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Hochtechnologie aus Estland 03.07.2025, 11:25 Uhr

Von der Mikropräzision bis zum XXL-Druckbehälter

Hightech, die hierzulande bisher kaum bekannt ist, gab es anlässlich einer Delegationsreise estnischer Maschinenbau- und Technologieunternehmen zu bestaunen. Gezeigt wurden konkrete Innovationen – und neue Kooperationsansätze für den deutschen Markt.

Student im Forschungslabor: Estnische Unternehmen setzen auf neueste wissenschaftliche Erkenntniss, digitale Fertigungsprozesse und internationales Know-how. Eine Delegation mit Vorzeigebetrieben der estnischen Maschinenbauindustrie war kürzlich in Deutschand zu Gast. Foto: Renee Altrov

Student im Forschungslabor: Estnische Unternehmen setzen auf neueste wissenschaftliche Erkenntniss, digitale Fertigungsprozesse und internationales Know-how. Eine Delegation mit Vorzeigebetrieben der estnischen Maschinenbauindustrie war kürzlich in Deutschand zu Gast.

Foto: Renee Altrov

Im Juni 2025 reiste eine zwölfköpfige Delegation estnischer Maschinenbau- und Technologieunternehmen nach München und Umgebung, um sich mit süddeutschen Partnern aus Industrie und Mittelstand zu vernetzen. Im Gepäck: smarte Fertigung, Automatisierung und Hightech-Komponenten für den deutschen Markt. Im Fokus stand der Auf- und Ausbau von Kooperationen, insbesondere in den Bereichen Fertigungstechnologie, Automatisierung, Spezialmaterialien und Engineering.

Premiere: Estlands Maschinenbau trifft Bayerns Industrie

Während der dreitägigen Reise besuchten die Teilnehmenden sechs ausgewählte bayrische Unternehmen aus dem Maschinenbau und der verarbeitenden Industrie. Dabei gab es beiderseits Einblicke in innovative Fertigungsprozesse, branchenspezifische Herausforderungen sowie maßgeschneiderte Lösungen. Ein besonderer Fokus lag auf dem Austausch mit bayerischen Industrieverbänden sowie Forschungsinstituten – wie dem Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik (IGCV) sowie dem MAI Carbon Cluster. Dieser Spitzencluster des Composites United e.V. (CU) verfolgt bayernweit das Ziel, Leichtbautechnologien großindustriell für verschiedene Anwenderbranchen zu implementieren. Bei den Besuchen ging es darum, gemeinsame Innovationspotenziale im Maschinen- und Anlagenbau auszuloten.

Die Unternehmen aus Estland brachten innovative Technologien für mögliche Kooperationen mit: darunter roboterunterstützte Serienfertigung, schlüsselfertige Automatisierung oder Mikrokomponentenbau.

Foto: Asmus Jurkatam

Begleitet wurde die Delegation von „Trade Estonia“ sowie dem Verband der Estnischen Maschinenbauindustrie (EML). Der Besuch wurde in Zusammenarbeit mit Bayern International – Bayerische Gesellschaft für Internationale Wirtschaftsbeziehungen unter Beteiligung weiterer Institutionen organisiert. Im einzelnen waren der Bayme (Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e. V.), die IHK Nürnberg, der VDMA Bayern und die VBW (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.) beteiligt. Martina Maschauer, Geschäftsführerin von Bayern International, sagt: „Ich freue mich, dass wir Unternehmen aus Bayern und Estland miteinander vernetzen können und damit den Austausch zu europäischen Technologiekooperationen vorantreiben. Die Unternehmen dieser Delegation bringen modernste Fertigungstechnologien, eine hohe Spezialisierung und einen lösungsorientierten Ansatz mit – genau die Qualitäten, die bayerische Industrieunternehmen im internationalen Umfeld schätzen.“

Über Estlands Industrie

Die estnischen Unternehmen gelten als äußerst fortschrittlich: Sie setzen auf digitale Fertigung, spezialisierte Lösungen und internationales Know-how. Estlands Maschinenbauindustrie ist zudem hochgradig exportorientiert: Rund 80 Prozent der Produktion gehen ins Ausland, zunehmend auch nach Deutschland. Die Branche kombiniert eine hohe Fertigungstiefe, digitalisierte Prozesse und agile Strukturen mit ausgeprägter Materialkompetenz.

