Mobbing am Arbeitsplatz erreicht traurigen Höhepunkt
Mobbing und Cybermobbing treffen 19 Mio. Erwachsene in Deutschland. Besonders am Arbeitsplatz steigt die Zahl – mit Milliardenkosten für Firmen.
Millionen von Menschen sind von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen - Tendenz steigend.
Foto: Smarterpix / AndreyPopov
In Deutschland sind 19 Mio. Menschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren schon einmal Opfer von Mobbingattacken gewesen. Frauen und junge Menschen sind besonders betroffen. Über 43 % der Vorfälle finden am Arbeitsplatz statt. Das hat eine Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing ergeben. Es beziffert die Kosten für Unternehmen auf mehr als 4 Mrd. €.
Die Problemfelder Mobbing und Cybermobbing sind nicht nur auf junge Menschen begrenzt. Auch Erwachsene sind laut Bündnis in hohem Maße davon betroffen, sei es am Arbeitsplatz, in der Freizeit, im Freundeskreis oder im Internet. Angriffe von und gegen Erwachsene wachsen von Jahr zu Jahr weiter.
Inhaltsverzeichnis
- Cybermobbing nimmt rasant zu – besonders bei Jüngeren
- Frauen und junge Menschen besonders gefährdet
- Wenn Kollegen zu Tätern werden
- Psychische Folgen: Von Depression bis Suizidgefahr
- Milliardenschäden durch Mobbing – Wirtschaft alarmiert
- Unternehmen reagieren zu spät auf ein wachsendes Problem
- Was Betriebe jetzt tun sollten
- Gesetz gegen (Cyber-)Mobbing: Deutschland hinkt hinterher
Cybermobbing nimmt rasant zu – besonders bei Jüngeren
Für die Studie wurden 2030 Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt. 37 % der Befragten gaben an, schon einmal Opfer von Mobbingattacken gewesen zu sein. Das entspricht in absoluten Zahlen 19,0 Mio. Cybermobbing ist in Deutschland gegenüber 2021 um 21,7 % gestiegen, von 11,5 % auf 14,0 %. Das sind über 7,2 Mio. Betroffene im Alter von 18 und 65 Jahren.
Besonders alarmierend sind die Zahlen bei jüngeren Menschen (18 bis 24 Jahre), der „Generation Smartphone“, die im Arbeitsleben angekommen ist. Hier zeigen sich besonders hohe Werte bei Mobbing (45 %) und Cybermobbing (25 %). „Seit Jahren wachsen die Zahlen und zeigen uns, dass das gelernte negative Verhalten aus der Jugend ins Arbeitsleben übernommen wird, weil es nicht sanktioniert worden ist und unsere Gesellschaft zu wenig gegen Mobbing und Cybermobbing unternimmt“, so Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing.
Frauen und junge Menschen besonders gefährdet
Frauen und jüngere Menschen sind laut Erhebung besonders häufig von Übergriffen betroffen: Bei ihnen besteht laut den Ergebnissen der Studie ein 1,3-mal höheres Mobbingrisiko als bei Männern.
Wenn Kollegen zu Tätern werden
Mobbing bei Erwachsenen prägt in hohem Maße die Arbeitswelt. 43 % der Vorfälle finden dort statt. Neid und eine auffällige Erscheinung sind die häufigsten Ursachen für Mobbing und Cybermobbing im Arbeitsumfeld. Fast jeder dritte Täter gibt an, „aus Ärger mit der Person“ gehandelt zu haben oder weil „andere das auch machen“.
Vorgesetzte sind laut der Studie in über der Hälfte der Mobbingfälle am Arbeitsplatz als Täter oder Mittäter beteiligt. Die oftmals schweren Folgen können sich auf die physische wie psychische Gesundheit der Opfer sowie auf ihr privates und berufliches Umfeld auswirken – und im äußersten Fall zu einer existenziellen Notlage führen.
Psychische Folgen: Von Depression bis Suizidgefahr
49 % der Betroffenen von Mobbing und Cybermobbing klagen über Persönlichkeitsveränderungen und Depressionen. Extremausprägungen sind schwindendes Selbstwertgefühl, Zwangsstörungen sowie die Flucht in Alkohol oder andere Suchtmittel. 24 % der Cybermobbingopfer stufen sich sogar als suizidgefährdet ein.
Milliardenschäden durch Mobbing – Wirtschaft alarmiert
Das Bündnis weist darauf hin, dass Mobbing und Cybermobbing auch negative wirtschaftliche Auswirkungen haben: Die mit Mobbingvorfällen direkt verbundenen Krankheitsfolgekosten für Unternehmen belaufen sich demnach auf ca. 4,3 Mrd. € im Jahr.
Leest beklagt, dass die Unternehmen die Dringlichkeit der Problematik nicht erkannt zu haben und sich seit der letzten Erhebung im Jahr 2021 nicht viel verändert habe. „Und das ist einer Zeit fehlender Fachkräfte“, macht der Vorsitzende seinem Unmut Luft.
Unternehmen reagieren zu spät auf ein wachsendes Problem
Zu wenige Arbeitgeber bieten Präventionsmaßnahmen an, obwohl die durch Mobbing und Cybermobbing entstandenen Fehlzeiten und Ausfälle und die daraus entstandenen Kosten immens sind.
Was Betriebe jetzt tun sollten
Aus den Studienergebnissen leitet Uwe Leest folgende Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Politik und Gesellschaft ab: Um Mitarbeitende für das Thema Mobbing und Cybermobbing zu sensibilisieren und aufzuklären, sind Schulungen, Seminare und Informationsveranstaltungen in Unternehmen notwendig.
Darüber hinaus sollte die Stärkung des Betriebsklimas im Vordergrund stehen. Das Betriebsklima ist ein wesentlicher Faktor, um Mobbingfällen vorzubeugen. Dazu dient beispielsweise eine Vereinbarung, die einen gewaltfreien und respektvollen Umgang der Mitarbeiter untereinander regelt und fördert, was auch die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen erhöhen kann.
Für alle Betroffenen wäre es wünschenswert, unabhängig ob im Unternehmen oder im sozialen Umfeld, flächendeckende Mobbingberatungsstellen sowie anonyme Hotlines zu haben, an die sich Hilfesuchende wenden können.
Gesetz gegen (Cyber-)Mobbing: Deutschland hinkt hinterher
Neben Unternehmen und der Gesellschaft müsse auch die Politik ihrer Verantwortung stärker nachkommen. Seit Jahren fordere das Bündnis gegen Cybermobbing zum Schutz der Opfer ein (Cyber-)Mobbinggesetz, das es in anderen Ländern schon geben würde. Leest: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern wir haben ein Handlungsproblem.“
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