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01.12.2016, 00:00 Uhr

Lärmbelastung in Kindertagesstätten

Zusammenfassung Studien zum Thema Stress am Arbeitsplatz in Kindertagesstätten (KiTa) belegen, dass Lärm zu den Hauptfaktoren für Stress gehört. Lärm gilt auch als einer der Hauptgründe für Arbeitsplatzwechsel oder vorgezogenen Ruhestand. Obwohl frühere Studien zeigen, dass in KiTa-Räumen im Allgemeinen keine gehörschädigenden Dauerschallpegel auftreten, bezeichnen Erziehende klar und übereinstimmend den Faktor Lärm als störend und stressig. Dieser Beitrag diskutiert die Ergebnisse einer fragebogenbasierten subjektiven Einschätzung der Lärmwahrnehmung in mehreren KiTa-Gruppen sowie einer Langzeitanalyse von Lärmpegeln in verschiedenen KiTa-Räumen und stellt diese beiden Bewertungen in Beziehung zueinander. Darüber hinaus werden einfache Maßnahmen zusammengetragen, die ohne großen Aufwand zu einer Lärmminderung im KiTa-Umfeld führen können.

Quelle: Panther Media/ DGLimages

Quelle: Panther Media/ DGLimages

Lärm gehört in Kindertagesstätten zu den wesentlichen Belastungsfaktoren für Erziehende [1 bis 3] und gilt auch als einer der Hauptgründe zum Arbeitsplatzwechsel oder vorgezogenen Ruhestand [4]. In früheren Studien zur Erfassung und Bewertung von Lärm in Kindertagesstätten stand eine Lärmpegelmessung über relativ kurze Zeiträume im Vordergrund. Wesentliches Ergebnis war, dass Lärmpegel vorübergehend hoch sein können; äquivalente Dauerschallpegel, bei denen eine Schädigung des Gehörs zu erwarten ist, wurden jedoch nicht festgestellt.

Dieser Beitrag stellt Ergebnisse einer über mehrere Monate durchgeführten Analyse vor, in der zum einen Schalldruckpegel in unterschiedlichen Kindertagesstättenräumen kontinuierlich gemessen wurden. Der Einfluss unterschiedlicher Faktoren, wie Kindesalter (Krippe: Kinderalter 0 bis 3 Jahre, Kindergarten: 3 bis 6 Jahre), Art des Raums, Tages- oder Jahreszeit, konnte so betrachtet werden. Zum anderen wurden mittels Fragebögen subjektive Einschätzungen der Erziehenden zur Lärmbelästigung erfasst und mit den Pegelmessungen verglichen. Alle Messungen und Bewertungen wurden in einer Kindertagesstätte in einer deutschen Großstadt durchgeführt, die über mehrere Krippen- und Kindergartengruppen verfügt.

Neben den Lärmbewertungen wurden einfache, in früheren Studien vorgeschlagene Maßnahmen zur Lärmminderung zusammengetragen, den Beschäftigten vorgestellt und teilweise umgesetzt. Die Erfahrungen und subjektiven Bewertungen dieser Maßnahmen werden in diesem Beitrag ebenfalls vorgestellt.