Großdimensionierte Druckbehälter entstehen bei Estanc mihilfe von über 300 Schweißverfahren. Tiefe Kenntnisse in der Verarbeitung anspruchsvoller Materialien sind ebenfalls essentiell.

Foto: Estanc

Die teilnehmenden Unternehmen brachten innovative Ansätze mit, die sich bestens für Kooperationen mit deutschen Partnern eignen: darunter roboterunterstützte Serienfertigung, schlüsselfertige Automatisierungslösungen oder Mikrokomponenten mit Toleranzen bis ±0,002 mm. „Der estnische Maschinenbau steht für Technologie auf Augenhöhe – und für flexible, lösungsorientierte Partnerschaften. Mit diesem Besuch möchten wir die Zusammenarbeit mit bayerischen Industriepartnern gezielt ausbauen“, sagt Gustav Kotkas vom estnischen Maschinenbauverband EML.

Breites Fertigungsspektrum der estnischen Betriebe

Ein besonderes Merkmal ist die Vielfalt der Spezialisierungen der Teilnehmer: Während Unternehmen wie Estanc komplexe Druckbehälter für Wasserstoff- und CCS-Anwendungen fertigen, entwickeln Anbieter wie Smitech individuelle Automatisierungslösungen, die sich durch Schnelligkeit, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz auszeichnen. Die Firmen Mikroonik und Radius Machining stehen für Mikropräzision in den Fertigungsprozessen beziehungsweise für roboterunterstützte Metallbearbeitung; Afterone, Thorsteel und Torm hingegen bieten Komplettlösungen in den Bereichen Edelstahl, Serienfertigung und Sonderwerkstoffe.

Profile der beteiligten Technologieunternehmen

Afterone OÜ (www.afterone.ee) ist spezialisiert auf die CNC-Fräs- und Drehbearbeitung hochpräziser Metallteile für den Maschinenbau und die Medizintechnik. Gemeinsam mit dem Schwesterunternehmen Equa OÜ werden umfassende Leistungen bis hin zu Schweißen, Schneiden, Biegen und Prototyping angeboten. Das Unternehmen überzeugt durch einen hohen Automatisierungsgrad und den Einsatz modernster CAD/CAM-Lösungen für durchgängig digitalisierte Prozesse.

BLRT Masinaehitus (www.blrt.ee) fertigt Metallkonstruktionen und -bauteile in Serie – inklusive roboterunterstütztem Schweißen sowie mehrachsiger Fräs-und Drehbearbeitung. Besonderheit ist der vollständig digitalisierte Beschaffungs-und Produktionsprozess sowie die breite Werkstoffkompetenz: Von Bauelementen aus Standardstahl bis hin zu hochfesten Legierungen gibt es alles aus einer Hand – ein Vorteil für Kunden aus Flurfördertechnik, Bau, Energie und Zellstoffindustrie.

Estanc AS (www.estanc.ee) entwickelt großdimensionierte Druckbehälter, Wärmetauscher und Sonderanlagen für die Energie-, Wasserstoff-, Chemie- und Lebensmittelindustrie. Mit über 300 Schweißverfahren und Erfahrungen in der Verarbeitung anspruchsvoller Materialien wie Superduplex oder Nickellegierungen bietet Estanc Lösungen für besonders kritische Anwendungen – etwa in CCS-, LNG- und H2-Projekten. Fertigungen bis zu 250 Tonnen Masse und 50 Metern Länge sind machbar.

