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Mit moderner Mathematik die optimale Mikrostruktur für nachwachsende Dämmmaterialien finden 01.03.2024, 09:00 Uhr

Optimierung holzbasierter Dämmstoffe

Dämmstoffe aus regenerativen Rohstoffen sind nachhaltiger und besser fürs Klima als konventionelle Dämmstoffe, haben aber einen Nachteil: Ihre Wärmeleitfähigkeit ist höher und ihre Wärmedämmung deshalb geringer. Dies zu ändern ist das Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm „Mathematik für Innovationen“ geförderten Projekts „Optimierung holzbasierter Dämmstoffe“. Die Projektpartner wollen die Wärmeleitfähigkeit unter 35 W/K bringen.

Bild 1. Rendering eines Ausschnitts aus einem der mit Synchrotronstrahlung an der ESRF aufgenommenen 3D Bilder mit Voxelkantenlänge 650 nm. Grafik: Fraunhofer ITWM

Bild 1. Rendering eines Ausschnitts aus einem der mit Synchrotronstrahlung an der ESRF aufgenommenen 3D Bilder mit Voxelkantenlänge 650 nm. Grafik: Fraunhofer ITWM

Optimization of wood-based insulation materials

Abstract: Insulating materials made from renewable raw materials are more sustainable and better for the climate than conventional insulating materials. Insulating materials made from renewable raw materials are more sustainable and better for the climate than conventional insulating materials, but they have one disadvantage: their thermal conductivity is higher and their thermal insulation is therefore lower. Changing this is the aim of the „Optimization of wood-based insulating materials“ project funded by the German Federal Ministry of Education and Research in the „Mathematics for Innovation“ program. The Fraunhofer Institute for Industrial Mathematics, the European Synchrotron Radiation Facility ESRF in Grenoble and the insulation board manufacturer Steico are working on the solution.

1 Einleitung

Platten aus Holz- und anderen Zellulosefasern sind die am häufigsten verwendeten Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen. Ihre Wärmeleitfähigkeit ist jedoch im Allgemeinen höher als die konventioneller Dämmstoffe wie Mineralwolle oder Hartschäume; diese liegt zwischen 20 und 50 W/K. Holzfaserdämmstoffe mit Porositäten über 95 % erreichen dagegen nur Werte unter 38 W/K. Es ist aber schwierig, die Plattenstruktur weiter zu optimieren, um Werte unter 35 W/K zu erreichen. Beim Industriepartner, der Firma Steico, weiß man, dass bei Porositäten bis 90 % Materialdichte und Wärmeleitfähigkeit proportional sind. Für Holzfaserdämmstoffe mit Porositäten über 95 % gilt dieser einfache Zusammenhang jedoch nicht mehr. Einer der Gründe dafür ist, dass neben der Wärmeleitung im festen Material auch der Beitrag der Wärmestrahlung zum Wärmetransport nicht vernachlässigbar ist.

2 Vereinfachte geometrische Strukturmodelle

Der Produktionsprozess hochporöser holzbasierter Dämmstoffe wird von einer Vielzahl an Steuerungsgrößen bestimmt, deren direkte Auswirkungen auf die Mesostruktur aber nicht beobachtet werden können. Die hochporösen holzbasierten Dämmmatten sollen so optimiert werden, dass ihre Wärmeleitfähigkeit unter 35 W/K sinkt. Dazu müssen mathematische Bildverarbeitung, stochastische Geometrie, numerische Mathematik und robuste Optimierung kombiniert werden. Anhand von Bilddaten werden vereinfachte geometrische Strukturmodelle entwickelt, die einerseits wesentliche Struktureigenschaften wie Orientierungs- und Größenverteilungen sowie Verteilung der Masse auf die Klassen „Faser“, „einlagige Faserbündel“ und „mehrlagige Faserbündel“ abbilden können, es andererseits aber ermöglichen, schnell große repräsentative Volumenelemente zu generieren. Dafür werden effiziente numerische Verfahren für die Simulation der Wärmestrahlung in großen Volumina entwickelt. Mithilfe von Methoden des maschinellen oder statistischen Lernens wird schließlich vorhergesagt, wie Produktionsparameter zu wählen sind, um die optimale Struktur zu erzeugen.

