MINT-Berufe 03.06.2025, 08:00 Uhr

Dem Zufall eine Chance geben: Serendipity

„Serendipity“ (Serendipität) das ist ein Zungenbrecher und aktuell einer der Stars am Himmel der Managementlehre. Was steckt dahinter? Die Fähigkeit, Zufälle als Chancen zu begreifen.

Zufall

Dem Zufall eine Chance geben – und ungeahnte Möglichkeiten entdecken.

Foto: PantherMedia / AllaRudenko (YAYMicro)

Zufall als Chance, das hört sich simpel an, aber ganz so simpel ist es dann doch nicht. Zum einen könnte man – ein sehr interessanter akademischer Ansatz – mehrere Vorlesungssemester mit der Frage füllen, was ein Zufall ist. Gibt es ihn überhaupt? Lässt sich das, was wir als Zufall empfinden, nicht vielleicht doch mit mathematischen oder statistischen Methoden wenigstens annäherungsweise bestimmen? Ingenieurinnen und Ingenieure und vor allem viele Angehörige der MINT-Berufe kennen die Diskussionen.

Für die Berufspraxis soll im Zusammenhang mit Serendipity eine einfache Definition reichen: Als Zufall betrachten wir ein Ereignis oder Ergebnis, das wir im Rahmen unseres geplanten Vorgehens nicht erwartet haben. Soweit zum Thema Zufall. Doch er allein macht noch keine Serendipity, in der deutschsprachigen Variante Serendipität, aus. Was dazu kommen muss, ist die Fähigkeit, ein ungeplantes Ergebnis nicht als Fehler, sondern als Chance zu erkennen und nutzen zu wollen. Welche Bedingungen in Unternehmen dafür notwendig sind, hat die Wiener WU Executive Academy untersucht.

Populäre Serendipity-Resultate: vom Reifenmantel bis zum PTFE

Etwa die Hälfte bahnbrechender Innovationen, sagen die Experten der WU Executive Academy, ist dem Zufall zu verdanken. Um manche dieser Entdeckungen ranken sich unterhaltsame Anekdoten, zum Beispiel um die Erfindung der Vulkanisation 1839: Demnach versteckte Charles Goodyear eine seiner vielen Versuchsanordnungen mit Gummi und Schwefel vor seiner Gattin im Ofen. Das erhitzte Gemisch machte aus dem spröden und klebrigen Gummi ein haltbares Material – die Basis für Reifenmäntel. Goodyear hatte schon viel ausprobiert, auf die Ofenwärme als „Zutat“ war er aber nicht gekommen. Ein weiteres Beispiel, fast hundert Jahre später: die zufällige Polymerisierung von Tetrafluorethylen zu PTFE. Der Chemiker Dr. Roy J. Plunkett arbeitete 1938 mit Gasen im Zusammenhang mit Kältemitteln. Dabei bemerkte er, dass eine gefrorene, komprimierte Probe von Tetrafluorethylen zu einem weißen, wachsartigen Feststoff unter Bildung von Polytetrafluorethylen (PTFE) polymerisierte. Bis heute wird PTFE unter anderem in der Luft- und Raumfahrt, der Kommunikation, der Elektronik, in industriellen Prozesse – und in Bratpfannen (unter dem Markennamen Teflon) eingesetzt. Die Erfolgsstory wäre so nicht möglich gewesen, wenn Plunkett starr an seinem Ziel festgehalten hätte, Kältemittel zu entwickeln.

Reifen

Vom Küchenofen zum Reifenmantel: Wie Zufall die Vulkanisation und damit die moderne Gummiindustrie begründete.

Foto: PantherMedia /
Mehaniq (YAYMicro)

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Das Serendipity-Mindset

„Es ist nicht bloßes Glück oder Zufall, sondern die Kombination aus Zufall und menschlichem Handeln – unsere Fähigkeit, unerwartete Gelegenheiten zu erkennen, miteinander in Zusammenhang zu bringen und sie zu nutzen“, sagt Jakob Müllner, akademischer Leiter des Executive MBA Finance der WU Executive Academy und Professor am Institut für International Business der WU Wien. Prof. Dr. Christian Busch, der an der New York University (NYU) und an der London Business School (LBS) lehrt und forscht, hat dieses Mindset im österreichischen Fintech-Unternehmen Bitpanda beobachtet. Dessen Entstehung soll, wie bei einem Event der WU Executive Academy berichtet wurde, auf eine zufällige Begegnung eines Schiffsmechanikers, eines semi-professionellen Pokerspielers und eines technophilen Landwirts zurückgehen. Zehn Jahre später hielten die drei immer noch die Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen, das dann einen Wert von 4,1 Mrd. $ hatte. Den Erfolg im extrem volatilen, von Unsicherheiten geprägten Umfeld der Kryptowährungen führt Christian Busch auf das Serendipity-Mindset der Unternehmer zurück.

