Warum KI im Job Angst auslösen kann
KI ist in rasantem Tempo im Alltag angekommen. Während sie privat recht unbefangen genutzt wird, erzeugt sie im Job offenbar auch große Ängste.
KI am Arbeitsplatz: Zwischen Unterstützung und Angst – Studie zeigt, wie Technologie Selbstwert, Kontrolle und Teamkultur beeinflusst.
Foto: PantherMedia / nenetus
Warum das so ist und was Mitarbeitende konkret befürchten, hat jetzt das Kölner rheingold Institut für die randstad Stiftung in einer Studie mit dem Titel „KI und die Zukunft der Arbeit: Stresstest für Führung und Zusammenarbeit“ untersucht. Die Ergebnisse erlauben einen differenzierten Blick in die ambivalente Haltung zu der Technologie. KI wird einerseits als faszinierend erlebt, ihre Möglichkeiten werden geschätzt und ihr Einsatz wird als Unterstützung empfunden. Gleichzeitig drohen aber Ängste vor Kontrollverlust und vor der persönlichen Ersetzbarkeit. Hinsichtlich der Auseinandersetzung mit diesen Ängsten besteht großer Nachholbedarf.
Einsatz von KI: Die psychologische Dimension wird häufig unterschätzt
Wird über den Einsatz von KI im beruflichen Umfeld gesprochen, geht es vor allem um neue Chancen, um zuvor nicht oder nur mit exorbitant hohem Aufwand erreichbare Ergebnisse, um mehr Tempo und mehr Effizienz. Kurz gesagt: Unternehmen setzen zwar auf die technologische KI-Einführung, unterschätzen aber, dass diese Unsicherheit, Abwehr und Verdrängung bei den Beschäftigten hervorrufen kann.
„Wer die psychologische Dimension ignoriert, riskiert Störungen in Teams, Vertrauensverlust und Blockaden im Transformationsprozess“, sagt Johannes Dorn, Geschäftsführer des rheingold Instituts. „Gerade jetzt müssen Unternehmen verstehen, dass es nicht nur um Technologie und Effizienzgewinne, sondern auch um Identität, Selbstwert und die Kultur der Zusammenarbeit geht.“
Kann KI mich ersetzen – das ist die große Frage…
… die laut der Studie „KI und die Zukunft der Arbeit: Stresstest für Führung und Zusammenarbeit“ mehr Beschäftigte bewegt, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Zwar äußert sich ein großer Teil der Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen bei den Befragungen positiv:
- 78 % der Beschäftigten sehen im Einsatz von KI neue Chancen für die Arbeitswelt
- 72 % fühlen sich durch KI unterstützt
- 59 % bestätigen, dass Aufgaben mit KI sehr viel schneller erledigt werden
- 46 % sehen ihre Erwartungen erfüllt oder übertroffen, weil KI hilft, schneller und effizienter zu arbeiten
- 41 % erleben sogar, dass KI ihre Kreativität beflügelt und ihre Möglichkeiten erweitert werden.
Aber bereits in den Befragungen zeigt sich auch: 34 % stimmen (eher) zu, dass KI ihren Arbeitsstil nachahmen kann. 48 % halten ihre Arbeit für individuell. Eine Aussage der Studie ist: Insgesamt spüren die Menschen eine wachsende Konkurrenz durch eine Technik, die ihre Fähigkeiten nachahmt oder gar kopiert. Das zeigen vor allem die zweistündigen Tiefeninterviews: Sie offenbaren, so das rheingold Institut, seelischen Stress.
Alles unter Kontrolle mit KI?
