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Editorial der Ausgabe 10-2022 02.11.2022, 14:19 Uhr

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Sehr geehrte Leserinnen und Leser, mit Freude begrüße ich Sie zur Oktober-Ausgabe der „Werkstatttechnik online“. Wie gewohnt, drehen sich auch dieses Jahr die Themen der Ausgabe um die Umformtechnik.

Bei meinen letzten Worten an Sie befanden wir uns inmitten der ersten Phase der Corona-Pandemie. In den vergangenen zwei Jahren hat sich unsere Gesellschaft vielen Herausforderungen und Unsicherheiten gestellt und diese gemeistert. Dabei sind wir in Themen wie New Work, Resilienz und Digitalisierung in zuvor undenkbaren Schritten vorangekommen. Umso überraschender sind wir mitten in einen geostrategischen Konflikt geraten, den die Wenigsten im Herzen Europas erwarteten. Folgen, wie Disruptionen in Lieferketten und weitreichende Handelsembargos, treffen uns umgehend. Bereits zuvor angespannte Lieferketten von Komponenten und Materialien sind nun oft gerissen. Waren stauen sich vor den Häfen, volle Auftragsbücher können mangels Rohmaterialien nicht abgearbeitet werden und freie Fertigungskapazitäten bleiben ungenutzt. Vielerorts müssen schwierige Abwägungen getroffen werden, um begrenzte Ressourcen den wichtigsten Produktreihen zuzuweisen. Der Mangel an globalisierten Ressourcen besteht fort.

Mittelfristig droht dem Standort Deutschland ein noch tiefgreifender und potenziell gefährlicher Mangel. Der Winter kommt. Die kostengünstige Erdgasversorgung durch Russland hat Deutschland bislang gewärmt, damit verbundene Risiken erschienen uns bis vor Kurzem vertretbar. Umso schmerzhafter sind nun die Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft. Die neue Beschränktheit der Ressource Energie führt zu einer Vielzahl von Maßnahmen, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Die allgemeine Anstrengung zum Energiesparen, insbesondere von Erdgas, erzeugt neue Herausforderungen. Es kommt zu einer signifikanten Verlagerung zur elektrischen Energie in vielfältiger Anwendung, seien es Wärmepumpen, elektrische Fahrzeuge oder Elektrizität als Prozessenergie. Auf dem Strommarkt resultieren drastisch steigende Preise sowie Engpässe. In Folge kommt es zum Rückgriff auf bereits abgeschaltete Reserven und Ressourcen zur erweiterten Stromerzeugung. Kohlekraftwerke werden reaktiviert oder ihre Abschaltung ausgesetzt und die Kernkraft wird wieder zu einer diskutierten Alternative. Der Preis, den wir unserer Umwelt langfristig abverlangen, wird dabei wenig beachtet. Der 2019 geschlossene European Green Deal, der die Vermeidung von Netto-Emissionen in Europa und damit die Klimaneutralität ab dem Jahr 2050 in Europa vorsieht, tritt in den Hintergrund.

Von besonderer Wichtigkeit ist es nun, trotz oder gerade aufgrund der widrigen Randbedingungen erfinderisch zu sein und neue Lösungen zu entwickeln. Dies ist in Anbetracht der hohen Komplexität und Neuartigkeit der Probleme herausfordernd. Die künstliche Intelligenz und insbesondere das Machine Learning bieten in diesem Zusammenhang bislang ungenutztes Potenzial. Mögliche Anwendungen gibt es im Bereich der Umformtechnik mannigfaltig. Beispiele sind die prädiktive Erkennung von Verschleißgrenzen an Werkzeugen oder die Identifikation optimaler Betriebszustände. Möglicherweise schaffen wir durch die Verwendung der KI auch das notwendige Verständnis und damit die Grundlagen, um neue Lösungen für eine nachhaltige und ressourcengerechte Zukunft zu schaffen.

Aus dem Bereich der Umformtechnik haben wir für Sie eine Auswahl an innovativen und spannenden Beiträgen zusammengestellt. Sie finden Studien, wie maschinelles Lernen in der Tribologie zu neuen Lösungen führt oder die Komplexität mehrstufiger Umformprozesse beherrschbar macht. Weitere Beiträge behandeln neuartige Ansätze zur Überwachung von Kaltfließpressmatrizen oder die KI-basierte Materialüber­wachung beim Feinschneiden. Diese und weitere Beiträge liefern Ihnen hoffentlich den ein oder anderen neuen Denkansatz und steigern Ihren Wirkungsgrad.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre!

Mit den besten Grüßen Ihr Peter Groche

Von P. Groche

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Peter Groche ist Leiter des Instituts für Produktionstechnik und Umformmaschinen an der Technischen Universität Darmstadt. Foto: PtU

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