3 Strukturoptimierung für holzfaserbasierte Dämmstoffe

Entscheidend für die Wärmedämmung sind Verteilung und Orientierung der Zellulosefasern. Ein Ziel des Projekts ist deshalb, die Mikrostruktur so zu gestalten, dass die resultierende Platte optimal dämmt. Dafür sollen sowohl Orientierung als auch Größe der Faserbündel schichtweise gezielt eingestellt werden.

Es ist nicht möglich, die optimale Struktur rein experimentell zu finden. Stattdessen wird die reale Mikrostruktur dreidimensional abgebildet und ihre Geometrie anhand der Volumenbilder analysiert. Anhand dieser Beobachtungen wird die Mikrostruktur modelliert und anschließend in Realisierungen des Modells der Wärmetransport numerisch simuliert. Das Modell kann dann sukzessive variiert werden, um die optimale Schichtung vorherzusagen.

Das beschriebene Vorgehen ist für viele Materialien etabliert. Im Anwendungsfall „Dämmstoffplatten“ ist es aber aus mehreren Gründen besonders herausfordernd. Zum einen variiert die Mikrostruktur natürlicher Rohstoffe weitaus stärker als die synthetischer, so dass große Volumina analysiert und modelliert werden müssen, um zu sichern, dass die Ergebnisse repräsentativ sind. Die extrem hohe Porosität verschärft dieses Problem nochmals. Zudem macht sie es fast unmöglich, für die 3D-Abbildung mittels Computertomografie ausreichend kleine Proben zu präparieren, ohne die Mikrostruktur empfindlich zu stören. Aber nur kleine Proben können so hochaufgelöst abgebildet werden, dass die dünnen Wände der hohlen Zellulosefasern im Volumenbild vollständig erhalten bleiben. Diese hochaufgelösten räumlichen Abbildungen sind wiederum nicht repräsentativ – nicht nur wegen der hohen Variabilität, sondern auch, weil Fasern und Faserbündel im Vergleich dazu sehr groß sein können. Darüber hinaus muss der Wärmetransport durch Strahlung in die numerischen Simulationen einbezogen werden.

4 Zweiskaliges Analysieren, Modellieren und Simulieren

Das aus der hohen Porosität und Variabilität und dem ungünstigen Verhältnis zwischen Faserwanddicke und Größe von Faserbündeln erwachsende Dilemma wird im Projekt Oho dadurch durchbrochen, dass konsequent auf zwei Skalen abgebildet, analysiert, modelliert und simuliert wird. Die Information aus der feineren Skala wird dabei gemittelt an die gröbere übergeben.

Das feine Modell mit komplett erhaltenen Faserwänden erfasst auch die Kontaktstellen der Fasern und Faserbündel geometrisch korrekt. Mit dieser Detailtreue können aber nur winzige Volumina generiert werden, maximal ein Kubikzentimeter. Allerdings sind mehrere Hundert Mikrometer lange Fasern oder Faserbündel keine Seltenheit. Diese Größen werden auf der nächstgröberen Skala in einem vereinfachten Geometriemodell aus Zylindern oder Balken repräsentiert. Diese einfacheren geometrischen Körper werden dabei so kalibriert, dass sie quasi effektive Wärmeleiteigenschaften haben. Aus ihnen können effizient virtuelle Proben generiert werden, die repräsentativ für die Plattenskala – also die Plattendicke – sind. In diesen circa zehn Zentimeter dicken virtuellen Dämmplatten wird die Wärmeleitung numerisch simuliert, um schließlich auch die Struktur auf dieser Skala zu optimieren.

Freiheitsgrade für die eigentliche Optimierung sind Anzahl und Dicke der Schichten sowie Dichte, Orientierung und Größe der Fasern und Faserbündel in den einzelnen Schichten.

5 3D-Abbildung mit Computertomografie

Computertomografie ist am besten geeignet, die für die Strukturoptimierung benötigte Geometrieinformation zu gewinnen. Die dünnen Wände der Holzfasern lassen sich jedoch nur bei Auflösungen im Submikrometerbereich korrekt abbilden. Zudem absorbiert Zellulose Röntgenstrahlung nur sehr schwach. Im Projekt wurden daher zunächst wenige Millimeter große Proben mit Computertomografie mit Synchrotronstrahlung abgebildet, um die Feinstruktur inklusive der Faserhohlräume ausreichend genau zu erfassen. Um das Probenpräparationsproblem zu vermeiden, wurden lose Faserschüttungen tomografiert (Bild 1).

