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Sicheres Trinkwasser trotz Lockdown 16.07.2021, 11:41 Uhr

Erhalt der Trinkwasserhygiene unter Pandemie-Bedingungen

Die Lockdowns zur Kontrolle der COVID-19-Pandemie stellen auch für den Erhalt der Hygiene in Trinkwasser-Installationen eine Herausforderung dar.

Foto: panthermedia.net/ lekcha

Foto: panthermedia.net/ lekcha

Temperatur, Wasseraustausch, Durchströmung und Nährstoffgehalt sind die wesentlichen und zusammenwirkenden Einflussgrößen auf die hygienisch-mikrobiologische Trinkwasserqualität. Diese Faktoren bilden den Wirkkreis der Trinkwasserhygiene [5]. Bestimmungsgemäßer Betrieb einer Trinkwasser-Installation umfasst deshalb unter anderem die Einhaltung der Temperaturgrenzen für Kaltwasser (maximal 25 °C) und Warmwasser (minimal 55 °C) sowie die Vermeidung von Stagnationen infolge von Nichtnutzung über mehr als drei Tage. Wenn der bestimmungsgemäße Betrieb einer Trinkwasser-Installation unterbrochen wird, dann werden alle Faktoren des Wirkkreises der Trinkwasserhygiene beeinflusst, sodass mikrobielles Wachstum begünstigt wird. Zu denken ist dabei insbesondere an Legionellen und Pseudomonaden. Der Betreiber haftet für Risiken, die aus dem Betrieb der Trinkwasser-Installation resultieren können und muss sicherstellen, dass der Betrieb bestimmungsgemäß erfolgt. Er hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Schäden anderer zu verhindern. Andernfalls drohen Schadensersatzansprüche.

Nicht genutzte Trinkwasser-Installationen

Die Lockdowns zur Kontrolle der COVID-19-Pandemie haben in zahlreichen Immobilien zu einer teilweise mehrmonatigen Nichtnutzung der Trinkwasser-Installation geführt. Betroffen waren nicht nur Schulen, Kindergärten und Hotels, sondern auch Bürogebäude, Produktionsstätten, Einkaufscenter, Sportstätten, Theater, Kinos, Museen, Zweit- und Ferienwohnungen. Um die hygienische Trinkwasserqualität zu erhalten, muss während der Nichtnutzung von Gebäuden entweder ein bestimmungsgemäßer Betrieb der Trinkwasser-Installation simuliert werden oder diese muss fachgerecht außer Betrieb genommen, instand gehalten und wieder in Betrieb genommen werden.

Bei einer Simulation des bestimmungsgemäßen Betriebs muss der vollständige Wasseraustausch durch Entnahme an allen Entnahmestellen für Trinkwasser (warm und kalt) alle drei Tage gewährleistet werden. Bestimmungsgemäßer Betrieb kann auch durch automatische Spülarmaturen sichergestellt werden.

Wenn eine Betriebsunterbrechung unvermeidlich ist, so sind, in Abhängigkeit von der Dauer der Unterbrechung, Maßnahmen zu ergreifen, um bei Wiederinbetriebnahme eine Gesundheitsgefährdung durch pathogene Mikroorganismen zu vermeiden. Der Umfang der erforderlichen Maßnahmen richtet sich nach der Dauer der Betriebsunterbrechung.

Maßnahmen vor der Betriebsunterbrechung

Wenn eine Trinkwasser-Installation für mehr als drei Tage außer Betrieb genommen werden soll, dann ist die Installation in befülltem Zustand am Hauswassereingang oder am Beginn des jeweiligen Leitungsabschnitts (Etagen- oder Wohnungsabsperrung) abzusperren. Diese Maßnahme sollte durch ein Fachinstallationsunternehmen erfolgen, wenn eine Betriebsunterbrechung von mehr als sechs Monaten geplant oder absehbar ist. Auf die Absperrung sollte am Absperrventil hingewiesen werden. Wenn Trinkwasser-Installationen oder Teile davon länger als ein Jahr nicht genutzt werden, müssen diese von der Trinkwasserversorgung beziehungsweise restlichen Trinkwasser-Installation abgetrennt werden.

Maßnahmen zur Wiederinbetriebnahme

Bei einer Wiederinbetriebnahme der Trinkwasser-Installation (kalt und warm) genügt es nach maximal sieben Tagen Betriebsunterbrechung, das Trinkwasser gleichzeitig mindestens fünf Minuten an jeder Entnahmestelle fließen zu lassen. Zur Wiederinbetriebnahme nach maximal vier Wochen muss ein vollständiger Wasseraustausch an allen Entnahmestellen durch Spülung mit Trinkwasser durchgeführt werden. Wenn sich Temperaturkonstanz an den Entnahmestellen einstellt, kann davon ausgegangen werden, dass dies erreicht ist. Nach einer Außerbetriebnahme von mehr als vier Wochen sollte zusätzlich eine hygienisch-mikrobiologische Kontrolluntersuchung durchgeführt werden. Wenn eine Trinkwasser-Installation länger als sechs Monate im befüllten Zustand nicht genutzt wurde oder wenn sie entleert wurde, dann muss bei der Wiederinbetriebnahme wie bei einer Neuinstallation vorgegangen werden. Wiederanschluss, Befüllung und Spülung sind von einem Fachinstallationsunternehmen durchzuführen.

Quellen

  1. DIN 1988–100 (2011): Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 100: Schutz des Trinkwassers, Erhaltung der Trinkwassergüte.
  2. DIN EN 806–5 (2012): Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 5: Betrieb und Wartung.
  3. DVGW (2020): Information vom 8. Mai 2020 – Vorübergehende Stilllegungen von Trinkwasser-Installationen in Gebäuden (zum Beispiel in den Ferien oder bei verordneten Betriebsunterbrechungen im Zuge von Maßnahmen gegen das Coronavirus).
  4. Kistemann, T. (2012): Hygienisch-mikrobiologische Trinkwassergüte in der Trinkwasser-Installation. Gebäudetechnik für Trinkwasser. Fachgerecht planen – Rechtssicher ausschreiben – Nachhaltig sanieren. Kistemann, T., Schulte, W., Rudat, K., Hentschel, W., Häußermann, D., Springer-Verlag, Heidelberg, Berlin.
  5. Kistemann, T., Bausch, K. (2019): Prozessziel Trinkwassergüte, In: Treeck van, C., Kistemann, T., Schauer, C., Herkel, S., Elixmann, R.: Gebäudetechnik als Strukturgeber für Bau- und Betriebsprozesse: Trinkwassergüte – Energieeffizienz – Digitalisierung, Springer Vieweg, Berlin.
  6. VDI/DVQST-EE 3810 Blatt 2.1 (2020): Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen. Trinkwasser-Installationen. Außerbetriebnahme und Wiederinbetriebnahme.

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Von Prof. Dr. Thomas Kistemann, stv. Institutsdirektor / Head of WHO CC Universitätsklinikum Bonn