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Winzige Partikel entfernen 21.08.2023, 07:00 Uhr

Intelligenter Rost säubert das Wasser

Mikroplastik, Öl, Nanopartikel, Hormone: Im Wasser befinden sich zahlreiche Schadstoffe, die dort eigentlich nicht hingehören. Forschende der Universität Erlangen-Nürnberg haben nun einen Weg gefunden, wie sie mit intelligentem Rost diese Schadstoffe umweltschonend und effizient entfernen. 

Wassertropfen gleiten durch die Wasseroberfläche

Forschende haben einen Weg gefunden, mit intelligentem Rost Wasser zu reinigen.

Foto: panthermedia.net/gilas

Rost, der Wasser reinigt? Klingt im ersten Moment absurd. Doch genau das ist Forschenden der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nun gelungen. „Unser intelligenter Rost ist billig, ungiftig und recyclebar“, sagt Marcus Halik, Professor am Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Polymerwerkstoffe). „Und wir haben den Einsatz bei allen Arten von Verunreinigungen nachgewiesen und das Potenzial dieser Technik für eine drastische Verbesserung der Wasseraufbereitung aufgezeigt.“

Gereinigtes Abwasser verändert Artenvielfalt in Flüssen

Gelungen ist den Forschenden dieser Durchbruch durch den Einsatz spezieller Eisenoxid-Nanopartikel. Sie machen den Rost sozusagen intelligent. Dadurch ist er in der Lage, je nach Beschichtung der Partikel unterschiedliche Stoffe anzuziehen, zum Beispiel Öl, Nano- oder Mikroplastik, sogar Glyphosat. Aufgrund der Tatsache, dass diese Partikel magnetisch reagieren, lassen sie sich relativ einfach per Magnet aus dem Wasser entfernen. Auch Östrogenhormone hat das Forschungsteam mit ihrer Methode schon einfangen und aus dem Wasser entfernen können. Für sie ein Erfolg, weil gerade diese Hormone schädlich für Wasserlebewesen sind.

Rost wird intelligent durch besondere Moleküle

Schadstoffe umweltfreundlich aus dem Wasser zu entfernen, damit beschäftigt sich Marcus Halik mit seinem Forschungsteam schon seit vielen Jahren. Rasch setzte das Team als Basis Eisenoxid-Nanopartikel in superparamagnetischer Form ein. Das Besondere an ihnen: sie ziehen sich nicht gegenseitig an, reagieren aber auf einen Magneten und lassen sich von diesem anziehen. Das birgt den Vorteil, dass die Partikel nicht verklumpen.

Die Intelligenz fügten sie praktisch in Form von Phosphonsäuremolekülen hinzu. „Nachdem wir eine Schicht der Moleküle auf die Eisenoxidkerne aufgetragen haben, sehen sie aus wie Haare, die aus der Oberfläche dieser Partikel herausragen“, erläutert Halik. Nun mussten die Forschenden noch das ändern, was an der anderen Seite der Phosphonsäuren gebunden ist, und schon konnten sie dadurch die Eigenschaften der Nanopartikeloberflächen beeinflussen. Sie passten sie dann daraufhin an, die verschiedenen Arten von Schadstoffen zu binden.

Intelligenter Rost reagiert sogar mit Hormonen

In den ersten Jahren ihrer Forschung legte das Team vor allem den Fokus auf Schadstoffe, die in großen Mengen vorkamen. So konnte ihr intelligenter Rost schon Rohöl aus dem Mittelmeer und Glyphosat aus Teichwasser entfernen, das aus Teichen in der Nähe der Universität stammte. Bei ihren Tests stellte sich zudem heraus, dass ihr smarter Rost auch Nano- und Mikroplastik mit einfing – zuerst aus Laborproben und dann auch aus Proben von Flusswasser.

Doktorand Lukas Müller wollte noch einen Schritt weiter gehen und herausfinden, ob sich die Eisenoxid-Nanopartikel auch dazu eignen könnten, sogenannte Spurenverunreinigungen wie Hormone zu binden und zu entfernen. Gerade synthetische und natürliche Östrogene sind in großen Mengen im Abwasser enthalten. Diese besondere Art von Abfällen stammt sowohl von uns Menschen, aber auch Nutztiere sind für deren Entstehung verantwortlich. In anderen Forschungsprojekten stellte sich inzwischen heraus, dass sich die vorhandene Konzentration des Östrogens durchaus auf einige Pflanzen und Tiere auswirkt. Konkret auf deren Stoffwechsel und Fortpflanzung.

Weitere Tests sollen intelligenten Rost weiterentwickeln

In den Mittelpunkt seiner Forschung stellte der Doktorand das Östradiol. Es ist das am häufigsten vorkommende Östrogen. Er schaute sich vier weitere sogenannte Derivate an, also Hormone mit ähnlichen Molekülstrukturen. Da Östrogenmoleküle aus einem sperrigen Steroidkörper und Teilen mit leicht negativen Ladungen bestehen, verfolgte Müller den Ansatz, beide Eigenschaften zu nutzen. Das gelang ihm, indem er Eisenoxid-Nanopartikel beschichtete. Dafür nutzte er zwei Gruppen von Verbindungen, eine lange und eine positiv geladene. Als Ergebnis sammelten sich die beiden Moleküle auf der Oberfläche der Nanopartikel. Das Forschungsteam interpretierte dieses Ergebnis so: Zusammen bilden die Moleküle viele Milliarden winziger Taschen, die das Östradiol ansaugen und direkt festhalten.

Damit sie ihre Hypothese untermauern können, haben die Forschenden im ersten Schritt die Taschen genauer unter die Lupe genommen. Für das menschliche Auge sind sie ohne extreme Vergrößerung nicht sichtbar. Dabei ließ sich erkennen, dass die Hormone aus den Laborproben herausgelöst werden konnten. Für einen kompletten Beweis sind weitere Experimente erforderlich. „Wir versuchen anhand verschiedener Puzzleteile zu verstehen, wie sich die Moleküle tatsächlich auf der Oberfläche der Partikel anordnen“, sagt Müller.

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Von Nina Draese