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Elektroaktive Polymere 03.07.2025, 11:00 Uhr

Schlüsseltechnologie für nachhaltige Heiz- und Kühlsysteme

Elektroaktive Polymere bieten zukunftsweisende Lösungen für nachhaltige Heiz- und Kühlsysteme. Am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP entstehen innovative elektrokalorische Materialien, die ohne schädliche Kältemittel auskommen und zugleich höchste Effizienz bieten. Diese Technologie ermöglicht umweltfreundliches Heizen und Kühlen in Anwendungen wie Wärmepumpen, Fahrzeuginnenräumen und Elektronik.

Elektrokalorische Polymerfolie mit geringer Schichtdicke für den Aufbau von Heiz- und Kühlelementen. Foto: Fraunhofer IAP

Elektrokalorische Polymerfolie mit geringer Schichtdicke für den Aufbau von Heiz- und Kühlelementen.

Foto: Fraunhofer IAP

Elektroaktive Polymere reagieren auf Kräfte, Verformungen und Temperaturänderungen mit elektrischen Signalen. Sie können sich unter elektrischen Spannungen verformen oder ihre Temperatur ändern. Gezielte Temperaturänderungen sind dabei besonders interessant für Heiz- und Kühlsysteme. Elektrokalorische Polymere bilden den Schlüssel für diese Anwendung. Forschende am Fraunhofer IAP entwickeln elektrokalorische Materialien und deren Prozessierung zu funktionalen Komponenten. Als Herzstück eines optimierten Gesamtsystems sind sie eine wichtige Grundlage für die Entwicklung effizienter und kompakter Heiz- und Kühlsysteme, die ohne schädliche Kältemittel auskommen.

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Elektrokalorische Polymerfolien: Dünn, leistungsstark und vielseitig einsetzbar

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IAP haben elektrokalorische Polymerfolien mit einer geringen Dicke von nur 4 µm entwickelt und zu mehrlagigen Komponenten verarbeitet. In Zukunft sollen sie in unterschiedlichen Systemen zum Heizen und Kühlen eingesetzt werden – beispielsweise in Wärmepumpen, zur Temperierung von Fahrzeuginnenräumen, Batteriemodulen, elektronischen Komponenten, Schaltschränken oder Lasersystemen. „Geringe Schichtdicken sind entscheidend dafür, die elektrokalorischen Systeme schon mit Spannungen weit unterhalb von einem Kilovolt betreiben zu können“, erklärt Dr. Michael Wegener, Leiter der Abteilung Sensoren und Aktoren am Fraunhofer IAP. Zusammen mit seinem Team entwickelt und verbessert er verschiedene elektroaktive Polymere (EAP) für vielfältige Einsatzbereiche, zum Beispiel als elektromechanische Sensoren und Aktoren für Soft Robotik, Automatisierung, Schall- und Schwingungsdetektoren, Ultraschallwandler, pyroelektrische Schichten für Infrarot-Sensoren oder als elektrokalorische Materialien für das Heizen und Kühlen.

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Elektrokalorische Polymere: Temperaturwandler für innovative Wärmepumpen

Elektrokalorische Polymere reagieren auf elektrische Spannungsänderungen mit Temperaturänderungen. Das plötzliche Anlegen eines elektrischen Felds führt zu einer sprunghaften Erhöhung der Temperatur, die umso größer ist, je stärker sich das elektrische Feld ändert. Grund dafür sind polare Strukturen im Material, die sich unter elektrischem Feld ausrichten und dabei Energie abgeben. Nach dem Abschalten des Feldes nehmen sie Energie auf, wodurch das Material sprunghaft abkühlt. Für den technischen Einsatz in Heiz- und Kühlsystemen müssen diese Prozesse hochfrequent wiederholt und so gesteuert werden, dass Erwärmen und Erkalten in unterschiedlichen Umgebungen stattfinden. Nur so entstehen Wärmepumpen mit dauerhaft warmen und kalten Bereichen. Entscheidende Materialeigenschaften sind dabei eine große Änderung der elektrischen Polarisation, hohe dielektrische Festigkeit, geringe thermische Verluste und gute mechanische Stabilität.

Maßgeschneiderte elektrokalorische Materialien für vielfältige Anwendungen

Die Forschenden am Fraunhofer IAP verbessern gezielt die Eigenschaften der elektrokalorischen Materialien und entwickeln maßgeschneiderte Komponenten für spezifische Anwendungen. Der Fokus liegt auf chemischen und physikalischen Modifikationen an PVDF-Terpolymeren sowie auf der Entwicklung mehrlagiger dünner Polymerfolien, die für höchste Temperaturänderungen optimiert sind. Diese Entwicklungen sind entscheidend für den Einsatz in modernen Heiz- und Kühlsystemen, die ohne klimaschädliche Kältemittel auskommen.

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Dünnschichttechnologien: Basis für effiziente elektroaktive Polymere

Elektroaktive Polymere stellen hohe Anforderungen an die Dünnschichtprozessierung und den Aufbau von Mehrlagensystemen. Die Homogenität der Polymerfolien, hohe elektrische Spannungsfestigkeit und die gewünschten Funktionseigenschaften – insbesondere große Temperaturänderungen – sind dabei entscheidend. „Zuerst optimieren wir die Werkstoffe durch chemische Veränderungen, thermische oder strahlungsinduzierte Nachbehandlung oder das Hinzufügen von Füllstoffen. Danach entwickeln wir spezielle Fertigungsmethoden wie Rakel-, Beschichtungs- oder Druckprozesse und optimieren die Herstellungsparameter, um die dünnen Folien mit den gewünschten Eigenschaften herzustellen. Im letzten Schritt konzentrieren wir uns darauf, weitere Verfahren zu optimieren, beispielsweise das mechanische Verstrecken der Folien oder das Auftragen von Elektrodensystemen mit geeigneten thermischen Eigenschaften“, fasst Wegener die Entwicklungsphasen für die elektrokalorischen Polymerfolien zusammen.

Mehrlagige elektrokalorische Komponenten für maximale Leistung

Das Stapeln von Einzelfolien zu mehrlagigen Strukturen – den sogenannten Komponenten – ist ein zentraler Aspekt bei der Entwicklung effizienter Heiz- und Kühlsysteme. Durch das Übereinanderschichten mehrerer Folien mit zwischenliegenden Elektroden steigt die Menge des aktiven elektrokalorischen Polymers, ohne die benötigte Betriebsspannung zu erhöhen. Ein solcher Aufbau sorgt für die notwendige thermische Masse, um die Materialien in Heiz- und Kühlanwendungen effizient zu nutzen.

Fraunhofer-Leitprojekt „ElKaWe“: Elektrokalorische Wärmepumpen im Fokus

Die neu entwickelten elektrokalorischen Polymerfolien und Komponenten sind das Ergebnis des Fraunhofer-Leitprojekts Elektrokalorische Wärmepumpen (ElKaWe). In diesem Projekt arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von sechs Fraunhofer-Instituten zusammen, um innovative polymerbasierte und keramische elektrokalorische Materialien sowie leistungsfähige Ansteuerungselektronik zu entwickeln. Wärmepumpen auf Basis elektrokalorischer Materialien haben das Potenzial, herkömmliche Systeme mit Kompressoren und klimaschädlichen Kältemitteln zu ersetzen und bieten eine umweltfreundlichere und effizientere Alternative zum Heizen und Kühlen.

Von Fraunhofer IAP