Besser schlicht und langweilig – Just Hiring! 22.10.2025, 08:00 Uhr

KI im Recruiting: Warum Maschinen Bewerbungen oft ungerecht bewerten

Eine internationale Forschungsgruppe hat untersucht, wie KI-gesteuerte Systeme Bewerbungen analysieren und selektieren. Die Ergebnisse zeigen, dass die maschinelle Vorauswahl Diskriminierung verstärken kann.

KI Bewerbungen

KI entscheidet über Bewerbungen: Exakte Keywords, standardisierte Formate und wenig persönliche Angaben erhöhen die Chancen auf eine Vorauswahl – individuelle Kreativität rückt in den Hintergrund.

Foto: PantherMedia / yokhanomwan@gmail.com

Was sagt die KI selbst? Sie liebt Spiegelstriche, so viel steht fest. Zu der KI-gerechten Gestaltung von Bewerbungsunterlagen rät Copilot Folgendes:

  • Dateiformat: PDF für Menschen, zusätzlich DOCX für ATS-Kompatibilität.
  • Schrift und Layout: serifenlose Schrift, klare Überschriften, konsistente Abstände.
  • Maschinelle Lesbarkeit: keine Kopf- oder Fußzeilen mit kritischen Daten, keine Bilder mit Text, einfache Listen statt verschachtelter Tabellen.

„Eine Maschine liest Informationen auf ganz andere Weise als ein Mensch“, so ein Handbuch für Stellensuchende, das ein internationales Forschungsprojekt aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft kürzlich herausgegeben hat. FINDHR (Fairness and Intersectional Non-Discrimination in Human Recommendation) untersuchte den KI-Einsatz im Bewerbungsprozess und befragte von Diskriminierung betroffene Menschen in sieben europäischen Ländern. Es schuf Tools, Leitfäden und Trainings für Softwareentwickler, Personalverantwortliche, Arbeitssuchende und die Politik, um Benachteiligung durch Algorithmen zu verringern.

Warum Anschreiben und Lebenslauf anders gestaltet werden müssen

Schulungen, was ein Motivationsschreiben und ein Lebenslauf in den Augen menschlicher Personalverantwortlicher attraktiv macht, sind demnach kontraproduktiv, wenn eine KI die Bewerbung vorab sichtet, aussortiert oder in eine Rangliste ordnet. „Man muss jedoch erst einmal wissen, dass ein solches System die Erstselektion macht“, sagt Moira Daviet von AlgorithmWatch CH. Die Schweizer NGO war am Forschungsprojekt beteiligt.

„Wir fordern, dass Arbeitgeber informieren müssen, wenn Bewerbungen von einem Algorithmus geprüft oder vorselektiert werden.“ Anschreiben und Lebensläufe, die an einen menschlichen Entscheider adressiert sind, sollen durch Rahmen, Bilder und Farben auffallen. Für Algorithmen zählt laut FINDHR-Handbuch Einfachheit.

Prof. Sabine Pfeiffer forscht an der Universität Erlangen-Nürnberg über das Zusammenspiel von Technik, Arbeit und Gesellschaft. Sie schätzt, dass bis zu einem Drittel der Unternehmen KI zur Analyse eingereichter Lebensläufe und ausgefüllter Fragebögen nutzt bzw. eine Vorauswahl treffen lässt.

„Wie hoch der Anteil der Unternehmen ist, die den Auswahlprozess komplett KI-basiert automatisieren, ist offen. Das wird erstens kaum gefragt und zweitens würde eventuell auch nicht ehrlich beantwortet, denn rein automatisierte Personalentscheidungen sind aus gutem Grund rechtlich höchst problematisch.“

Bewerbungen für Algorithmen: So wird Ihr Lebenslauf von KI erkannt

Für die maschinelle Auslese sind relevante Schlüsselwörter aus der Stellenausschreibung wichtig, da KI-Systeme danach scannen, um die Qualifikationen mit den Anforderungen abzugleichen. „Möglichst exakt die Worte der Stellenausschreibung verwenden“, rät Prof. Pfeiffer. „Wenn beispielsweise ein Scrum Master gesucht wird, sollte man oft ‚Scrum‘ erwähnen, auch wenn man mit anderen agilen Projektmanagementansätzen gearbeitet hat. Auch die Schlüsselwörter zu den Soft Skills sollte man möglichst 1:1 übernehmen.“

Laut FINDHR-Handbuch helfen auch Standardüberschriften wie „Berufserfahrung“, „Ausbildung“ und „Fähigkeiten“ sowie standardisierte Berufsbezeichnungen, die die KI leicht erkennt, statt unternehmensspezifischer Begriffe. Die Forscher experimentierten mit gespendeten anonymisierten Lebensläufen. Kandidaten, die von einem professionellen Personalvermittler als erstklassig eingestuft wurden, schnitten bei der Personaler-KI deutlich schlechter ab. Kompetente Fachkräfte wurden teilweise aussortiert, weil ihre Daten nicht im richtigen Format vorlagen. FINDHR empfiehlt Online-Tools wie Zety, OpenResume, Resume Matcher und Europass für die KI-gerechte CV-Optimierung.

