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Erneuerbare Materialien 10.11.2025, 11:00 Uhr

Rotorblätter aus Naturfasern: Nachhaltige Werkstoffe für Kleinwindanlagen

Die Entsorgung alter Windkraftanlagen stellt die Branche zunehmend vor Herausforderungen – insbesondere die Rotorblätter gelten als problematisch. Ein Forschungsteam der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Kiel untersucht nun, ob Naturfasern wie Flachs oder Balsaholz eine nachhaltige Alternative zu glas- und kohlefaserverstärkten Kunststoffen bieten können. Das Ziel: ein funktionsfähiger Prototyp für Kleinwindanlagen mit deutlich verbesserter Umweltbilanz.

Projektteam der HAW Kiel. Foto: Leandra Freese / HAW Kiel

Projektteam der HAW Kiel.

Foto: Leandra Freese / HAW Kiel

Jährlich entstehen durch ausgediente Rotorblätter von Windkraftanlagen zehntausende Tonnen Abfall – Tendenz steigend. Mit dem Rückbau älterer Windparks wird sich diese Menge in den kommenden Jahren weiter erhöhen. Während Stahl und Beton von Windkraftanlagen zu einem großen Teil recycelt werden können, stellt die Entsorgung der Rotorblätter eine besondere Herausforderung dar.

Im Projekt „Entwicklung von Rotorblättern für Kleinwindanlagen aus Naturmaterialien“ sucht die HAW Kiel gemeinsam mit der Nuebold Yachtbau GmbH nach Alternativen. Gefördert durch die Gesellschaft für Energie- und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EKSH) wollen die Forschenden beweisen, dass auch nachwachsende Rohstoffe den hohen technischen Anforderungen im Windenergiesektor gerecht werden können.

„Wir möchten zeigen, dass nachhaltige Rotorblätter aus Flachsfasern und anderen nachwachsenden Rohstoffen sämtliche technischen Anforderungen erfüllen können und so einen echten Beitrag für eine noch nachhaltigere Windenergie leisten“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Sten Böhme, Projektleiter an der HAW Kiel.

Querschnitt des Rotorblatts.

Foto: Peter Schönhardt / HAW Kiel

Forschung an Naturfasern und Leichtbauprinzipien

Das Forschungsteam untersucht zunächst die mechanischen Eigenschaften verschiedener Naturmaterialien – darunter Flachs, Balsaholz und Paulownia, ein besonders leichtes Blauglockenbaumgewächs. Ziel ist es, Werkstoffe zu identifizieren, die ausreichend fest, langlebig und gleichzeitig ressourcenschonend sind. Mit Hilfe von Computersimulationen entwickeln die Forschenden anschließend die aerodynamische Form und den inneren Aufbau der Rotorblätter. Auf Basis dieser Modelle werden erste Prototypen im Windkanal der HAW Kiel getestet, um Stabilität, Schwingungsverhalten und Leistungsfähigkeit zu prüfen.

Verlaufen die Versuche erfolgreich, produziert der Projektpartner Nuebold Yachtbau Rotorblätter in Originalgröße. Diese werden nach der DIN-Norm „Windenergieanlagen“ auf ihre Belastbarkeit getestet – insbesondere auf Biegung und Materialermüdung.

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Zusammenarbeit zwischen Forschung und Handwerk

Das Projekt baut auf einer bereits bestehenden Kooperation zwischen der HAW Kiel und Nuebold Yachtbau auf. Beide Partner haben zuvor erforscht, wie sich glasfaserverstärkte Verbundwerkstoffe durch nachhaltige Alternativen ersetzen lassen. Dafür stellte das Kieler Unternehmen verschiedene Materialproben aus Flachsfasern her und testete sie auf Stabilität und Festigkeit.

„Aktuell wird der Verbundstoffanteil beispielsweise durch Flachsfaser ersetzt, ohne dabei die besonderen Materialeigenschaften der Naturfaser zu berücksichtigen“, erklärt Jaron Nübold, Geschäftsführer der Nuebold Yachtbau GmbH. „Wir sind überzeugt davon, dass insbesondere Erkenntnisse zu den dynamischen Materialeigenschaften den Durchbruch in der breiten Anwendung ermöglichen können.“

Förderung für klimafreundliche Werkstoffentwicklung

Die EKSH unterstützt das Vorhaben mit rund 175 000 Euro. Für Prof. Dr.-Ing. Frank Osterwald, Geschäftsführer der EKSH, ist das Projekt ein Beispiel für anwendungsnahe Forschung mit regionaler und globaler Wirkung. „Wind ist Schleswig-Holsteins wichtigste Energiequelle, wobei der Rückbau und Recycling der Erzeugungsanlagen bereits beim Bau mitgedacht werden sollte. Die Entwicklung von Rotorblättern für Kleinwindkraftanlagen aus Naturmaterialien lässt sich vor Ort zügig umsetzen und liefert zugleich wichtige Impulse für die großen Anlagen weltweit. Eine derartige Hebelwirkung wünscht sich die EKSH für ihre geförderten Projekte“, so Osterwald.

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Vom Prototyp zur Praxisanwendung

Langfristig streben die Forschenden an, dass Rotorblätter aus Naturfaserverbundwerkstoffen nicht nur für Kleinwindanlagen, sondern auch für größere Windkraftanlagen nutzbar werden. Der derzeitige Fokus liegt jedoch auf kleineren Systemen mit einer Rotorfläche unter 200 Quadratmetern – ideal für dezentrale Energieerzeugung und Testreihen unter realistischen Bedingungen. Das Projekt „Entwicklung von Rotorblättern für Kleinwindanlagen aus Naturmaterialien“ ist am 1. Oktober 2025 gestartet und läuft bis zum 31. September 2027.

„Wir setzen für die Herstellung des Aluminiumschaums verstärkt auf Recyclingmaterial. Das ist nicht nur wesentlich kostengünstiger, sondern reduziert auch den CO2-Fußabdruck erheblich“, betont Dr. Thomas Hipke vom Fraunhofer IWU, der als Experte für Materialentwicklung beratend mitwirkt.

Beitrag zur nachhaltigen Energiewende

Die Forschung an Naturfaserwerkstoffen für Windenergieanlagen zeigt, dass ökologische und technische Anforderungen miteinander vereinbar sind. Die Ergebnisse könnten neue Wege eröffnen, um Materialkreisläufe zu schließen, Emissionen zu reduzieren und die Nachhaltigkeit der Windbranche weiter zu stärken. Mit ihrem interdisziplinären Ansatz verbinden die HAW Kiel, Nuebold Yachtbau und die EKSH Materialforschung, Ingenieurtechnik und Ressourcenschutz – ein Zusammenspiel, das die Entwicklung zukunftsfähiger Leichtbaukonzepte in der Windenergie entscheidend voranbringen kann.

Von HAW Kiel / RMW