Subjektive Bewertung der Lärmbelästigung

Zur Einschätzung der intuitiven und aus früheren Studien bekannten Aussage, dass Lärm zu den Hauptfaktoren für Stress am Arbeitsplatz in Kindertagesstätten gehört, wurde eine fragebogenbasierte Bewertung der subjektiven Lärmwahrnehmung in der Kindertagesstätte durchgeführt. An der Befragung nahmen 28 pädagogische Fachkräfte (26 davon weiblich) aus der Krippe (Kinderalter 0 bis 3 Jahre) und acht (alle weiblich) aus dem Kindergarten (3 bis 6 Jahre) teil. Die Teilnehmer beider Einrichtungen gaben im Mittel an, etwa 60 % ihrer Arbeitszeit in den Gruppenräumen zu verbringen. Die restliche Arbeitszeit verteilte sich auf diverse andere Räume (z. B. Flur, Schlafraum, Funktionsraum, Büro, draußen), wobei für keinen Raum im Mittel eine Aufenthaltsdauer von mehr als 10 % angegeben wurde. In Bezug auf die Lärmbelastung wurde zum einen die Stärke und zum anderen die Häufigkeit der empfundenen Lärmbelastung abgefragt und jeweils auf einer Skala von 1 („niedrig“ bzw. „gar nicht“) bis 5 („hoch“ bzw. „oft“) bewertet. Die Bewertungen wurden jeweils bezüglich unterschiedlicher Kategorien gemacht, u. a. in Bezug auf Raum (z. B. Gruppenraum, Funk­tionsraum etc.), Tagesszeit, Wochentag und Jahreszeit. Darüber hinaus wurde gefragt, welches die wesentlichen Lärmquellen sind und an welchen Orten der KiTa diese in der Regel auftreten.

In der Auswertung der Fragebögen zeigten die informellen Reaktionen der Erziehenden beider Altersgruppen, dass Lärm auch in der untersuchten Kindertagesstätte zu den Hauptfaktoren für Stress gehört. Als hauptstörende Lärmquellen wurden Kinderlärm (mittlere Bewertung 3,7 bzw. 4,8 auf der 5-Punkt-Skala für Krippe bzw. Kindergarten) und Spielzeuglärm (3,4 bzw. 3,0) genannt. Alle anderen Faktoren erhielten eine mittlere Bewertung unter 3,0. Kinderlärm wurde zugleich als die am häufigsten auftretende Lärmquelle bewertet (4,4 bzw. 3,6). Der am lautesten bewertete Raum war für beide Altersklassen der Be­wegungsraum (4,2 bzw. 5,0), unmittelbar gefolgt von den Gruppenräumen (3,7 bzw. 4,6), d. h. den Räumen, in denen die Erziehenden den überwiegenden Teil ihres Arbeitstages verbringen. Allgemein wurde die Lärmbelastung von den Erziehenden im Kindergarten um etwa einen Skalenwert höher bewertet als von denen der Krippe.

Die Ergebnisse der subjektiven Bewertungen in Bezug auf den Einfluss von Tageszeit, Wochentag und Jahreszeit sind in den Bildern 1 bis 3 dargestellt (Mittelwerte und Standardabweichungen).

Bild 1 Einfluss der Tageszeit auf die subjektive Wahrnehmung von Lärm in der Kindertagesstätte. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 1 Einfluss der Tageszeit auf die subjektive Wahrnehmung von Lärm in der Kindertagesstätte.

Foto: Fraunhofer IDMT

 

Bild 2 Einfluss der Wochentage auf die subjektive Wahrnehmung von Lärm in der Kindertagesstätte. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 2 Einfluss der Wochentage auf die subjektive Wahrnehmung von Lärm in der Kindertagesstätte.

Foto: Fraunhofer IDMT

 

Bild 3 Einfluss der Jahreszeit auf die subjektive Wahrnehmung von Lärm in der Kindertagesstätte. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 3 Einfluss der Jahreszeit auf die subjektive Wahrnehmung von Lärm in der Kindertagesstätte.

Foto: Fraunhofer IDMT

 

Wenngleich bei der vergleichsweise geringen Anzahl von Teilnehmern nur Tendenzen diskutiert werden können, traten einige Effekte hervor, die sich mit den informellen Aussagen der Befragten deckten. Die Randzeiten der Arbeitstage (Bild 1) wurden als weniger lärmbelastend bewertet, was im Allgemeinen an einer geringeren Kinderanzahl und den typischen Aktivitäten in der Früh- und Spätphase lag. Am Vormittag (9 bis 11 Uhr) und Nachmittag (15 bis 17 Uhr) war die subjektive Lärmbelastung höher (Bewertungen zwischen 3 und 4 für beide Altersgruppen). Ein großer Unterschied zwischen beiden Altersgruppen trat für den Zeitraum 13 bis 15 Uhr auf, was übereinstimmend dadurch begründet wurde, dass der überwiegende Teil der Krippenkinder Mittagsschlaf mache, während dies im Kindergarten nicht mehr der Regelfall sei. Die Bewertungen deuten darauf hin, dass die Phase nach dem Mittagessen im Kindergarten die mit der höchsten Lärmbelastung war.

