Migrationshintergrund 30.07.2025, 13:30 Uhr

Warum Bewerber mit ausländischen Namen öfter abgelehnt werden

Warum entscheiden Betriebe oft gegen Bewerbende mit Migrationshintergrund – trotz guter Noten? Eine Studie aus Siegen deckt Vorurteile und Bürokratie als Hürden auf.

Bewerbende mit Migrationshintergrund

Studie zeigt: Jugendliche mit ausländischen Namen erhalten deutlich seltener Rückmeldungen auf Bewerbungen.

Foto: PantherMedia / Randolf Berold

Der Name sollte eigentlich keinen Einfluss auf eine Bewerbung haben, denn im Mittelpunkt stehen die Qualifikationen und Fähigkeiten des Bewerbers, nicht seine Herkunft oder sein Name. Dennoch zeigt eine Studie, dass Namen manchmal unbewusst Vorurteile hervorrufen können, was den objektiven Auswahlprozess beeinträchtigt. Die Studie der Universität Siegen zeigt, wie unterschiedlich Menschen mit einem vermuteten Migrationshintergrund benachteiligt werden.

Die Forschenden haben herausgefunden, dass z. B. ein Bewerber namens „Lukas Becker“ bei einem mittelständischen Betrieb in zwei von drei Fällen eine Antwort bekommt. Bei Namen wie „Yusuf Kaya“ oder „Habiba Mahmoud“ bleiben die Bewerbungen dagegen oft unbeantwortet. Das liegt daran, dass Unternehmen bei Personen mit Migrationshintergrund mehr Aufwand befürchten.

Potenziale nutzen statt verschwenden

„Wir können es uns nicht leisten, Potenziale zu verschwenden“, kommentiert Professor Dr. Ekkehard Köhler die Ergebnisse der Studie. „Besonders im Handwerk, das unter Nachwuchsmangel leidet, ist dies problematisch.”

Diese Erkenntnisse zeigen deutlich, dass es trotz aller Bemühungen um Chancengleichheit weiterhin große Hürden für Bewerbende mit Migrationshintergrund gibt. Um Diskriminierung zu vermeiden, müssen Unternehmen und Gesellschaft noch stärker an fairen und transparenten Auswahlverfahren arbeiten. Nur so kann sichergestellt werden, dass wirklich die Qualifikationen zählen – unabhängig vom Namen oder der Herkunft.

Benachteiligt trotz Qualifikation

Die Siegener Ökonomin Dilara Wiemann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Ökonomische Bildung der Universität Siegen, betont: „Für die benachteiligten Bewerber sind die Ergebnisse eine Katastrophe, denn selbst deutlich bessere Schulnoten oder soziales Engagement ändern nichts daran, dass Herkunft Leistung schlägt.“ Sie weist außerdem darauf hin, dass selbst ein Engagement beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ die Chancen nicht verbessere. Diese Erkenntnisse machen deutlich, dass es trotz aller Bemühungen um Chancengleichheit weiterhin große Hürden für Bewerbende mit Migrationshintergrund gibt. Um Diskriminierung zu vermeiden, müssen Unternehmen und Gesellschaft noch stärker auf faire und transparente Auswahlverfahren achten. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Qualifikationen wirklich im Vordergrund stehen – unabhängig von Name oder Herkunft.

Laut der Studie gibt es erstmals ein klares Ranking bei der Benachteiligung von Bewerbenden mit vermutetem Migrationshintergrund. Bewerbende mit deutschen Namen wie „Lukas Becker“ bekommen auf 100 Bewerbungen im Schnitt 67 Antworten. Wer dagegen einen nicht-deutschen Namen hat, hat schlechtere Chancen: „Ivan Smirnov“ (russisch) erhält nur 56 Antworten, „Ariel Rubinstein“ (hebräisch) 54 und „Yusuf Kaya“ (türkisch) 52. Am schlechtesten sieht es für „Habiba Mahmoud“ (arabisch) aus – sie bekommt gerade mal 36 Antworten. Da alle Bewerbenden noch Schüler sind, zeigt die Studie deutlich, wie schwer es für manche ist, überhaupt eine Ausbildungsstelle zu finden.