Brücken sehen, nicht Lücken: Wie Serendipität entsteht

„Bei der Serendipity-Mentalität geht es darum, Brücken zu sehen, wo andere Lücken sehen, und das Unerwartete in positive Ergebnisse zu verwandeln“, erklärt Busch und nennt drei wesentliche Bedingungen, damit Serendipity entstehen kann:

  • Handlungsfähigkeit: Die Fähigkeit, unerwartete Gelegenheiten zu erkennen und zu nutzen.
  • Überraschung: Das Auftreten eines ungeplanten Ereignisses oder einer ungeplanten Entdeckung.
  • Nutzen: Die Schaffung von sinnvollen Ergebnissen aus dem Unerwarteten.

Jakob Müllner von der WU Executive Academy betont den Wert des Serendipity-Mindsets in dem aktuellen wirtschaftlichen Umfeld: „Das Serendipity-Mindset ist deshalb so wertvoll, weil sie die Fähigkeit des Einzelnen und die der Organisation verbessert, auf Unsicherheit und Disruption zu reagieren. In einer Welt, die von permanentem Wandel geprägt ist, entspricht dieser Ansatz der Realität, dass nicht alles vorhergesagt oder geplant werden kann.“ Wüllner bedauert, dass Eigenschaften wie Kreativität und Risikoaffinität „historisch gesehen keine natürlichen Kernkompetenzen oder Qualifizierungskriterien“ für Führungskräfte seien.

Was können Unternehmen tun, um Serendipity zu fördern?

„Um sich den Zufall zunutze zu machen, können Führungskräfte aktiv etwas dafür tun, um ein Umfeld zu schaffen, das die Wahrscheinlichkeit von Serendipity erhöht“, so Müllner.

Fünf Tipps des WU-Experten:

  • Funktionsübergreifende Zusammenarbeit fördern
    Serendipity entsteht oft an der Schnittstelle verschiedener Ideen. Mitarbeitende aus verschiedenen Abteilungen brauchen Gelegenheiten, zusammenzuarbeiten und Perspektiven auszutauschen.
  • Eine Kultur der emotionalen Sicherheit schaffen
    Mitarbeitende müssen sich sicher und unterstützt fühlen, wenn sie unkonventionelle Ideen teilen, ohne Angst vor Verurteilungen zu haben. Wenn grundsätzlich jede Meinung oder Idee Gehör findet, können Kreativität und Innovation im Unternehmen deutlich gesteigert werden.
  • In flexible Strukturen investieren
    Starre Arbeitsabläufe verhindern Serendipity. Flexible Rahmenbedingungen dagegen machen Experimente und Iterationen möglich. Agiles Arbeiten fördert adaptive Planung und erweitert den Blick für unternehmerische Chancen.
  • Das Team dabei unterstützen, aufmerksam zu werden und zu bleiben
    Schulungen helfen, Fähigkeiten wie aktives Zuhören, Neugierde und Intuition zu stärken und potenzielle Chancen zu erkennen, die ansonsten vielleicht übersehen würden.
  • Alte und neue Mittel und Technologien zum Austausch nutzen
    Nicht nur klassische Firmenevents, auch Tools wie KI-gesteuerte Empfehlungssysteme können Begegnungen schaffen, bei denen Mitarbeitende andere Mitarbeitende kennenlernen und gemeinsam neue Chancen für das Unternehmen entdecken.

Was das Serendipity-Mindset für Beschäftigte bedeutet

Sind die Weichen im Unternehmen entsprechend gestellt, ist dies eine große Chance für die Beschäftigten, ein Serendipity-Mindset zu entwickeln und selbst davon zu profitieren, beruflich wie privat. Denn geht es nicht allein darum, zu einem besseren Unternehmensergebnis beizutragen. Die neu gewonnene Freiheit kann zu mehr Arbeitszufriedenheit, zu einem höheren Selbstwertgefühl, mehr Kreativität und Freude führen. All dies dürfte zu positiven Veränderungen führen, sei es beim beruflichen Networking oder im privaten Alltag.

Woher kommt der Begriff?

  • Der britische Schriftsteller Horace Walpole soll den Begriff „Serendipity“ erfunden und ihn erstmals am 28. Januar 1754 in einem Brief an einen Freund verwendet haben.
  • Anlass für Horace Walpoles Wortschöpfung war, dass er einen glücklichen Zufall erlebt hatte.
  • Bei der Begriffsbildung bezog er sich auf das Märchen „Die drei Prinzen von Serendip“. Serendip ist eine alte Bezeichnung für das heutige Sri Lanka.
  • In dem Märchen machten die drei aufmerksamen Prinzen zufällige Entdeckungen, die anderen Menschen verborgen geblieben wären.
  • Populär wurde der Begriff  Mitte des 20. Jahrhunderts, als Robert K. Merton, einer der ersten Wissenschaftssoziologen, ihn in einem Wörterbuch entdeckte.

Ein Beitrag von:

  • Barbara Willms

    Barbara Willms

    Barbara Willms ist diplomierte Volkswirtin soz-.wiss. und hat als freie Autorin im In- und Ausland in den Bereichen Print, Hörfunk, TV und Online gearbeitet. Sie schreibt über Immobilien-, Versicherungs- und Verbraucherthemen sowie über berufsbezogene Themen mit psychologischem Hintergrund. Daneben arbeitet Barbara Willms als PR-Beraterin (blackdog-media.de), als Kabarettistin (frauwillms.de) und bildende Künstlerin (gunhillpictures.de).

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