Bild 2 zeigt die subjektiven Bewertungen für die unterschied­lichen Wochenarbeitstage. Im Allgemeinen lagen die Bewertungen für den Kindergarten ca. einen Skalenwert über den Bewertungen für die Krippe. Für beide Altersklassen ergaben sich ähnliche mittlere Bewertungen für Montag bis Donnerstag (leichte Erhöhung am Montag im Kindergarten) und eine um ca. einen halben bis einen Skalenwert niedrigere Bewertung für Freitag.

In Bezug auf die Jahreszeit (Bild 3) ergab sich für beide Altersklassen das übereinstimmende Bild, dass die höchste subjektive Lärmbelastung im Winter und die niedrigste im Sommer auftrat, was sich mit den informellen Aussagen deckte, dass Spielen im Freien mit geringerer Lärmbelastung verbunden ist als Spiel­phasen in Innenräumen.

Langzeitpegelmessung

Zusätzlich zu den fragebogenbasierten subjektiven Einschätzungen zur Lärmbelastung wurden in insgesamt 12 KiTa-Räumen Langzeitpegelmessungen durchgeführt (siehe auch [5; 6]). Jeweils sechs Räume in der Krippe (zwei Gruppenräume, zwei Schlafräume, Funktionsraum, Flur) und sechs Räume im Kindergarten (zwei Gruppenräume, Ruheraum, Flur, Garderobe, Funktionsraum) wurden hierfür mit je einem Messmikrofon (t.bone SC140) ausgestattet, das in zentraler Position 50 cm unter der Zimmerdecke aufgehängt wurde. Die Mikrofonsignale wurden über eine RME Fireface UC Soundkarte mit einer Abtastrate von 48 kHz digitalisiert und die unbewerteten und A-bewerteten Schalldruckpegel für Blöcke von 125 ms gespeichert. Vor dem Start der Pegelmessung wurden in der Kita in der Zeit zwischen 21 und 22 Uhr die Mikrofone für den Messaufbau einzeln kalibriert. Zur Referenzmessung wurden ein NTI AUDIO XL2 Schallpegelmesser und ein 10 s langes weißes Rauschen als Kalibriersignal verwendet.

Die Pegelmessungen erstreckten sich über einen Zeitraum von Oktober 2014 bis August 2015, wobei aus technischen (vorübergehend notwendige Abschaltung des Messequipments) und organisatorischen Gründen (Einrichtung nicht an allen Tagen besetzt, z. B. an Feiertagen oder bei Ausflügen) nicht für den kompletten Zeitraum auswertbare Messwerte zur Verfügung stehen. Die Kalibrierung aller Mikrofone wurde im Verlauf der Mess­phase überprüft, wobei keine Abweichungen zur Erstkalibrierung festgestellt wurden.

Bild 4 zeigt die exemplarischen Zeitverläufe der gemessenen Pegel in einem Gruppenraum der Krippe (links) und einem Funktionsraum (rechts), jeweils als Durchschnittspegel über Zeitblöcke von 1 s (oben) und 1 min (unten) für den 1. Dezember 2014.

Bild 4 Exempla­rischer Zeitverlauf der Pegelmessungen für einen Gruppenraum (links) und einen Funk­tionsraum (rechts) der Krippe jeweils mit einer Mittelung über 1 s (oben) und 1 min (unten). Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 4 Exempla­rischer Zeitverlauf der Pegelmessungen für einen Gruppenraum (links) und einen Funk­tionsraum (rechts) der Krippe jeweils mit einer Mittelung über 1 s (oben) und 1 min (unten).

