anpassung der Recruitingstrategien wegen des Fachkräftemangels steht auf der Agenda:
- Rund ein Drittel (33 %) setzt auf flexible Arbeitsbedingungen wie Remote Work oder variable Arbeitszeiten, um mehr Bewerber zu gewinnen.
- 32 % planen eine Optimierung der Rekrutierungsprozesse, um schneller und effizienter qualifizierte Kandidaten zu finden.
Thomas Kindler: „Wer jetzt in neue Technologien, flexible Arbeitsmodelle und moderne Recruitingprozesse investiert, stellt die Weichen für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum – trotz schwieriger Rahmenbedingungen.“
Für den XING Arbeitsmarktreport 2025 führte Appinio im Juli 2025 eine Online-Umfrage durch. Befragt wurden 3.500 Angestellte im Alter von 18 bis 65 Jahren aus Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz. Die Stichprobe war national repräsentativ für Alter und Geschlecht. Zusätzlich nahmen 600 volljährige HR-Verantwortliche und Recruiter aus denselben Ländern teil.
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