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Abbaubare Polyester 27.10.2025, 10:00 Uhr

Fluor als Schlüssel zur Materialinnovation

Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Bayreuth hat eine neue Klasse fluorierter Polyester entwickelt, die sich schneller polymerisieren, robuster verketten und gezielt modifizieren lassen. Die Materialien sind nicht nur leistungsfähiger, sondern auch nachhaltiger, da das eingesetzte Fluor im Recyclingprozess zurückgewonnen werden kann.

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Der Einbau von Fluor in bestimmte Polyester beschleunigt die Bildung von Polymerketten, lässt diese länger werden und ermöglicht die gezielte Modifizierung der Eigenschaften des Kunststoffs. Dadurch werden fluorierte Polyester konkurrenzfähiger zu anderen Plastikarten, wobei sich das Fluor im Zuge des Abbaus zurückgewinnen lässt.

Foto: Smarterpix / Nomadsoul1

Der Einbau von Fluor in bestimmte Polyester ermöglicht eine beschleunigte Bildung von Polymerketten, verlängert deren Struktur und eröffnet neue Möglichkeiten zur gezielten Veränderung der Materialeigenschaften. Diese Entwicklungen machen fluorierte Polyester zunehmend wettbewerbsfähig gegenüber anderen Kunststoffarten. Darüber hinaus lässt sich das eingesetzte Fluor nach dem Abbauprozess zurückgewinnen und wiederverwerten.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe unter Leitung der Universität Bayreuth. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Angewandte Chemie veröffentlicht.

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Warum Fluor für Polyester relevant ist

Polyester gelten als vielversprechende Werkstoffe, da sie vergleichsweise einfach chemisch recycelt werden können. Ihre Anwendbarkeit ist jedoch bislang begrenzt, insbesondere im Hinblick auf thermische, mechanische und chemische Belastbarkeit. Eine Verlängerung der Polymerketten oder eine höhere Temperaturstabilität können die Einsatzmöglichkeiten erweitern. Chemische Modifikationen – etwa durch das Einfügen neuer Moleküle – sind ein weiterer Weg, die Eigenschaften gezielt anzupassen und so die Wettbewerbsfähigkeit dieser Materialien zu steigern.

Forschung an fluorierten Polyestern

Das Team um Prof. Dr. Alex J. Plajer von der Universität Bayreuth hat in Zusammenarbeit mit Forschenden aus Berlin eine neue Klasse von fluorierten Polyestern entwickelt, die sich leichter abbauen lassen als herkömmliche Varianten. In einer weiterführenden Studie gelang es nun, diese Materialien zu verbessern und damit ihre industriellen Anwendungsmöglichkeiten deutlich zu erweitern.

„Fluorierte Polyester sind deshalb so interessant, weil Fluor als elektronegativstes Element Elektronen enorm stark anzieht. Deshalb kann man mit Fluor Materialien herstellen, die mit anderen Elementen gar nicht denkbar wären“, sagt Prof. Dr. Alex J. Plajer.

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Verbesserte Polymerisation und gezielte Steuerung der Materialeigenschaften

In der neuen Studie zeigte sich, dass die Polymerisation fluorierter Polyester schneller abläuft als bei vergleichbaren Polyestern ohne Fluor. Gleichzeitig entstehen längere Polymerketten, die sich stärker ineinander verhaken – ein Effekt, der die Stabilität und Robustheit des Materials erhöht.

„Besonders spannend ist, dass wir bestimmte Fluoratome im Polyester selektiv durch andere Moleküle ersetzen können. Damit können wir die Eigenschaften der Polyester gezielt steuern“, erklärt Prof. Dr. Alex J. Plajer.

Dieser Ansatz eröffnet die Möglichkeit, maßgeschneiderte Materialien mit spezifischen Eigenschaften für unterschiedliche Anwendungen zu entwickeln. Zudem bieten die fluorierten Polyester eine nachhaltige Perspektive, da das enthaltene Fluor während des chemischen Recyclingprozesses zurückgewonnen und in der chemischen Industrie erneut genutzt werden kann.

Nachhaltige Perspektiven für Kunststoffentwicklung

Die Ergebnisse der Bayreuther Forschenden zeigen, dass gezielte molekulare Modifikationen die Materialeigenschaften von Kunststoffen grundlegend verändern können. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie gezielte molekulare Modifikationen die Eigenschaften von Kunststoffen grundlegend verändern können. Die Integration von Fluor in die Polymerstruktur eröffnet neue Perspektiven für die Entwicklung nachhaltiger und leistungsfähiger Materialien, die sowohl ökologischen Anforderungen als auch industriellen Standards gerecht werden könnten“, sagt Prof. Dr. Alex J. Plajer.

Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, Kunststoffe der nächsten Generation zu gestalten – Materialien, die einerseits robust und vielseitig einsetzbar sind, andererseits aber auch den Anforderungen einer kreislauforientierten Wirtschaft entsprechen.

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Teil des Sonderforschungsbereichs „Fluor-Spezifische Wechselwirkungen“

Die Studie entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1349 „Fluor-Spezifische Wechselwirkungen“, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Innerhalb des SFB 1349 arbeiten rund 50 Promovierende und PostDocs in 22 Arbeitsgruppen der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, der Universität Bayreuth und der Universität Stuttgart. Gemeinsam erforschen sie die vielfältigen Anwendungen und chemischen Besonderheiten fluorhaltiger Verbindungen.

Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit legt die Grundlage für neue nachhaltige Materialkonzepte, in denen Fluor nicht als umstrittenes Additiv, sondern als strategischer Baustein für recyclingfähige, ressourcenschonende Kunststoffe genutzt werden kann.

Von Universität Bayreuth / RMW