Foto: Fraunhofer IDMT

Die ent­sprechenden Nutzungszeiträume der Räume sind deutlich erkennbar, insbesondere die quasi durchgehende Nutzung des Gruppenraums mit Ausnahme einer halben Stunde zur Mittagszeit sowie die ca. eine Stunde dauernde Nutzung des Funktionsraums am Nachmittag.

Für die folgenden Analysen wurde je nach Betrachtungsweise über unterschiedliche Zeiträume gemittelt. Die Analysen sind jeweils nur für die Gruppenräume dargestellt, da dies die Räume mit der bei weitem höchsten Aufenthaltsdauer der Beschäftigten waren.

Bild 5 zeigt die Verteilungen der über Zeiträume von 2 h gemittelten Pegel als Boxplots für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Für beide sind Ergebnisse aus je zwei Gruppenräumen dargestellt (schwarze und graue Linienfarbe).

Bild 5 Langzeitlärmpegel­messung in der Kindertagesstätte. Verteilung der Durchschnittspegel für unterschied­liche Tageszeiten für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 5 Langzeitlärmpegel­messung in der Kindertagesstätte. Verteilung der Durchschnittspegel für unterschied­liche Tageszeiten für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume.

Foto: Fraunhofer IDMT

Datengrundlage für die Krippenräume sind 37 vollständige Wochen (185 Tage), für den Kindergarten 34 vollständige Wochen (170 Tage).

Für die Krippe wird deutlich, dass die Randzeiten (7 bis 9 Uhr und 17 bis 19 Uhr) die geringsten Mediane aufwiesen (53 bis 55 dB(A)), wobei die Größe der Boxen sowie der Länge der Whisker zeigen, dass die Verteilungen sehr breit waren, mit ent­sprechend häufig auftretenden niedrigeren und höheren Pegeln. Die Mediane der Analysezeiträume zwischen 9 und 17 Uhr lagen höher, wobei zwischen 9 und 11 Uhr sowie zwischen 15 und 17 Uhr tendenziell die höchsten Pegel auftraten (65 bis 68 dB(A)). Ausreißer (Kreuze) deuten darauf hin, dass an vereinzelten Tagen deutlich geringere Pegel auftraten, was in Übereinstimmung mit Aussagen der Erziehende auf unterschiedliche Nutzungen der Gruppenräume (bis hin zu „keine Nutzung an einzelnen Tagen“) zurückzuführen ist. Die Medianwerte für den Zeitraum nach dem Mittagessen (13 bis 15 Uhr) lagen ca. 4 bis 6 dB niedriger als in den umliegenden Zeiträumen. Für die Gruppenräume des Kindergartens zeigte sich insgesamt ein ähnlicher Verlauf der Medianwerte und Verteilungen, wobei mit einer Ausnahme auch die Medianwerte vergleichbar waren. Nur im Zeitraum zwischen 13 und 15 Uhr lagen die Medianwerte ca. 7 bis 8 dB oberhalb der Werte für die Krippenräume, was – wie auch die subjektiven Bewertungen (Bild 1) – das unterschiedliche Schlafverhalten der Kinder widerspiegelt.

Bild 6 zeigt die Verteilungen der über den Zeitraum von 8 bis 16 Uhr (Kernarbeitszeit) gemittelten Pegel für jeden Wochentag für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts).

Bild 6 Langzeitlärmpegelmessung in der Kindertagesstätte. Verteilungen der Durchschnittspegel (8 h) für jeden Wochentag für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 6 Langzeitlärmpegelmessung in der Kindertagesstätte. Verteilungen der Durchschnittspegel (8 h) für jeden Wochentag für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume.

Foto: Fraunhofer IDMT

Für die Krippe war erkennbar, dass an allen Wochentagen ähnliche Medianwerte auftraten (Unterschiede ca. 1,5 dB), wobei die niedrigsten Medianwerte in beiden Räumen am Freitag auf­traten (ca. 62 bzw. 64 dB(A)). Für den Kindergarten ergaben sich größere Unterschiede zwischen den Wochentage, wobei jeweils die höchsten Medianwerte am Montag (ca. 65 bzw. 69 dB(A)) und die niedrigsten Werte am Freitag (ca. 62 bzw. 65 dB(A)) auftraten. Der qualitative Vergleich der Medianwerte mit den subjektiven Bewertungen (Bild 2) deutet eine tendenzielle Übereinstimmung an, was den leichten Abfall zum Freitag betrifft, der in der Befragung sowie in der Pegelmessung im Kindergarten etwas stärker ausgeprägt war.

