Homeoffice für Ingenieure: Warum zu viel Kontrolle Innovation bremst
Hybrides Arbeiten, agile Teams – nicht überall kommt das in der Ingenieurwelt gut an. Vorgesetzte fürchten Schlendrian. Doch das ist unbegründet, wenn Teams richtig geführt werden. So geht es.

Agilität trifft Ingenieurkunst: So gelingt modernes Arbeiten.
Foto: PantherMedia / Rawpixel
Im globalen Vergleich arbeiten Deutsche überdurchschnittlich oft von zu Hause aus, zeigt eine aktuelle Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): 1,6 Tage die Woche werden hierzulande mobil gearbeitet. Der weltweite Durchschnitt liegt laut IW bei 1,2 Tagen pro Woche. Aber warum wird allein schon das Thema Homeoffice so heiß diskutiert? Der Schlüssel zu effizientem und erfolgreichem hybriden Arbeiten von Ingenieuren liegt in der Leistungskontrolle. Ein Reizthema. Das es nicht sein muss. Wenn man ein paar Regeln beherrscht.
Zunächst: „Es kommt immer auch auf den Fokus des jeweiligen Unternehmens an“, stellt Walter Feichtner, Karriereberater und Trainer aus München, klar. „Legt das Unternehmen eher einen großen Wert auf Kreativität und Einzigartigkeit, können diese durch zu strenge Kontrollen und unrealistische Zielvereinbarungen verloren gehen.“ Das ist meist in technischen Jobs der Fall. Daher sollte man bei Ingenieuren und Ingenieurinnen sorgsam mit solchen Mitteln umgehen. Zumal, so Feichtner, sich in den letzten Jahren eine Erkenntnis durchgesetzt habe: „Es hat sich gezeigt, dass sich die Leistungserbringung nicht allein durch das klassische, altbewährte Modell ‚Ziel – Kontrolle – Belohnung‘ steigern lässt.“
Das Modell von Command und Control
Das sieht auch Thomas Büdinger, Agile Coach aus Oberursel, so: Das Modell von Command und Control („Ich sage euch, was und wie ihr etwas zu tun habt, und schaue mir dann die Ergebnisse an“) sei ein eher gestriges: „In der Wissensarbeit, wozu ich die Ingenieurwissenschaften selbstverständlich zähle, sind die Mitglieder eines Teams die Experten. Wenn sie ein klares Ziel und einen flexiblen Rahmen bekommen, in dem sie agieren können, wird sich jeder mehr einbringen, als nach diesem alten Modell.“ Dies betreffe nicht nur agiles Arbeiten.
Micromanagement hingegen nehme Ingenieurinnen und Ingenieuren Freiräume, um gute Leistungen zu zeigen und frustriere sie. „Ihnen wird quasi der Sinn genommen“, erklärt Büdinger, „Aus diesem Grund ist es sinnvoll, dass Führungskräfte, die auch heute noch in der Regel durch fachliche Qualifikation ihre Position erreicht haben, sich langsam von ihrer Fachrolle verabschieden und sich als dienende Führungskräfte installieren.“ Ihre Aufgabe bestehe im Empowerment der Mitarbeitenden und darin, Hindernisse und Bürokratie zu beseitigen: „So gewährleisten sie, dass jeder im Team seine Ideen und Kreativität einbringt.“
Feedback statt Kontrolle: Der Schlüssel zu Motivation und Entwicklung
Wesentlich ist auch das Thema Feedback. In (Tech-)Unternehmen werde immer öfter neben Top-down-Bewertungen von Vorgesetzten und der zugehörigen (variablen) finanziellen Vergütung eine andere Variante erfolgreich genutzt, sagt Feichtner: „Mitarbeitern wird die Chance auf ein Bottom-up-Feedback gegeben und als Anreiz scheinen einige Motivations- und Entwicklungsfaktoren effektiver zu sein.“ Und zwar diese:
- Statt starker Überwachung ist eine positive Fehlerkultur durch regelmäßiges und konstruktives Feedback angezeigt. Reine Kontrolle ist meist nicht zielführend, Feedback und regelmäßige Meetings schon.
- Fehler und Optimierungsmöglichkeiten sollten definitiv angesprochen werden. Ein zeitnahes und ehrliches Feedback kann sehr gewinnbringend genutzt werden.
- Der Vorgesetzte soll immer sowohl sein Interesse am Mitarbeiter als auch an der Leistung und am Erfolg zeigen.
- Nicht auf zu strikte Leistungsüberwachungen setzen, denn sie vermitteln Mitarbeitenden ein starkes Gefühl von Misstrauen, anstatt ihnen Sicherheit zu vermitteln, sodass sie kreativ denken und eigenverantwortlich sowie selbstständig arbeiten können.
- Unbedingt vermeiden: zu viel Transparenz, Fremdkontrolle und vor allem Vergleiche, die einen starken Wettbewerbscharakter entwickeln können, statt Teamfähigkeit zu fördern.
Ideal, so Feichnter, sei eine Mischung aus Top-down- und Bottom-up-Feedback: „Das fördert die Arbeitskultur und baut Vertrauen zwischen beiden Ebenen auf, was auch eine höhere Transparenz und Motivation ohne strikte Kontrolle zur Folge hat.“ So klappt es sogar auch mit dem Homeoffice. Auch wenn es überdurchschnittlich oft genutzt wird.
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