Immer mehr Arbeitssuchende lassen die Bewerbung gleich von ChatGPT und Co. schreiben, weiß Prof. Pfeiffer. Davon rät die Soziologin ab. „Viele HR-Abteilungen sieben Bewerbungen, die offensichtlich mit KI generiert wurden, grundsätzlich aus. Andere lassen sie im Verfahren, bewerten sie aber kritischer.“

Doch nicht immer liegt es am falschen Layout, wenn Stellensuchende auf Hunderte Bewerbungen lauter automatisierte Absagen bekommen. Das trifft besonders auf Personen mit einer Behinderung oder Migrationshintergrund, Frauen und Ältere. Oft wird der KI-Einsatz bei der Personalsuche nicht nur durch Zeitersparnis, sondern auch durch vermeintliche Objektivität gerechtfertigt. Allerdings bestätigen die FINDHR-Befragungen und -Experimente: Die Algorithmen können die Chancen benachteiligter Gruppen auf dem Arbeitsmarkt sogar verschlechtern.

Gleichförmige Bewerbungen, versteckte Identität

Prof. Pfeiffer überrascht das nicht: Die KI-lesbaren Bewerbungen werden gleichförmiger und unkreativer. „Die wenigen Unterschiede, gerade die personenbezogenen wie Geschlecht, Alter und Migrationshintergrund, rücken umso mehr nach vorn. Und das lässt sich durch die Bewerberinnen und Bewerber nur sehr bedingt ausgleichen. Frauen sollten beispielsweise darauf achten, Führungserfahrung und die Beteiligung an beruflich einschlägigen Netzwerken stärker zu betonen.“

Migranten sollen möglichst international anerkannte Ausbildungen benennen, mit den im Bewerbungsland üblichen Berufsbezeichnungen arbeiten und Aktivitäten, die auf eine bestimmte Herkunft hinweisen, eventuell weglassen. „Ältere sollten aktuelle Skills nach oben setzen, ältere Berufserfahrung in neues ‚Wording‘ übersetzen und lange Berufserfahrungen komprimierter darstellen.“

„Möglichst wenig persönliche Informationen preisgeben“, meint auch Daviet. Alter, Familienstand, Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus oder Religion: Solche Angaben zu verschweigen, könnte algorithmische Verzerrungen minimieren. Doch die KI liest viel über die Person aus dem Schreiben heraus. Der Name verrät oft das Geschlecht und die ethnische Zugehörigkeit, das Foto weitere persönliche Merkmale.

Einige FINDHR-Befragte, etwa eingewanderte Hochqualifizierte mit Mint-Berufen in Berlin, gaben ihrem Namen einen westlicheren Klang, änderten die Schreibweise, unterschlugen einige Jahre Berufserfahrung oder trimmten ihr Bild auf jünger. „Teilweise wurden sie dadurch eher zu Interviews eingeladen. Es kann aber natürlich nicht die Lösung sein, dass Betroffene ihre Identität anpassen“, so Daviet.

Eine komplett diskriminierungsfreie KI-Auswahl wird es nicht geben, glaubt Prof. Pfeiffer, da die KI an den Realdaten einer diskriminierenden Welt trainiert werde. Aber Risiken ließen sich durch regelmäßige Daten- und Modell-Audits reduzieren. „Die Anbieter kann man zwingen, ihre Verfahren offenzulegen und zu erklären. Um menschliche Expertise kommt man nicht herum – und zwar nicht nur am Ende des Auswahlprozesses, sondern stichprobenmäßig auch zwischendrin.“ Wer lauter automatisierte Absagen bekommt und eine diskriminierende HR-KI dahinter vermutet, kann sich bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beraten lassen oder den Fragebogen von AlgorithmWatch ausfüllen.

Ein Beitrag von:

  • Matilda Jordanova-Duda

    Matilda Jordanova-Duda ist freie Autorin für Print, Radio und Onlinemedien. Ihre Themenschwerpunkte sind Existenzgründung und Mittelstand, Energiewende und Industrie 4.0. sowie Bildung und Migration.

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