Bild 7 zeigt die Verteilungen der über den Zeitraum von 8 bis 16 Uhr gemittelten Tagespegel für jede Jahreszeit, wobei für jede Jahreszeit ein Zeitraum von neun (Krippe) bzw. acht (Kindergarten) vollständigen Wochen ausgewertet wurde (links: Krippe; rechts: Kindergarten).

Bild 7 Langzeitlärmpegelmessung in der Kindertagesstätte. Verteilungen der Durchschnittspegel (8 h) für jede Jahreszeit für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 7 Langzeitlärmpegelmessung in der Kindertagesstätte. Verteilungen der Durchschnittspegel (8 h) für jede Jahreszeit für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume.

Foto: Fraunhofer IDMT

Die Messungen ergaben die höchsten Medianwerte für Herbst und Winter (63 bis 66 dB(A) in der Krippe, 65 bis 68 dB(A) im Kindergarten), und niedrigere Medianwerte im Sommer und Frühling, wobei die Unterschiede im Kindergarten etwas größer ausgeprägt waren (5 bis 6 dB im Vergleich zu 3 bis 4 dB in der Krippe). Diese Abhängigkeit der Pegel von der Jahreszeit stimmt ebenfalls qualitativ mit den Tendenzen der subjektiven Lärmbewertung (Bild 3) überein.

Neben den über unterschiedliche Zeiträume gemittelten Pegeln wurden auch die auftretenden Spitzenpegel untersucht. Hierfür wurde für Analyseblöcke von 1 s jeweils der gemessene Maximalpegel der 125-ms-Blöcke bestimmt. Bild 8 zeigt die Verteilung dieser Spitzenpegel für die einzelnen Wochentage.

Bild 8 Langzeitlärmpegel­messung in der Kindertagesstätte. Verteilungen der Spitzenpegel für jeden Wochentag für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 8 Langzeitlärmpegel­messung in der Kindertagesstätte. Verteilungen der Spitzenpegel für jeden Wochentag für die Krippe (links) und den Kindergarten (rechts). Schwarze und graue Linien repräsentieren jeweils zwei unterschiedliche Gruppenräume.

Foto: Fraunhofer IDMT

Die Medianwerte lagen hierbei zwischen 93 und 95 dB(A) für die Gruppenräume der Krippe und zwischen 90 und 92 dB(A) für die Gruppenräume des Kindergartens. In der Krippe zeigt das nur sehr seltene Auftreten von Ausreißern unterhalb von 90 dB(A), dass an den meisten Tagen im Zeitraum der Pegel­messungen Spitzenpegel >90 dB(A) auftraten. Im Kindergarten unterschritten die Whisker aller Wochentage den Wert von 90 dB(A), wobei Spitzenpegel unterhalb von 86 dB(A) hier ebenfalls nicht auftraten (1 Ausnahme). Die maximal gemessenen Spitzenpegel betrugen 98 bzw. 97 dB(A) für Krippe bzw. Kindergarten.

Maßnahmen zur Lärmminderung und Lärm­sensibilisierung in Kindertagesstätten

 

„Einfache“ Lärmminderungsmaßnahmen

Im Anschluss an die Auswertungen der fragebogenbasierten Einschätzung der subjektiven Lärmwahrnehmung und der Langzeitlärmpegelmessungen wurde anhand von Literatur­recherchen (siehe [7 bis 9]) und Befragungen der Erziehenden ein Katalog zu Maßnahmen zur Lärmminderung erstellt und den Beschäftigten zur Umsetzung vorgeschlagen. Die Maßnahmen sind in der Tabelle aufgeführt und lassen sich grob in die Kategorien „akustische Sanierung“, „Raumgestaltung“, „organisatorische Maßnahmen“ und „pädagogische Maßnahmen“ unterteilen.

