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Medizin Werkstoffe 20.11.2025, 11:00 Uhr

Biobasierte Kunststoffe: Forschungsteam entwickelt Alternative für Infusionsbeutel

An der Frankfurt University of Applied Sciences entsteht gemeinsam mit Biovox eine nachhaltige Kunststofflösung für medizinische Einwegprodukte. Ziel ist ein biobasierter Werkstoff, der die strengen Anforderungen für Infusionsbeutel erfüllt und langfristig dazu beiträgt, CO2-Emissionen im Gesundheitssektor zu senken.

Im Sicherheitslabor, in dem die Biokompatibilität der entwickelten Biokunststoffe analysiert wird, befüllt Mitarbeiterin Fatima Kargbo eine Zellkulturflasche mit Kulturmedium. Foto: V. Linhard/Frankfurt UAS

Im Sicherheitslabor, in dem die Biokompatibilität der entwickelten Biokunststoffe analysiert wird, befüllt Mitarbeiterin Fatima Kargbo eine Zellkulturflasche mit Kulturmedium.

Foto: V. Linhard/Frankfurt UAS

Katheter, Blutbeutel oder Beatmungsschläuche gehören zu den wichtigsten Verbrauchsartikeln im medizinischen Betrieb. Sie bestehen überwiegend aus erdölbasierten Kunststoffen und verursachen erhebliche Abfallmengen. Da die meisten dieser Produkte aus hygienischen Gründen verbrannt werden müssen, entstehen zusätzliche Treibhausgasemissionen. Biobasierte Kunststoffe gelten als mögliche Alternative, weil sie auf nachwachsenden Rohstoffen basieren und bei der thermischen Verwertung kein zusätzliches fossiles CO2 freisetzen.

Ein entsprechendes Forschungsprojekt läuft an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Unter der Leitung von Prof. Dr. Diana Völz und Prof. Dr. Ilona Brändlin entwickelt ein Team gemeinsam mit der Biovox GmbH aus Darmstadt, vertreten durch Dr.-Ing. Vinzenz Nienhaus, einen biobasierten Kunststoff für Infusionsbeutel. Das Vorhaben trägt den Titel „Bio_K_Sub – Entwicklung eines BioKunststoff-Compound für Medizinprodukte als nachhaltigerem Substitutionswerkstoff“ und wird im Rahmen der Innovationsförderung Hessen über die LOEWE-Förderlinie 3 mit rund 500. 000 € unterstützt. Das Projekt läuft bis Oktober 2026.

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Anforderungen an biobasierte Medizinwerkstoffe

In Kliniken fallen durchschnittlich 8,3 kg Abfall pro Patientin oder Patient an¹. Da sich Einwegprodukte nur eingeschränkt recyceln lassen, besteht ein hoher Bedarf an Materialien, die nachhaltiger sind als herkömmlicher Kunststoff. Biobasierte Kunststoffe können dazu beitragen, weil sie auf pflanzlichen Rohstoffen basieren und ohne kritische Additive hergestellt werden können.

Für Medizinverpackungen sind solche Kunststoffe bereits geeignet, da ihre Bestandteile als stabil und sicher im Kontakt mit dem menschlichen Körper gelten. Für Infusionsbeutel gelten jedoch höhere Anforderungen. „Die besondere Herausforderung für unser Vorhaben besteht darin, einen Kunststoff zu entwickeln, der neben der geforderten Biostabilität auch alterungsbeständig ist und z. B. UV-Resistenz aufweist. Hierfür sind spezielle Kenntnisse im Bereich des Compoundierens, also des Beimischens von Zuschlagstoffen zum Erzielen der erwünschten Eigenschaften, notwendig“, erläutert Prof. Dr. Diana Völz, Professorin für Produktentwicklung, Konstruktion und CAD.

Im Zentrum stehen dabei die Kompetenzen des Forschungslabors Personalized Biomedical Engineering (PBE) der Frankfurt UAS sowie die Erfahrung von Biovox in der Entwicklung biobasierter Kunststoffcompounds. Frühere Entwicklungen von Biovox umfassen Materialien für Gehäuse veganer Schwangerschaftstests oder Griffe chirurgischer Instrumente. Ergänzend untersucht Maria Heckel in ihrer Promotion ökologische Bilanzierungsmodelle für Biokunststoffe.

Für den Zugversuch im Labor für Biomechanik spannt die Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Schneider das Material in die Probenhalter einer Zugprüfmaschine ein.

Foto: Frankfurt UAS/Frankfurt UAS

Biokompatibilität als Grundlage für die Anwendung

Während Biovox die Formulierung des Kunststoffgranulats auf Basis von Zellulose, Zuckerrohr oder Maisstärke erarbeitet, erfolgen die biokompatiblen Nachweise und sicherheitsrelevanten Prüfungen an der Frankfurt UAS. „Der Nachweis der Biokompatibilität ist wesentlich für die spätere Marktreife, da dies ein wichtiger Aspekt für die Nutzbarkeit des Werkstoffs ist“, erklärt Ilona Brändlin.

Die Untersuchungen finden unter ihrer Leitung in einem Sicherheitslabor mit eukaryotischen Zellkulturen statt – gemäß dem 3R-Prinzip zur Vermeidung von Tierversuchen (Replace, Reduce, Refine). Ergänzend werden im Biomechanik-Labor Zugversuche durchgeführt, die Auskunft über mechanische Kennwerte wie Streckspannung, Streckgrenze und Reißfestigkeit geben.

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Werkstoffkreisläufe als Ziel der Entwicklung

Das Projektteam erwartet neue Erkenntnisse zur Alterungs- und Wasserbeständigkeit biobasierter Kunststoffe. Diese Eigenschaften sollen durch umfassende biologische Prüfungen und Einflussanalysen abgesichert werden. „Das Projekt weist somit ein erhebliches wirtschaftliches und wissenschaftliches Innovationspotenzial auf und trägt zur Etablierung von Werkstoffkreisläufen und somit zum Erreichen der gesetzten Klimaziele in der Medizinbranche bei“, resümiert Völz.

Langfristig sollen die entwickelten Materialien nicht nur für Infusionsbeutel, sondern auch für weitere medizinische Behälter wie Blutbeutel eingesetzt werden.

1Benchmark-Studie der Hochschule Pforzheim zur Abfallentstehung an deutschen Krankenhäusern, siehe https://www.hs-pforzheim.de/fileadmin/user_upload/uploads_redakteur/Forschung/IW…

Von Frankfurt University of Applied Sciences/RMW