Das wäre nicht nur wünschenswert, sondern sollte eine unverzichtbare Voraussetzung bei der Anwendung der neuen Technologien im Arbeitsalltag sein. Doch die Realität sieht anders aus, zeigt die Studie. Einige Beispiele:
- 26 % der Befragten nutzen KI im Job ohne Wissen des Arbeitgebers
- 34 % sagen, es gebe keinerlei Vorgaben, jeder gehe unterschiedlich mit der Nutzung um
- nur 32 % berichten von klaren Richtlinien
- nur 28 % haben Zugang zu Schulungen
- nur 39 % trauen sich zu, zum Beispiel Halluzinationen zuverlässig zu erkennen
- nur 40 % fühlen sich beim Thema Datenschutz und Compliance im Umgang mit KI sicher.
Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Qualität das tägliche berufliche Miteinander und die betrieblichen Ergebnisse unter solchen Umständen haben können.
Was tun Beschäftigte gegen die Angst vor Kontrollverlust und Ersetzbarkeit?
Drei fiktive, aber realitätsnahe Beispiele: Da ist die Bauingenieurin, die sich seit vielen Jahren sehr erfolgreich mit Fragen der Statik in multifunktional nutzbaren Gebäuden beschäftigt. Da ist der Maschinenbauer, der sich einen Namen in der Weiterentwicklung innovativer Additiver Fertigung gemacht hat. Da ist die Spezialistin in der Luft- und Raumfahrttechnik, die zu neuen Materialien forscht. Alle drei machen die Erfahrung: Zumindest einen Teil meiner Aufgaben kann KI auch erledigen – und sie kann vielleicht noch viel mehr.
Das rheingold Institut beschreibt vergleichbare Situationen so: „KI verändert nicht nur Arbeitsprozesse, sondern stellt Identität und Selbstwert in Frage. Arbeit ist in unserer Kultur mehr als Erwerbstätigkeit – sie ist Ausdruck der eigenen Handschrift, Kreativität und Kompetenz. Genau hier berührt KI einen Nerv“.
Die Online-Befragung in der Studie zeigt, wie Beschäftigte darauf reagieren: 54 Prozent sagen, der Gedanke, KI könnte ihre Arbeit übernehmen, würde sie eher nicht beunruhigen, und 55 % sehen auch keine erheblichen Risiken für ihren Job. Viele beruhigen sich mit dem Gedanken: „Mich wird es schon nicht treffen, andere Jobs sind bedroht, meiner nicht.“
Doch die Tiefeninterviews in der Studie zeigen, dass hinter der scheinbaren Gelassenheit oft eine psychologische Abwehrhaltung steckt. Die betroffenen Beschäftigten äußern ihre Ängste nicht offen, sondern kaschieren sie, indem sie zum Beispiel ihre eigene Kompetenz als „unersetzbar“ definieren, heimlich KI nutzen, damit ihre Leistung nach mehr aussieht oder gezielt vor allem auf Fehler und Defizite von KI hinweisen.
Wertschätzung und Sicherheit in Zeiten von KI
„Gerade in Zeiten einer so tiefgreifenden Disruption wie durch KI brauchen Menschen Sicherheit, Orientierung und Wertschätzung“, betont Hanna Daum, Geschäftsführerin der randstad Stiftung. „Nur wenn Beschäftigte das Gefühl haben, dass ihre Kompetenzen weiterhin wichtig bleiben und ihr Beitrag gesehen wird, können sie KI als Ressource annehmen statt als Bedrohung“.
Der Umgang mit KI muss erlernt und geübt werden
Trainieren muss nicht nur die KI im Umgang mit Daten, trainieren müssen auch die Mitarbeitenden, die mit KI im Beruf umgehen. „Unternehmen dürfen die Einführung von KI nicht allein als technische Aufgabe begreifen“, betont Johannes Dorn, Geschäftsführer des rheingold Instituts. „Es braucht jetzt klare Leitplanken, transparente Kommunikation und Räume für offene Diskussion. Nur wenn Ängste ernst genommen und Orientierung gegeben wird, kann KI vom Unsicherheitsfaktor zum gestaltbaren Motor einer neuen Arbeitskultur werden.“
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