 Katalog von Maßnahmen zur Lärmreduktion in Kindertagesstätten. Fett gedruckte Maßnahmen wurden in der untersuchten Kinder­tagesstätte umgesetzt. Die letzten beiden Spalten geben mittlere Bewertungen der Zufriedenheit der Erzieherinnen mit den Maßnahmen auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 6 (sehr zufrieden) (Mindestanzahl von Antworten: 5). Quelle: Fraunhofer IDMT

 Katalog von Maßnahmen zur Lärmreduktion in Kindertagesstätten. Fett gedruckte Maßnahmen wurden in der untersuchten Kinder­tagesstätte umgesetzt. Die letzten beiden Spalten geben mittlere Bewertungen der Zufriedenheit der Erzieherinnen mit den Maßnahmen auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 6 (sehr zufrieden) (Mindestanzahl von Antworten: 5).

Foto: Fraunhofer IDMT

 

Abgesehen von den Maßnahmen zur akustischen Sanierung [10] umfasst der Katalog Ansätze, die mit wenig finanziellem Aufwand umgesetzt werden können.

Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen wurden in der Kindertagesstätte im Untersuchungszeitraum umgesetzt, wobei die Umsetzungen pro Gruppe und Einrichtung (Krippe/Kindergarten) nicht einheitlich oder zeitlich synchronisiert erfolgte. Die Entscheidung für oder gegen die Umsetzung einzelner Maßnahmen wurde einzig von der Einrichtung getroffen und basierte maßgeblich auf guter Vorerfahrung einzelner Personen und/ oder hohen Erwartungen an die Maßnahmen. Für die umgesetzten Maßnahmen wurden von insgesamt 19 Erziehende aus Krippe und Kindergarten ca. ein Jahr nach der Umsetzung Bewertungen der Zufriedenheit mit den umgesetzten Maßnahmen erfasst. Bewertungen wurden auf einer sechsstufigen Skala (1: sehr unzufrieden, 2: ziemlich unzufrieden, 3: eher unzufrieden, 4: eher zufrieden, 5: ziemlich zufrieden, 6: sehr zufrieden) abgegeben, wobei nicht alle Erziehende alle Maßnahmen bewerteten. Die letzten beiden Spalten in der Tabelle enthalten die Mittelwerte der Bewertungen für Maßnahmen, für die mindestens fünf Einzelbewertungen vorlagen.

Die Bewertungen zeigten insgesamt eine große Zufriedenheit mit den umgesetzten und erprobten Maßnahmen. Wenngleich die geringe Fallzahl der Befragten bei weitem keine allgemeinen Aussagen erlaubt, fällt auf, dass beinahe alle Bewertungen zwischen „ziemlich zufrieden“ und „sehr zufrieden“ liegen. Dies könnte darauf hindeuteten, dass (abgesehen von der akus­tischen Sanierung) bereits mit wenig finanziellem Aufwand eine subjektiv empfundene Verbesserung der Lärmbelastung erreicht werden kann.

