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Verfahren ist wirtschaftlich 05.02.2024, 07:00 Uhr

CO2-freien Stahl aus Abfallprodukt gewinnen

Einen Elektrolichtbogenofen kennt man aus der Stahlindustrie. Forschende haben ihn nun für ein neues Verfahren verwendet: Sie setzten giftigen Rotschlamm ein und stellten daraus grünen Stahl her. Die Vorteile: Die Produktion könnte nachhaltiger werden, die Umwelt würde weniger belastet, bei geringen Mehrkosten.

Giftiger Rotschlamm breitete sich 2010 in Ungarn kilometerweit aus.

2010 kam es in Ungarn zu einer Naturkatastrophe, weil große Mengen Rotschlamms sich in der Natur ausbreiteten. Das wollen Forschende verhindern.

Foto: Balazs Mohai / dpa / picture alliance

Stahl und Aluminium sind zwei besonders wichtige Materialien. Während Stahl sich für Fahrzeugkarosserien, Eisenbahnschienen, Elemente im Bauwesen, im Schiffbau sowie beim Brückenbau eignet, findet man Aluminium unter anderem bei Fenster, Türen, Fassaden, Griffen, aber auch im Karosseriebau, bei Motorrädern, im Flugzeubau und der Schifffahrt. Ihre Einsatzgebiete sind vielfältig. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass nach Prognosen die Nachfrage nach Aluminium und Stahl bis zum Jahr 2050 um weitere 60 Prozent steigen soll.

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Die beiden begehrten Materialien haben allerdings auch einen entscheidenden Nachteil: ihre Umweltbilanz. Acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Stahlindustrie. Damit ist diese Branche leider auch Spitzenreiter in puncto Treibhausgasemissionen. In der Aluminiumherstellung entsteht sogar zusätzlich noch ein extrem giftiges Abfallprodukt: Rotschlamm. Dieser ist stark alkalisch und enthält Spuren von Schwermetallen wie Chrom. Pro Jahr kommen rund 180 Millionen Tonnen dieses Schlamms zusammen.

Die Lösung für CO2-freien Stahl lautet Plasmareduktion

Länder wie Australien, Brasilien und China trocknen diesen Schlamm bestenfalls und entsorgen ihn in Deponien. Die Folge sind hohe Kosten und sobald es stark regnet, wird der Rotschlamm häufig wieder aus der Deponie herausgeschwemmt. Dann gerät er unkontrolliert in die Natur. Auch in trockener Form ist er nicht ungefährlich, denn der Wind kann ihn als Staub in der Umwelt verteilen. In der Vergangenheit kam es auch in Deponien zu Zwischenfällen: Das alkalische Gemisch greift zum Beispiel Betonwände an und lässt Lecks entstehen. Der Rotschlamm sucht sich dann seinen Weg. 2012 hat das in China und 2010 in Ungarn Umweltkatastrophen ausgelöst.

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Forschende des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung haben nun einen Weg gefunden, diesen Rotschlamm sinnvoll zu nutzen und durch ein bereits bekanntes Verfahren sogar umweltfreundlich zu gestalten. Die Abfälle aus der Aluminiumproduktion bestehen bis zu 60 Prozent aus Eisenoxid. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schmolzen den Rotschlamm in einem elektrischen Lichtbogen und reduzierten zugleich das enthaltene Eisenoxid mit Hilfe eines Plasmas zu Eisen. Dieses Plasma wiederum enthält zu zehn Prozent Wasserstoff. Die Reaktion ist auch als Plasmareduktion bekannt. Sie dauert etwa zehn Minuten. Während dieser Zeit trennt sich das flüssige Eisen von den Flüssigen Oxiden und kann so gewonnen werden. Vorteil dieses Eisens: Es ist so rein, dass es direkt zu Stahl verarbeitet werden kann.

Grüner Wasserstoff als Reduktionsmittel für CO2-freien Stahl

Zurück bleiben Metalloxide, die allerdings nicht mehr korrosiv sind und sich nach dem Abkühlen zu einem glasartigen Material verfestigen. Das ließe sich beispielsweise als Füllmaterial in der Bauindustrie verwenden. Im Rahmen anderer Experimente konnte auf ähnliche Art und Weise mit Koks Eisen aus Rotschlamm hergestellt werden. Da auch dabei extrem viel CO2 entsteht, kamen die Forschenden auf die Idee, grünen Wasserstoff als Reduktionsmittel zu verwenden. „Würde man mit dem grünen Wasserstoff aus den vier Milliarden Tonnen Rotschlamm, die bisher in der weltweiten Aluminiumproduktion anfallen, Eisen herstellen, könnte die Stahlindustrie fast 1,5 Milliarden Tonnen CO2 einsparen“, erklärt Isnaldi Souza Filho, Leiter der Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Eisenforschung.

Die Schwermetalle im Rotschlamm lassen sich mit diesem Verfahren ebenfalls nahezu neutralisieren. Ob dies auch für andere Schwer- oder Edelmetalle gelte, das wollen die Forschenden in weiteren Studien untersuchen. Die wertvollen Metalle ließen sich dann abtrennen und wiederverwenden. Darüber hinaus wären die Schwermetalle dann in den Metalloxiden fest gebunden und könnten zum Beispiel nicht mehr per Auswaschung in die Umwelt gelangen.

Grüner Stahl ist sogar wirtschaftlich darstellbar

Der positive Effekt auf die Umwelt ist das eine. Die Forschenden konnten zusätzlich nachweisen, dass dieses andere Verfahren auch wirtschaftlich von Vorteil sei. Mit Wasserstoff und einem Strommix für den Elektrolichtbogenofen aus nur teilweise erneuerbaren Energien lohne sich das Verfahren, sofern der Rotschlamm mindestens 50 Prozent Eisenoxid enthalte. Unter Berücksichtigung der Entsorgungskosten für den Rotschlamm, sei das Verfahren schon mit 25 Prozent Eisenoxid wirtschaftlich darstellbar. Mit grünem Wasserstoff und Strom sei ein Anteil von 30 bis 40 Prozent Eisenoxid notwendig. Und das seien noch konservative Schätzungen, geben die Forschenden an.

Da die Elektrolichtbogenöfen zudem in der Metallindustrie und auch in Aluminiumhütten weit verbreitet seien, komme dies noch als praktischer Effekt hinzu. Dadurch entstünden auch kaum Investitionskosten, um auf das neue Verfahren umzustellen und damit nachhaltiger zu werden.

Von Nina Draese