Wo werden Bewerbende mit ausländischen Namen besonders benachteiligt

Die Benachteiligung von Bewerbenden ist nicht überall gleich groß. Besonders stark zeigt sie sich in kleinen Betrieben und im Handwerk. Dort bekommen Bewerbende mit arabisch klingenden Namen nur etwa ein Drittel der Rückmeldungen im Vergleich zu Bewerbenden mit deutschen Namen. Auch regional gibt es Unterschiede: In ländlichen Gebieten ist die Benachteiligung deutlich größer als in Großstädten. Im Bundesdurchschnitt erhalten Jugendliche mit ausländisch klingenden Namen rund 15 Prozentpunkte weniger Antworten auf ihre Bewerbungen. Eine interaktive Deutschlandkarte zeigt, wie Bewerbende in den verschiedenen Regionen abschneiden. Wer wissen möchte, wie es in seiner Gegend aussieht, kann die entsprechenden Daten bei uns anfragen.

Warum Bewerbende mit Migrationshintergrund abgelehnt werden

So interessant die Zahlen und Fakten auch sind – genauso wichtig ist es zu verstehen, was wirklich dahintersteckt und warum Entscheidungsträger sich oft gegen Bewerbende mit Migrationshintergrund entscheiden. Häufig spielen Vorurteile, Unsicherheiten oder auch Befürchtungen über vermeintlichen Mehraufwand eine Rolle, die dazu führen, dass trotz gleicher oder besserer Qualifikationen diese Bewerbenden benachteiligt werden. Nur wenn diese Gründe offen angesprochen und hinterfragt werden, kann sich langfristig etwas ändern.

Deshalb haben die Forschenden im Anschluss an die Feldexperimente rund 700 Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund befragt. Dabei wurden häufige Sorgen deutlich: Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede, Unsicherheiten beim Aufenthaltsstatus und der vermutete Mehraufwand durch bürokratische Hürden spielen eine große Rolle.

Einige typische Rückmeldungen der Unternehmen lauteten:

„Angst vor fehlenden Deutschkenntnissen, Angst vor fehlender Aufenthaltserlaubnis/Visum, Mehraufwand für Verwaltung bei ungeklärtem Aufenthaltsstatus“ und „Vorurteile ggü. Menschen mit Migrationshintergrund, kompliziertes Ausländerrecht, Angst vor Aufwand mit Behördengängen, Angst vor Sprachschwierigkeiten.“

Diese Aussagen zeigen, dass nicht nur Vorurteile, sondern auch fehlende Ressourcen, Unsicherheiten im Umgang mit Behörden, bürokratische Komplexität und mangelnde interkulturelle Erfahrung die Entscheidungen bei der Auswahl von Auszubildenden beeinflussen.

Wie Benachteiligung abgebaut werden kann

Um die Benachteiligung von Bewerbenden mit Migrationshintergrund zu verringern, schlagen die Forschenden zwei wichtige Maßnahmen vor:

  • „Think Twice“ – Entscheidungen hinterfragen
    Bewerbende mit ausländisch klingenden Namen bekommen trotz guter Noten viel seltener eine Antwort, weil oft Stereotype und unbewusste Vorurteile („Unconscious Bias“) eine Rolle spielen. Betriebe sollten ihre Entscheidungsmuster kritisch prüfen und sich bewusst mehr Zeit nehmen, auch ungewöhnliche Namen genau zu betrachten.
  • Bürokratie abbauen – Hürden für Betriebe senken
    Viele Unternehmen scheuen die Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund wegen vermuteter komplizierter Verfahren, Visumsfragen oder unklarer Aufenthaltsrechte. Hier sind Erleichterungen nötig, etwa durch einfachere Anerkennung von Abschlüssen, schnellere Visumserteilung und weniger Verwaltungsaufwand. Außerdem sollten Betriebe besser informiert werden, welche rechtlichen Schritte wirklich nötig sind.

Für die Studie schickte ein Forschungsteam der Universität Siegen über 50.000 E-Mails an Betriebe, die Ausbildungsplätze angeboten und bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet hatten. Danach befragten sie etwa 700 Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit Bewerbenden mit Migrationshintergrund.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Alexandra Ilina ist Diplom-Journalistin (TU-Dortmund) und Diplom-Übersetzerin (SHU Smolensk) mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung im Journalismus, in der Kommunikation und im digitalen Content-Management. Sie schreibt über Karriere und Technik.

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