Lärmometer und Lärmtagebuch

Neben den „einfachen“ Maßnahmen zur Lärmreduktion wurden technische Lösungen entwickelt, die zur Sensibilisierung für das Thema Lärm dienen sollten. Diese Maßnahmen waren an die für die Pegelmessungen verwendeten Mikrofone gekoppelt und bestanden jeweils in einer angepassten Visualisierung der Lärmbelastung. Zum einen wurde dabei die momentane Lärmbelastung grafisch als „Lärmometer“ in den Gruppenräumen auf einem Tablet-PC angezeigt. Hierbei wurde nach einer Konzeptionsphase die Pegelmessung mit Verfahren der akus­tischen Signalklassifikation kombiniert, sodass subjektiv empfundene „Fehlalarme“, d. h. Anzeigen hoher Lärmbelastung in falschen Situationen vermieden werden konnten (siehe [6]). Dies kann z. B. dann auftreten, wenn gemeinsam gesungen wird („gewollter Lärm“) oder alle Kinder zwar leise sind, die Erziehende in der Nähe des Mikrofons laut sprechen (z. B. vorlesen), sodass eine entsprechende Anzeige hoher Lärmbelastung zu Verwirrung führen kann. Die grafische Darstellung wurde nicht durch Zahlen oder eine klassische rot-gelb-grün-Darstellung realisiert, sondern mit kindgerechten Grafiken (z. B. sich zunehmend vor dem Lärm versteckende Tiere), die gegenüber der Ampeldarstellung von den Erziehenden als passender und kindgerechter bewertet wurden (siehe [6]).

Als zweites Sensibilisierungswerkzeug wurde ein Lärmtagebuch als Webanwendung umgesetzt, in dem die Pegelmesswerte aller Räume für vergangene Zeiträume abgerufen und grafisch dargestellt werden konnten (Bild 9).

Bild 9 Beispielhafter Tagesüberblick im Lärmtagebuch für einen Gruppenraum in der untersuchten KiTa. Quelle: Fraunhofer IDMT

Bild 9 Beispielhafter Tagesüberblick im Lärmtagebuch für einen Gruppenraum in der untersuchten KiTa.

Foto: Fraunhofer IDMT

Dies bietet den KiTa-Mit­arbeitern die Möglichkeit, aus Sicht des Lärms ihre Arbeitsabläufe zu bewerten und ggf. zu verändern.

Zusammenfassung

Die hier vorgestellten Studien wurden im Rahmen des Verbundprojekts SmartKita (www.smart-kita.com) durchgeführt, in dem neben Lärm auch andere Stressfaktoren für Erziehende am Arbeitsplatz untersucht wurden (u. a. verdichtete Arbeitsprozesse, mangelnde Regenerationsmöglichkeiten). Die Ergebnisse in Bezug auf Lärm bestätigten frühere Studien, dass Lärm zu den wesentlichen Stressfaktoren am Arbeitsplatz in der KiTa zählt. Die in subjektiven Befragungen gefundenen Einflüsse von Tageszeit, Wochentag und Jahreszeit auf die Lärmbelastung zeigten sich qualitativ auch in den über mehrere Monate durchgeführten Langzeitpegelmessungen, wenn Medianwerte der Pegelverteilungen betrachtet wurden. Diese Medienwerte lagen wochentagabhängig zwischen ca. 62 und 68 dB(A), wenn Pegelverteilungen über Analysezeiträume von acht Stunden betrachtet wurden. Spitzenpegel hingen dagegen nicht vom Wochentag ab und lagen an den meisten Messtagen im Untersuchungszeitraum über 90 dB(A).

Das ausdrücklich gewünschte und generell mit Freude verknüpfte Spielen der Kinder wurde in den Befragungen als Hauptlärmquelle angegeben, was eine Diskrepanz zwischen den positiven Assoziationen und der gleichzeitig auftretenden Lärmbelastung ausdrückt. Da eine räumliche Trennung von „Lärmquellen“ und Betroffenen als Maßnahme zur Entlastung in diesem Arbeitsfeld nicht infrage kommt, wurde anhand der Literatur und von Befragungen ein Katalog von Maßnahmen zur Lärm­reduktion erstellt und teilweise in der untersuchten KiTa umgesetzt. Abgesehen vom Einbau akustisch wirksamer Deckenelemente bestanden die Maßnahmen des Katalogs aus Ansätzen der Raumumgestaltung, Organisation oder pädagogischen Gestaltung, die mit relativ wenig finanziellem Aufwand umgesetzt werden können. Einige der Maßnahmen scheinen dabei sehr naheliegend und kostengünstig zu sein (z. B. Filzgleiter unter Stuhl- und Tischbeinen), sodass es verwundern mag, dass sie nicht ohnehin als Standardmaßnahme etabliert sind. Andererseits deutet dies darauf hin, dass ein explizites Auseinandersetzen mit dem Thema Lärm und mit Maßnahmen zur Lärmreduktion auch einfache Lösungen hervorbringen kann. Alle in der untersuchten KiTa erprobten Maßnahmen erhielten dabei sehr gute Bewertungen durch die Beschäftigten. Ein Zusammenhang zwischen den Langzeitpegelmessungen und der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen konnte dabei im Rahmen des Projekts nicht untersucht werden, da der Messzeitraum nur teilweise mit der Umsetzung übereinstimmt und andere Faktoren (u. a. Jahreszeit) eine wesentliche Rolle spielen und bei einem solchen Vergleich kontrolliert werden müssten. Ebenso steht die Erprobung der entwickelten Sensibilisierungsmaßnahmen Lärmo­meter (Visualisierung des Lärms in Echtzeit) und Lärmtagebuch (aufbereitete Analyse von Lärmverläufen) über einen längeren, aussagekräftigen Zeitraum noch aus.

Danksagung

Dieses Projekt wurde vom Bundesministe­rium für Bildung und Forschung (BMBF) unter der Fördernummer FK16SV6117 unterstützt. Wir danken den Projektpartnern pme Familienservice GmbH, SIBIS Institut für Sozialforschung und Projektberatung GmbH, locate solution GmbH sowie handwäsche schwarz + peter gbr für die Unterstützung bei den Messungen und Evaluationen sowie der Gestaltung des Lärmometers.

 

 

 

Literatur

[1] Hocke, N.: Wie gehts im Job? KiTa-Studie der GEW. Hrsg.: GEW Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Hauptvorstand Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit. Frankfurt a. M. 2007.

[2] Thinschmidt, M. et al.: Erzieher/innengesundheit. Handbuch für Kita-Träger und Kita-Leistungen. Hrsg.: SMS Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz. Dresden 2009.

[3] Rudow, B.: Zusammenfassende Darstellung der Belastungen, der Ressourcen und der Gesundheit bei Erzieherinnen. www.gew-berlin.de/public/media/040510_Belastung_ Erzieher_BaWue.pdf

[4] Immer mehr gehen vorzeitig in Rente. VdK-Zeitung vom 25. Februar 2013. www.vdk.de/deutschland/pages/presse/vdk-zeitung/64953/immer_mehr_gehen_vorzeitig_in_rente.

[5] Rennies, J. et al.: Assessment of Kindergarten noise by means of psychoacoustic metrics. EuroNoise 2015, Maastricht, Niederlande.

[6] Nsabimana, F. X. et al.: Subjektive Wahrnehmung und Monitoring von Lärm in Kindergärten. DAGA 2016, Aachen.

[7] Pielsticker, G.; Peters, T.: Lärmprävention in Kindertageseinrichtungen. Hrsg.: Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen. www.unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/ Sonderschriften/S07_Laerm_Kitas.pdf

[8] Merkblatt Lärmschutz in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen. Es geht auch etwas leiser. Hrsg.: Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz. Mainz 2007. www.mufv.rlp.de/fileadmin/img/inhalte/laerm/ HANDREICHUNG_Laermschutz_in_Schulen.pdf

[9] Heese, P. et al.: Entspannung für alle Ohren – Weniger Lärm in Kindertagesstätten. Hrsg.: Unfallkasse Nord. Hamburg 2012. www.uk-nord.de/fileadmin/user_upload/pdf/publikationen/ Entspannung_fuer_alle_Ohren.pdf

[10]: Nocke, C.: Akustische Gestaltung von Schulräumen. In: Schönig, W.; Schmidtlein-Mauderer, C. (Hrsg.): Gestalten des Schulraums. Bern: hep Verlag 2013.

 

 

 

Von Dr. Jan Rennies-Hochmuth und Dr. François Xavier Nsabimana

Dr. Jan Rennies-Hochmuth und Dr. François Xavier Nsabimana, Fraunhofer IDMT, Hör-, Sprach- und Audiotechnologie, Oldenburg.