Mikroonik OÜ (www.mikroonik.com) ist auf die Fertigung hochpräziser Mikrobauteile im Bereich von Ø 0,2 mm bis 32,0 mm bei Toleranzen bis ±0,002 mm spezialisiert. Das Unternehmen beliefert unter anderem die Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, Elektronikindustrie und Uhrenhersteller. Mit Bohrungen ab 0,15 mm und Seriengrößen von 100 bis zu 1 Million Stück wird ein einzigartiges Portfolio im Bereich der CNC-Mikrobearbeitung geboten.

Radius Machining OÜ (www.radius.ee) kombiniert komplexe CNC-Bearbeitung mit Lösungen im Bereich Hydraulik. Zum Angebot zählen auch Rohrleitungssysteme, Schläuche und Baugruppenmontage inklusive Testing und Verpackung. Herausragend ist der Einsatz von Industrierobotern mit bis zu 90 kg Traglast für Serien von 50 bis 100.000 Stück – ideal für Automobilbau, Energieversorgung, Maschinenbau und Logistik.

Schlüsselfertige Automatisierungslösungen für die industrielle Fertigung liefert der estnische Spezialist Smitech.

Foto: Smitech

Smitech OÜ (www.smitech.ee) ist spezialisiert auf schlüsselfertige Automatisierungslösungen für die industrielle Fertigung – von der Anlagenplanung über die Roboterintegration bis zur Inbetriebnahme. Das Unternehmen überzeugt durch kurze Entwicklungszyklen, hohe Agilität und eine starke Kosten-Nutzen-Relation. Kunden stammen unter anderem aus der Elektronik-, Lebensmittel- und Automobilbranche.

Thorsteel OÜ (www.thorsteel.eu) entwickelt maßgeschneiderte Edelstahllösungen für Anwendungen mit hohen Hygiene- und Sicherheitsanforderungen – etwa in der Pharma-, Chemie-, Lebensmittel- und Biotechnologiebranche. Das Angebot reicht von Laboranlagen bis zu komplexen Prozessbehältern mit Funktionen wie Erhitzen, Kühlen, Emulgieren, Druck- und Vakuumsteuerung. Der Betrieb ist ISO 3834–2 zertifiziert und erhält im Sommer 2025 die ASME-U-Zertifizierung.

Ein Komplettanbieter für Metallverarbeitung ist Torm. Das ISO-zertifizierte Unternehmen beliefert bereits zahlreiche namhafte Kunden aus der Energie- und Eisenbahnindustrie in der EU.

Foto: Torm

Torm OÜ (www.torm.ee) ist ein Komplettanbieter für Metallverarbeitung mit breitem Leistungsspektrum: Schweißen, Fräsen, Drehen, Biegen, Pulverbeschichtung und Endmontage. Das ISO-zertifizierte Unternehmen hat bereits namhafte Kunden aus der Energie- und Eisenbahnindustrie in der EU. Es bietet beispielsweise zertifizierte Schweißlösungen auf hohem Niveau.

Zusammenarbeit mit dem deutschen Mittelstand

Für viele der estnischen Unternehmen ist Deutschland bereits ein wichtiger Markt – nun sollen neue Kundenbeziehungen, technologische Partnerschaften und Forschungskooperationen in Bayern dazukommen. Die Kombination aus Qualität, Agilität und wettbewerbsfähiger Kostenstruktur macht estnische Anbieter besonders interessant für mittelständische Betriebe, die flexible Fertigungspartner mit hoher Spezialisierung suchen. Das Projekt wird aufgrund seiner Bedeutung öffentlich gefördert: Es wird finanziert durch die Europäische Union im Vorhaben „NextGenerationEU“.

Über Trade Estonia

Trade Estonia (https://tradewithestonia.com/) fördert den internationalen Handel und unterstützt estnische Unternehmen beim Export ihrer Produkte und Dienstleistungen. Estland, das sich als „digitale Nation“ versteht, entwickelt kontinuierlich fortschrittliche Ansätze, um die digitale Transformation in Schlüsselindustrien wie Bildung, Gesundheitswesen und Verwaltung zu fördern.

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