Für die räumliche Abbildung der Mikrostruktur auf Plattendickenskala wurden am Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. FIW in München aufwändig wenige Zentimeter breite Probensäulen präpariert, die so hoch sind wie die Platten dick. Diese Säulen wurden mit dem Computertomographen des Fraunhofer ITWM in drei Teilen räumlich abgebildet (Bild 2 und Bild 3).

Bild 2. Säulenprobe aus einer hochporösen Holzfaserdämmplatte im Labor-CT am ITWM.

Foto: Fraunhofer ITWM / European Synchrotron Radiation Facility ESRF

 

Bild 3. Visualisierung der rekonstruierten computer-tomografischen (CT) Bilder der Mikrostruktur der Säulenprobe aus Bild 2, Voxelkantenlänge 12.5 µm. Grafik:

Foto: Fraunhofer ITWM / European Synchrotron Radiation Facility ESRF

In den resultierenden Volumenbildern sind Faserorientierung und Faserschichtung über die Plattendicke gut erkennbar. Es ist jedoch nicht möglich, die Mikrostruktur so zu repräsentieren, dass sowohl die Faserwände erhalten bleiben als auch die Porosität korrekt widergespiegelt wird.

Stellt man die Porosität korrekt ein, dann „zerbröseln“ die Fasern. Glättet man die Faserwände, dann verdoppelt sich der Volumenanteil der festen Komponente nahezu. Die Mikrostrukturen verschiedener Dämmplatten können anhand dieser Bilddaten quantitativ verglichen werden, die in ihnen simulierten Wärmeleitfähigkeiten korrespondieren jedoch nicht mit den experimentell bestimmten [1]. Im Projekt Oho wird deshalb derzeit untersucht, inwieweit sich sogenannte Superresolution-Ansätze eignen, die Geometrieinformation von der feinen Skala auf die gröbere zu übertragen.

6 Simulation des Wärmetransports

Für nur wenig poröse Materialien und Verbundwerkstoffe resultiert die effektive Wärmeleitfähigkeit aus den Wärmeleitfähigkeitstensoren der einzelnen Komponenten und deren Verteilung in der Mikrostruktur. Die effektive Wärmeleitfähigkeit kann analytisch berechnet werden. Dafür stehen diverse Softwarelösungen zur Verfügung.

In hochporösen Medien wird Wärme jedoch auch durch Konvektion und Wärmestrahlung im Porenraum transportiert. Erwärmte Faserbündel oder Fasern emittieren Infrarot-Strahlung, die von anderen Faserbündeln absorbiert oder reflektiert wird. Um diese vielfältigen Wechselwirkungen numerisch effizient zu simulieren, folgen im Projekt zahlreiche Photonenbündel simultan zufälligen Pfaden sowohl durch den Porenraum als auch durch die Elemente der festen Komponente des Materials. Auch der Wärmetransport an Kontaktstellen zwischen Fasern und Faserbündeln wird detailliert simuliert. Die Ergebnisse beider Simulationen auf der feinen Skala werden in effektiven Wärmeleitfähigkeitstensoren zusammengefasst an die gröbere Skala übergeben.

Bei Projektabschluss soll die optimierte Schichtstruktur nicht nur theoretisch beschrieben werden. Es ist geplant, die gefundene Lösung am FIW auch im Labormaßstab herzustellen und die Vorhersagen durch Messungen zu validieren.

Projektpartner:

  • Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik
  • Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau
  • Bergische Universität Wuppertal
  • Martin-Luther-Universität Halle
  • STEICO SE Feldkirchen bei München

 

Danksagung: Franz Schreiber, Fraunhofer ITWM und das Team der ID19 am European Synchrotron Radiation Facility ESRF in Grenoble für die CT-Bilder. Aiswarya Nair und Markus Kronenberger, beide Fraunhofer ITWM, für das Volumenrendering in Bild 3.

Literatur

  1. Andrä, H.; Dobrovolskij, D.; Engelhardt, M.; Godehardt, M.; Makas, M.; Mercier, C.; Rief, S.; Schladitz, K.; Staub, S.; Trawka, K.; Treml, S.: Image based micro-structural simulation of thermal conductivity for highly porous wood fiber insulation boards. Wood Science and Technology 57
Von K. Schladitz

Dr. Katja Schladitz
Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM
Fraunhofer-Platz 1, 67663 Kaiserslautern
Tel. +49 631 / 31600-4625
katja.schladitz@itwm.fraunhofer.de
www.itwm.fraunhofer.de

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