Leisure Sickness: Warum viele Arbeitnehmer im Urlaub krank werden
Warum fühlen sich so viele Arbeitnehmer gerade an freien Tagen krank und erschöpft? Eine aktuelle Studie der IU Internationalen Hochschule zeigt, wie Leisure Sickness durch Stress und ständige Erreichbarkeit die Erholung im Job verhindert.

Leisure Sickness: Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland fühlen sich an freien Tagen erschöpft oder krank – Stress und ständige Erreichbarkeit belasten die Erholung.
Foto: PantherMedia / Dmyrto_Z
Freitagabend, Feierabend – eigentlich Zeit zum Durchatmen. Doch statt Entspannung warten Kopfschmerzen, Schlappheit und ein flaues Gefühl im Magen. Was nach Zufall klingt, erleben viele Arbeitnehmer:innen in Deutschland regelmäßig: Sie werden krank, sobald der Stress nachlässt.
Leisure Sickness – Freizeitkrankheit
Das Phänomen hat einen Namen: Leisure Sickness – also Freizeitkrankheit. Offiziell ist es keine anerkannte Krankheit, aber für viele längst bittere Realität. Warum gerade in der Freizeit der Körper schlappmacht? Laut der Soziologin Prof. Dr. Stefanie André liegt das unter anderem an zu viel Arbeit, zu wenig Pausen und dem Gefühl, immer erreichbar sein zu müssen.
Fast drei Viertel (72 %) der Arbeitnehmer:innen in Deutschland kennen das Gefühl, an freien Tagen oder im Urlaub krank oder völlig erschöpft zu sein. Dieses Phänomen wird Leisure Sickness genannt. Laut einer aktuellen, repräsentativen Studie der IU Internationalen Hochschule erleben rund 19 % diese Beschwerden sogar regelmäßig oder häufig in ihrer Freizeit.
Ursache: Stress bei der Arbeit
Am häufigsten klagen Betroffene über Müdigkeit und Erschöpfung (36,1 %), Schlafprobleme (27,6 %), Reizbarkeit (19 %), Kopfschmerzen (16,7 %) und Erkältungssymptome (14,2 %). Der Titel der Studie bringt es auf den Punkt: „Leisure Sickness – Erschöpft statt erholt.“
Laut Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement an der IU Internationalen Hochschule, kann Leisure Sickness durch Stress bei der Arbeit entstehen. Sie erklärt, dass es mehrere mögliche Auslöser dafür gibt.
„Die Ergebnisse zeigen, dass Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit, hohe Arbeitsbelastung und fehlende Erholung klare Risikofaktoren für Krankheitssymptome an freien Tagen sind. Besonders jüngere Arbeitnehmer:innen fühlen sich häufiger verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit erreichbar zu sein, was zu einer eingeschränkten Erholung führt. Zudem haben sie häufig noch nicht ausreichend Strategien zur Stressbewältigung entwickelt“, erklärt Prof. Dr. Stefanie André, Professorin für Gesundheitsmanagement an der IU Internationalen Hochschule und Expertin für Gesundheit am Arbeitsplatz diese Ergebnisse.
Was Arbeitnehmer:innen besonders belastet – laut IU-Studie
- Hoher Arbeitsdruck: 33,7 %
- Zu wenig Unterstützung durch Vorgesetzte und Kolleg:innen: 30,0 %
- Unklare Aufgabenverteilung: 23,4 %
- Unklare Aufgabenstellungen: 20,8 %
- Ungünstige Work-Life-Balance: 21,9 %
- Lange Arbeitszeiten: 17,3 %
Ein Grund dafür ist auch die ständige Erreichbarkeit. Mehr als die Hälfte der Befragten sagt, dass berufliche Anrufe, E-Mails oder Nachrichten in ihrer Freizeit die Erholung stören. Trotzdem checkt fast jede:r Zweite auch außerhalb der Arbeitszeit dienstliche Nachrichten – über ein Drittel sogar im Urlaub.
Auch die allgemeine Arbeitsbelastung ist hoch: Zwar kommen viele mit dem Stress klar, aber knapp jede:r Zehnte fühlt sich dauerhaft überfordert. Überstunden gehören für die meisten längst zum Alltag – 4 von 5 arbeiten regelmäßig mehr als vertraglich vorgesehen.
Keine Abschaltung in der Freizeit
Hinzu kommt: Selbst in der Freizeit gelingt es vielen nicht, wirklich abzuschalten. 40 % sagen, dass ihr Privatleben nicht ausreicht, um sich vom Job zu erholen. Besonders junge Menschen kämpfen damit – sie finden deutlich seltener Ruhe am Wochenende oder im Urlaub als ältere Beschäftigte.
Und was tun die Arbeitgeber:innen? Nicht genug, finden viele: Nur knapp 47 % der Befragten erleben, dass ihre Firma sich aktiv um Gesundheit und Wohlbefinden kümmert. Der Rest bleibt mit dem Stress allein.
Prof. André erklärt, dass insbesondere Personen mit hohem Arbeitspensum dazu neigten, Erholungspausen zu verkürzen oder ganz ausfallen zu lassen, was zu Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und einem geschwächten Immunsystem führen könne. „In einer Welt, in der private und berufliche Kommunikation zunehmend über dieselben Endgeräte läuft, wird echte Erholung immer schwieriger. Wer ständig erreichbar ist, bleibt im Arbeitsmodus, auch in der Freizeit. Umso wichtiger ist es, aktiv Grenzen zu setzen und sich bewusst Auszeiten zu nehmen – denn ständige Erreichbarkeit verhindert echte Regeneration.“
Bewegungspausen und bewusste Entspannungsphasen können helfen
Außerdem weist sie darauf hin, dass Menschen, die ihre Freizeit ausgewogen und sinnvoll gestalten, seltener Leisure Sickness erleben. Wer nach einer stressigen Arbeitswoche hingegen nur passive Erholung, wie Fernsehen, nutzt, habe eine höhere Wahrscheinlichkeit, an freien Tagen Symptome wie Erschöpfung oder Kopfschmerzen zu bekommen. Unternehmen könnten hier unterstützen, indem sie beispielsweise Bewegungspausen und bewusste Entspannungsphasen in den Arbeitsalltag einbauen.
Für die Studie wurden 2.004 Menschen in Deutschland im Alter von 16 bis 65 Jahren befragt, die alle berufstätig sind. Die Befragung fand vom 24. Januar bis 6. Februar 2025 statt und ist nach Alter und Geschlecht repräsentativ.
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