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Reduktion von CO₂-Emissionen 10.07.2023, 07:00 Uhr

Ist klimaneutrales Fliegen bis 2050 möglich?

Europa will in weniger als 30 Jahren klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine deutliche Reduzierung der Treibhausgase notwendig. Hierbei spielt auch der Flugverkehr eine wichtige Rolle. Forschende haben daher untersucht, ob und wie die Luftfahrt bis 2050 ihre CO₂-Emissionen auf null reduzieren könnte.

Flugzeug in der Luft

Die Eindämmung des Flugverkehrs im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen würde zur erheblichen Reduktion der Treibhausgase beitragen.

Foto: © PantherMedia / Viktor Cap

Der Flugsektor verursacht 3,5 Prozent der globalen Klimaerwärmung. Der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen ist beim Fliegen zwei bis dreimal höher als in anderen Verkehrssektoren. Damit ist der Flugsektor auf dem Weg der Klimaneutralität ein wichtiger Hebel, um die CO₂-Emissionen zu senken. Die Internationale Zivilluftraumfahrtorganisation IACO und viele Fluggesellschaften haben bereits zuversichtlich ihre Klimaneutralität bis 2050 angekündigt. Doch ist das überhaupt realistisch? Und wie kann der Flugsektor dieses Ziel erreichen?

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI und der ETH Zürich haben sich dieser Fragestellung angenommen und alle entscheidenden Faktoren in ihre Berechnung einbezogen. Das Ergebnis: Fossiles Kerosin durch nachhaltige Treibstoffe zu ersetzen, reicht nicht aus. Weitere Maßnahmen sind nötig. Doch das Ziel ist nicht unerreichbar.

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Der Flugverkehr verursacht nicht nur CO₂-Emissionen

Für ihre Berechnung haben sich die Forschenden zunächst die Frage gestellt, was genau mit Klimaneutralität oder 0 CO₂-Emissionen gemeint ist. Würde man damit nur die klimaschädlichen Gase meinen, die beim Fliegen selbst entstehen, würde das zu kurz greifen, so die Forschenden. Um eine Klimaneutralität im Flugverkehr zu erreichen, müssten auch die Produktion des Treibstoffs und die gesamte Luftfahrt-Infrastruktur einbezogen werden.

Neben den reinen CO₂-Emissionen, die durch die Herstellung von Treibstoff, den Betrieb von Flughäfen oder das Fliegen selbst entstehen, spielen auch sogenannte Nicht-CO₂-Effekte eine wichtige Rolle bei der Berechnung des Forschungsteams. Zu den nicht-CO₂-Effekten gehören beispielsweise Rußpartikel oder Stickoxide, die in der Luft zu Methan und Ozon reagieren. Im Gegensatz zu reinem CO₂ sind sie deutlich kurzlebiger und bauen sich – je nach chemischer Verbindung – innerhalb weniger Stunden oder Jahre wieder ab. Durch den zunehmenden Flugverkehr summieren sich jedoch die kurzlebigen Klimatreiber und wirken deutlich länger. Eine Reduzierung des Flugverkehrs würde den Abbau der Nicht-CO₂-Effekte beschleunigen. „Indem wir weniger statt mehr fliegen, also quasi den Wasserhahn zu- statt aufdrehen, können wir die Atmosphäre regelrecht kühlen und den Treibhauseffekt des Flugverkehrs tatsächlich Richtung null drücken,“ sagt Romain Sacci vom Labor für Energiesystemanalysen des PSI.

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Nachhaltiger Treibstoff allein ist nicht die Lösung auf dem Weg zum klimaneutralen Fliegen

Weltweit arbeiten Forschende an nachhaltigen Treibstoffen, um erdölbasierte Antriebe zu ersetzen. Die Energiedichte von Elektrobatterien, Brennstoffzellen oder Wasserstoff reicht jedoch nur für kleine bis mittlere Flugzeuge auf Kurzstrecken. Der Großteil an Treibhausgasen im Flugsektor entsteht aber durch große Flugzeuge auf Langstrecken. In diesem Bereich gilt daher sogenanntes Sustainable Aviation Fuel (SAF), künstliches Kerosin, als neuer Lösungsansatz. Dieses könnte herkömmliche Treibstoffe eins zu eins ersetzen, ohne, dass Änderungen an den Flugzeugen vorgenommen werden müssten.

Das künstliche Kerosin wird aus CO₂ und Wasser hergestellt. „Werden die dazu nötigen Prozesse ausschließlich mit erneuerbarer Energie betrieben, ist SAF so gut wie klimaneutral“, sagt Christian Bauer vom PSI-Labor für Energiesystemanalysen. Der große Nachteil ist allerdings, dass die Herstellung von SAF sehr energieintensiv ist. So braucht vor allem die Wasserstoffproduktion durch die Elektrolyse viel Strom. Die energieintensive Herstellung verursacht wiederum hohe Kosten, die sich dann auch auf die Flugtickets niederschlagen würden. Künstliches Kerosin könnte demnach ein klimaneutrales Fliegen ermöglichen, ist aber gleichzeitig mit hohen Kosten und dem Einsatz vieler Ressourcen verbunden.

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Ziel Klimaneutrales Fliegen: Nur möglich durch Reduzierung des Flugverkehrs

Zwar gibt es noch keinen klimaneutralen Treibstoff, doch die Technik macht heute rasante Entwicklungssprünge, sodass die Forschenden davon ausgehen, dass auch die Produktion von künstlichem Kerosin in Zukunft günstiger und effizienter wird. Doch die Forschenden sind sich auch einig, dass die verschiedenen Lösungsansätze nur in ihrem Zusammenspiel zum Ziel führen. Dazu gehört auch eine Reduktion des Flugverkehrs.

„Unterm Strich gibt es für das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität in der Luftfahrt zu erreichen, kein Wundermittel», sagt Sacchi. „Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Doch wenn wir die Infrastruktur zur unterirdischen Speicherung von CO₂ und zur Produktion von SAF zügig und effizient weiterentwickeln und gleichzeitig unseren Flugbedarf einschränken, kann es gelingen.“

Weitere Informationen zum Thema klimaneutraler Flugverkehr: