Hybride Fertigung nimmt Formen an
Forschende wollen das drahtbasierte Lichtbogen-Auftragsschweißen im Hinblick auf eine folgende Fräsbearbeitung optimieren. Helfen sollen Simulationstools.

Als Testobjekt wurde ein Handgriffsegment mittels WAAM (Wire Arc Additive Manufacturing) aufgebaut.
Foto: IFT
Im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Ad-Proc-Add II“ (Advanced Processing of Additively Manufactured Parts II) leistet das Institut für Fertigungstechnik und Photonische Technologien (IFT) der TU Wien einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung hybrider Fertigungsprozesse. In enger Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen aus Österreich, Deutschland und Belgien entwickelte das Institut innovative Ansätze zur Kombination additiver und subtraktiver Verfahren entlang der gesamten Prozesskette.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei simulationsbasierte Prozessmodelle. Sie beschreiben die Topographie, Spannungsverteilung und Deformation von 3D-gedruckten Komponenten bereits vor dem eigentlichen Fertigungsprozess. Mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) wurde die Basis für eine vorausschauende Prozessplanung geschaffen.
In einem weiteren Schritt wurde die Simulation um eine Analyse der Zerspanbarkeit ergänzt – mit dem Ziel, Bearbeitungsstrategien im Vorfeld auf Basis der AM-Daten zu optimieren. Dies ermöglicht eine präzise Definition der minimal nötigen Bearbeitungszugaben und reduziert Materialaufwand und Nachbearbeitungszeit erheblich.
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Zur Praxis: Um die grobe Struktur des gewünschten Bauteils herzustellen, setzten die Österreicher auf das WAAM-Verfahren (Wire-Arc Additive Manufacturing). Dabei wird ein Draht (engl. „Wire“) im Lichtbogen (engl. „Arc“) aufgeschmolzen und auf ein Substrat abgelegt.
Im Zuge des Aufbauprozesses untersuchten die Forschenden, welchen Einfluss verschiedene Prozessparameter und Nachbearbeitungsmethoden auf Oberflächen- und Substruktureigenschaften nehmen. Die Ergebnisse lieferten entscheidende Erkenntnisse für die gezielte Einstellung von Bauteileigenschaften wie Härte, Eigenspannungen und Rauheit.
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Es stellte sich heraus, dass das „Machine Hammer Peening“ (hochfrequente Hammerschläge) eine signifikante Verbesserungen hinsichtlich der Verdichtung und Homogenisierung der Oberflächen erbrachte. Kombiniert wurde dieses Verfahren noch mit „Shot Peening“ (Kugelstrahlen) und „Hirtisation“. Bei letzterem handelt es sich um eine Kombination aus chemischen und elektrochemischen Verfahren zur Glättung additiv gefertigter Bauteile.
Prototyp zu einer CAM-Regel-Engine
Zur digitalen Integration der additiven/subtraktiven-Prozesskette entwickelte das IFT zudem einen Prototyp zu einer CAM-Regel-Engine. Dieser erlaubt die automatisierte Anpassung von Werkzeugbahnen auf Grundlage sensorgestützter Prozessdaten. Das System wurde in eine eigens entwickelte prozessübergreifende Datenbank eingebettet, welche Parameter und Sensordaten aus verschiedenen Fertigungsschritten verknüpft. Damit rückt eine vollständig datengestützte Prozesskette in greifbare Nähe.
Entwickelt für den Mittelstand
Ein besonderes Augenmerk legte das IFT auf die industrielle Anwendbarkeit – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Durch die gezielte Kombination von Forschung, Simulation und praktischer Validierung wurden, gemeinsam mit den 15 österreichischen Industriepartnern, nutzbare Lösungen geschaffen, etwa zur einfachen Integration von WAAM-Prozessen in bestehende Fertigungslinien. Das Ergebnis: Technologien, die praxistauglich, wirtschaftlich und skalierbar sind.
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Das Ad-Proc-Add II-Projekt wurde vom Forschungskuratorium Maschinenbau e.V. (FKM) koordiniert und von namhaften Institutionen wie dem Institut für Werkzeugmaschinen (IfW) Stuttgart und dem Institut für Spanende Fertigung (ISF) Dortmund begleitet. Das IFT übernahm mit seinem interdisziplinären Team unter der Leitung von Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. habil. Friedrich Bleicher eine tragende Rolle. Gefördert wurde das Projekt durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), das Deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) und die Flanders Agency for Innovation & Entrepreneurship (VLAIO).
Weitere Informationen finden sich auf der Webseite des Projekts.