Titan-Implosion: Wie OceanGates Unternehmenskultur zum Unglück beitrug
Die US-Küstenwache veröffentlichte einen Bericht zur Implosion der Titan. Er zeigt, dass eine unterschätzte Ursache – eine toxische Unternehmenskultur – entscheidend zum Unglück beitrug, indem sie Sicherheitsbedenken unterdrückte.

Warum die Titan-Implosion vermeidbar war.
Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com/US Coast Guard
Im Bericht kommen interessante Details ans Licht: Es wird von einer „toxischen Arbeitsatmosphäre“ gesprochen, die es Mitarbeitenden und Partnern schwer machte, offen über Sicherheitsbedenken zu sprechen. Kritik war kaum möglich. Die Sicherheitskultur im Unternehmen war laut Bericht sehr mangelhaft – Arbeitsabläufe wurden oft nicht so umgesetzt, wie sie eigentlich schriftlich festgelegt waren. Die Folgen dieser Missstände sind nun auf tragische Weise deutlich geworden.
Was passierte mit dem Tauchboot Titan?
Im Juni 2023 startete das Tauchboot Titan eine Expedition zur Titanic, bei der fünf Personen an Bord waren – darunter auch der CEO von OceanGate. Das Boot wurde von einem Schiff aus in internationale Gewässer geschleppt und begann am 18. Juni den Tauchgang. Kurz nach Beginn des Abstiegs brach der Kontakt ab. Gegen 10:47 Uhr kam es in über 3.000 Metern Tiefe zur katastrophalen Implosion der Titan – alle Insassen starben sofort.
Die später durchgeführte Untersuchung ergab, dass die Kohlefaser-Hülle des Boots strukturelle Schwächen hatte und den enormen Tiefendruck nicht aushielt. OceanGate hatte grundlegende Sicherheitsstandards und technische Vorschriften missachtet, das Boot war weder geprüft noch zertifiziert. Frühere Schäden am Tauchboot wurden ignoriert, wichtige Wartungen und Sicherheitsanalysen unterlassen.
Toxische Unternehmenskultur und Sicherheitsmängel
Und wie bereits erwähnt, herrschte bei OceanGate eine toxische Unternehmenskultur: Mitarbeitende, die Sicherheitsbedenken äußerten, wurden entlassen oder eingeschüchtert. Das Unternehmen setzte seine Tauchgänge trotzdem fort – mit verheerenden Folgen. Die Tragödie gilt heute als vermeidbar, wenn man sich an gängige Regeln für Tiefsee-Tauchboote gehalten hätte.
Der Bericht der US-Küstenwache stellt fest, dass die Katastrophe vor allem durch Sicherheits-, Test- und Wartungsmängel bei OceanGate verursacht wurde. Besonders die Bauweise des Rumpfes wurde kritisiert. David Lochridge, der erfahrene Marine-Experte mit Hintergrund bei der Royal Navy und als Tauchboot-Pilot, war von Firmenchef Stockton Rush zu OceanGate geholt worden. Dort sollte er Tauchgänge planen und das Boot Titan steuern.
Fehlte den OceanGate-Ingenieuren Erfahrung?
Die Titan wurde ursprünglich mit dem Applied Physics Laboratory (APL) der Universität Washington entwickelt. Der Rumpf bestand aus Kohlefaser – ein Material, das bis dahin noch nie für Tiefseetauchboote verwendet wurde. Normalerweise werden solche Boote aus Stahl oder Titan gebaut. 2016 beendete OceanGate die Zusammenarbeit mit APL und baute die Titan allein weiter. Laut Lochridge fehlte den OceanGate-Ingenieuren jedoch die nötige Erfahrung für solch ein anspruchsvolles Projekt.
Schon früh zweifelte Lochridge an der Sicherheit des Bootes. Er sagte, er habe sich verpflichtet gefühlt, seine Bedenken immer wieder anzusprechen.
Als die Bauteile der Titan eintrafen, wurden David Lochridges Zweifel noch größer. Nach seiner Einschätzung war der Carbonrumpf in schlechtem Zustand – das Material hatte Lücken, und an einigen Stellen lösten sich die Kohlefaserschichten. Auch die beiden Titan-Endkuppeln zeigten laut ihm Verarbeitungsfehler.
Statt die Probleme anzugehen, stieß Lochridge mit seinen Warnungen auf Ablehnung. Zudem wurde die ursprünglich geplante Sicherheitsprüfung durch eine unabhängige Stelle gestrichen. Anfang 2018 sprach er seine Bedenken erneut bei OceanGate-Chef Stockton Rush an, der ihn aufforderte, das Tauchboot selbst zu inspizieren. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Titanic-Tauchgänge gebucht, und Testfahrten standen kurz bevor.
Nach der Inspektion verfasste Lochridge einen Bericht an die OceanGate-Geschäftsführung, in dem er empfahl, die Pläne zu verschieben, um die Sicherheit zu gewährleisten.
OceanGate reagiert mit Klagen
David Lochridge meldete zudem 2018 schwerwiegende Sicherheitsbedenken zur Titan bei der US-Arbeitsaufsicht (OSHA), die ihm Schutz zusicherte und die Küstenwache informierte. OceanGate reagierte mit rechtlichem Druck, forderte Geld und verklagte ihn und seine Frau. Unter diesem Druck zogen die Lochridges ihre Beschwerden zurück und unterschrieben eine Geheimhaltungsvereinbarung. In den folgenden Jahren führte OceanGate Tests und Fahrten zur Titanic durch, trotz früherer technischer Probleme und eines Risses im Rumpf. Nach dem Unglück 2023 sagte Lochridge, die Katastrophe hätte verhindert werden können, wenn OSHA früher gehandelt hätte.
Die Technk war kein Problem?
Aber es gibt auch andere Stimmen: In einem Video auf YouTube verteidigt ein ehemaliger Oceangate-Ingenieur den umstrittenen Kohlefaser-Rumpf des Tiefsee-Tauchboots. Tony Nissen, der von 2016 bis 2019 als Chefingenieur eng mit Stockton Rush zusammenarbeitete, um den Kohlefaser-Rumpf der Titan zu bauen, behauptet, dass das Scheitern des Unternehmens, das letztlich zur Implosion des zur Titanic fahrenden Tauchbootes führte, nicht technischer, sondern kultureller Natur war.
Hier wird Ihnen ein externer Inhalt von youtube.com angezeigt.
Mit der Nutzung des Inhalts stimmen Sie der Datenschutzerklärung
von youtube.com zu.
Ein Beitrag von: