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Extremzustände erforscht 30.07.2025, 10:00 Uhr

Stabile Überhitzung: Forschungsteam sprengt Temperaturgrenze von Gold mit Laserspektroskopie

Ein Forschungsteam internationaler Universitäten hat durch extrem schnelle Laserbestrahlung erstmals eine stabile Überhitzung von Gold auf über 19 000 Kelvin nachgewiesen. Das Ergebnis widerspricht der etablierten Theorie der Entropiekatastrophe und deutet auf neue physikalische Grenzbereiche für Festkörper hin. Die Untersuchungen mit innovativer Laserspektroskopie an dichten Plasmen liefern neue Impulse für die Hochenergie-Dichte-Physik und die Forschung in planetaren und fusionsphysikalischen Kontexten.

Ein internationales Forschungsteam hat mithilfe eines Lasers eine Goldprobe überhitzt. Anschließend schickten sie ultrahelles Röntgenlicht durch die Probe, um die Geschwindigkeit – und damit die Temperatur – der schwingenden Atome in der Probe zu messen. Foto: Greg Stewart/SLAC

Ein internationales Forschungsteam hat mithilfe eines Lasers eine Goldprobe überhitzt. Anschließend schickten sie ultrahelles Röntgenlicht durch die Probe, um die Geschwindigkeit – und damit die Temperatur – der schwingenden Atome in der Probe zu messen.

Foto: Greg Stewart/SLAC

In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift Nature beschreibt ein internationales Forschungsteam einen außergewöhnlichen Versuch: Gold wurde auf über 19 000 K erhitzt – mehr als das 14-fache seines Schmelzpunkts – und blieb dabei in seiner festen, kristallinen Struktur. Das Ergebnis widerspricht der bisherigen Annahme eines festen thermodynamischen Grenzwerts für Festkörper, der sogenannten Entropiekatastrophe. Diese Theorie besagt, dass kein Festkörper bei Temperaturen oberhalb des etwa dreifachen Schmelzpunkts stabil bleiben kann.

Da der Schmelzpunkt von Gold bei 1 337 K liegt, wurde diese Grenze im Experiment mehr als verdreifacht. Die Forschenden stellten fest, dass das Material dennoch nicht schmolz – ein klarer Widerspruch zur etablierten Theorie.

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Ultrakurze Laserpulse als Auslöser des Temperaturrekords

Das Experiment wurde am SLAC National Accelerator Laboratory der Stanford University durchgeführt. Dort beschoss das Team, bestehend aus Forschenden der University of Nevada, Reno, des SLAC National Accelerator Laboratory, der University of Oxford, der Queen’s University Belfast, des European XFEL und der University of Warwick, eine dünne Goldfolie mit einem intensiven Laserpuls von nur 50 Femtosekunden Dauer – das entspricht 50 Billiardstel einer Sekunde.

Die extreme Geschwindigkeit der Erhitzung gilt als zentrale Ursache dafür, dass das Gold trotz der enormen Temperatur seine feste Struktur beibehielt. Die Forschenden vermuten, dass durch die rasante Energiezufuhr die atomare Ordnung des Metalls erhalten blieb, bevor thermodynamische Gleichgewichtsprozesse einsetzen konnten.

Neue Grenzbereiche für Festkörperzustände denkbar

Die Beobachtungen legen nahe, dass die theoretisch postulierte Grenze für die Überhitzung fester Materie – also das Konzept der Entropiekatastrophe – nicht universell gültig sein könnte. Wenn die Erhitzung eines Materials schnell genug erfolgt, könnte sich das bisher angenommene Limit als unzutreffend erweisen oder gänzlich entfallen.

Das Experiment hebt somit einen potenziell neuen physikalischen Bereich hervor, in dem Festkörper unter extremen Bedingungen stabil bleiben können, obwohl klassische thermodynamische Modelle ein anderes Verhalten vorhersagen würden.

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Laserspektroskopie in der Hochenergie-Dichte-Physik

Für das Experiment kam eine neuartige Form der Laserspektroskopie für dichte Plasmen zum Einsatz. Diese Methode erlaubt es, Zustände extrem erhitzter Materie präzise zu analysieren, ohne das Material vollständig zu zerstören. Die Kombination aus ultrakurzer Bestrahlung und spektraler Erfassung eröffnet neue Perspektiven in der experimentellen Festkörperphysik unter Hochdruck- und Hochtemperaturbedingungen.

Potenziale für Planetenphysik und Fusionsforschung

Die Ergebnisse sind nicht nur für die Grundlagenphysik relevant. Auch die Planetenphysik, in der Zustände hoher Temperatur und Dichte im Inneren von Gasriesen simuliert werden, sowie die Fusionsenergieforschung, die auf das Verständnis extrem verdichteter Materie angewiesen ist, profitieren von der neuen Methodik und den Erkenntnissen.

Die Übertragbarkeit der Beobachtungen auf andere Materialien ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Ziel ist es, die Bedingungen zu verstehen, unter denen sich Festkörper auch jenseits bisheriger thermischer Grenzwerte stabilisieren lassen.

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Beitrag zur internationalen Grundlagenforschung

Die in Nature publizierte Studie trägt dazu bei, grundlegende Annahmen der Festkörperphysik unter extremen Bedingungen zu hinterfragen. Durch die Kombination aus internationaler Forschungszusammenarbeit und experimenteller Präzision konnte gezeigt werden, dass etablierte Grenzen wie die Entropiekatastrophe nicht uneingeschränkt gelten müssen.

Mit der stabilen Überhitzung von Gold auf über 19 000 K liefert das Team einen neuen Anknüpfungspunkt für künftige Forschungen zur Materialstabilität in Extremsituationen und zur Weiterentwicklung spektroskopischer Methoden in der Hochenergiephysik.

Von European XFEL GmbH / Rolf Müller-Wondorf